Generalisierte Angststörung: Ursachen, Symptome & Behandlung
Angst vor Krankheit, Jobverlust oder finanziellem Ruin: Betroffene einer generalisierten Angststörung malen sich permanent Katastrophenszenarien aus. Einen objektiven Anlass für die übermäßigen Ängste gibt es nicht. Dennoch entkommen Erkrankte dem Sorgenkarussell nur schwer und haben einen starken Leidensdruck. Welche Symptome typisch sind und was hilft, lesen Sie hier.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
FAQ: Häufige Fragen zur generalisierten Angststörung
Bei einer Angststörung handelt es sich um einen Überbegriff für verschiedene Arten von Störungen, bei denen Angst das vorherrschende Symptom ist. Dazu zählen etwa Phobien, die soziale Angststörung und die Panikstörung – aber auch die generalisierte Angststörung. Bei dieser spezifischen Form der Angsterkrankungen verspüren Betroffene übermäßige und anhaltendende Sorgen. Die Auslöser sind unspezifisch und können sämtliche Lebensbereiche betreffen.
Die generalisierte Angststörung ist grundsätzlich gut behandelbar. Professionelle Hilfe ist hierzu in der Regel unerlässlich. Bewährt hat sich etwa die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) in Kombination mit einer medikamentösen Behandlung.
Es gibt keine verlässlichen Statistiken darüber, wie häufig die generalisierte Angststörung auftritt. Schätzungen zufolge entwickeln 7 bis 8 von 100 Menschen irgendwann im Laufe ihres Lebens eine generalisierte Angststörung. Frauen erhalten die Diagnose häufiger als Männer.
Generalisierte Angststörung: Was ist das?
Angst ist ein Gefühl, das jeder Mensch kennt. Sie bewahrt uns vor gefährlichen Situationen und hat somit einen Nutzen. Betroffene einer generalisierten Angststörung (GAS) befinden sich dagegen in einem permanenten Alarmzustand, der weit über ein gesundes Maß an Angst hinausgeht. Ihre Ängste sind irrational, deutlich intensiver und treten häufiger auf als bei gesunden Menschen.
Im Gegensatz zu anderen Angststörungen wie etwa einer Phobie bezieht sich die Angst bei einer generalisierten Angststörung nicht auf bestimmte Situationen oder Objekte. Vielmehr handelt es sich um eine generalisierte, unbestimmte Angst, die verschiedene Lebens- und Alltagssituationen betreffen kann. Ärzt*innen sprechen von einer frei flottierenden Angst. Bloße Eventualitäten werden dabei in Gedanken zu ausgeprägten Katastrophenszenarien.
Symptome einer generalisierten Angststörung
Charakteristische Symptome für eine generalisierte Angststörung sind über einen längeren Zeitraum anhaltende, übertriebene Ängste, Sorgen und Grübeleien. Sie beziehen sich nicht auf einzelne Situationen oder Objekte, sondern können immer wieder andere Themen betreffen.
So befürchtet die betroffene Person zum Beispiel grundlos, dass
- einem nahestehenden Menschen etwas zustoßen könnte,
- ihre berufliche Zukunft nicht gesichert ist,
- sie krank werden oder
- in finanzielle Schwierigkeiten geraten könnte.
Erkrankte wissen meist, dass ihre Ängste übertrieben oder unangemessen sind, können sie aber nur schwer oder gar nicht kontrollieren.
Weitere psychische Symptome der generalisierten Angststörungen sind
- Nervosität und innere Anspannung,
- Konzentrationsprobleme,
- Schlafstörungen,
- Schreckhaftigkeit und
- Reizbarkeit.
Eine generalisierte Angststörung macht sich oft nicht nur psychisch, sondern auch körperlich bemerkbar. Mögliche körperliche Symptome sind:
- Zittern (Tremor)
- Rastlosigkeit
- Übelkeit und Erbrechen
- starkes Schwitzen
- Herzrasen (Tachykardie)
- Muskelverspannungen
- Schwindel
- Beklemmungsgefühle
- Atemnot (Dyspnoe)
- Mundtrockenheit
- Magen-Darm-Beschwerden
- Spannungskopfschmerzen
Art und Intensität der Symptome sind individuell. Meist treten die Symptome nicht gleichzeitig, sondern zeitverzögert und in unterschiedlichen Kombinationen auf.
Generalisierte Angststörung: Welche Ursachen sind möglich?
Bislang sind die Ursachen einer generalisierten Angststörung nicht abschließend erforscht. Vermutlich sind mehrere Faktoren im Zusammenspiel an der Entstehung einer Angststörung beteiligt. Welche das genau sind, darüber wird unter Fachleuten noch diskutiert.
Zu möglichen Auslösern zählen:
- vergangene oder aktuell belastende Ereignisse, z. B. traumatische Erlebnisse, Verlust eines geliebten Menschen
- hohe psychische Belastung, etwa im Beruf oder innerhalb der Familie
- ungünstiger Erziehungsstil, z. B. Überbehütung
Zudem scheinen erbliche Faktoren eine Rolle zu spielen: Eine generalisierte Angststörung tritt in manchen Familien häufiger auf als in anderen.
Fachleute vermuten außerdem neurobiologische Ursachen. Bei Betroffenen lassen sich etwa Fehlfunktionen oder Veränderungen in Hirnbereichen festellen, die durch die Botenstoffe Serotonin, Adrenalin beziehungsweise Noradrenalin oder Gamma-Amino-Buttersäure (GABA-Bindung) aktiviert werden.
Die generalisierte Angsterkrankung kann außerdem als Folge einer anderen psychischen Störung entstehen. Zum Beispiel kann sie sich aus einer Panikstörung entwickeln. Bei einer Panikstörung kommt es regelmäßig zu Panikattacken, die mit starken körperlichen Reaktionen einhergehen.
Generalisierte Angststörung: Wie erfolgt die Diagnose?
Bis Betroffene die Diagnose erhalten, vergeht oft viel Zeit. Denn häufig stehen die körperlichen Symptome im Vordergrund, die zunächst nicht an eine psychische Erkrankung denken lassen. Darüber hinaus ist es nicht immer leicht, eine generalisierte Angststörung von anderen Formen der Angststörung oder einer Depression zu unterscheiden. Auch tritt die GAS häufig in Kombination mit solchen Erkrankungen auf.
Erste Anlaufstelle bei möglichen Symptomen einer generalisierten Angststörung kann die hausärztliche Praxis oder ein*e Psychotherapeut*in sein.
Im Mittelpunkt des Ersttermins steht ein ausführliches Gespräch, die sogenannte Anamnese. Um herauszufinden, ob möglicherweise eine generalisierte Angststörung vorliegt, werden bestimmte Fragen gestellt, darunter:
- Welche Ängste treten konkret auf?
- Wie oft und in welchen Situationen fühlt sich die betroffene Person ängstlich?
- Verursachen die Ängste einen starken Leidensdruck und schränken den*die Patient*in im Alltag ein?
- Welche körperlichen Symptome stehen im Vordergrund?
- Werden Medikamente eingenommen? Wenn ja, welche?
Liegen weitere Beschwerden oder Erkrankungen vor, etwa eine andere Form der Angststörung, eine Depression oder eine Sucht, so ist dies ebenfalls von Bedeutung für die Diagnosestellung und nachfolgende Behandlung.
Körperliche Untersuchung
Viele Symptome, die bei einer generalisierten Angststörung auftreten, kommen auch im Rahmen anderer Krankheiten vor. So können beispielsweise Nervosität, innere Unruhe oder Schwitzen auch auf eine Schilddrüsenüberfunktion hinweisen. Bestimmte Medikamente lösen solche Symptome ebenfalls aus. Um körperliche Ursachen auszuschließen, erfolgt daher in der Regel eine gründliche Untersuchung inklusive Bluttest.
Wie wird eine generalisierte Angststörung behandelt?
Bei der Behandlung der generalisierten Angststörung haben sich insbesondere zwei Verfahren bewährt:
- die Psychotherapie, hier vor allem die kognitive Verhaltenstherapie (KVT)
- die Therapie mit Medikamenten
Beide Methoden werden häufig miteinander kombiniert. Darüber hinaus gibt es noch weitere Behandlungsmöglichkeiten und unterstützende Angebote. Manchen Menschen hilft es etwa, mit anderen Betroffenen über ihre Probleme zu sprechen. Eine Selbsthilfegruppe bietet eine solche Möglichkeit.
Bei der Wahl der Therapie spielen zum einen die persönlichen Vorlieben der erkrankten Person eine Rolle. Zum anderen kann es sein, dass aus ärztlicher Sicht eine bestimmte Behandlung (nicht) empfehlenswert ist – zum Beispiel, weil Medikamente aus medizinischen Gründen nicht infrage kommen.
Zur psychotherapeutischen Behandlung der generalisierten Angststörung hat sich vor allem die kognitive Verhaltenstherapie als wirksam erwiesen. Alternativ kommen psychodynamische Therapieverfahren infrage.
Was passiert in der Verhaltenstherapie?
In der Verhaltenstherapie lernen Betroffene, negative Gedanken, Überzeugungen und Verhaltensweisen zu erkennen und zu hinterfragen. Anschließend arbeiten sie daran, diese Muster schrittweise zu verändern, indem sie diese gezielt unterbrechen und durch positive Strukturen ersetzen. Meist finden die Sitzungen einmal pro Woche statt. Die Behandlung kann sich je nach Einzelfall auf wenige Termine beschränken, aber auch einige Monate dauern.
Was passiert in der psychodynamischen Psychotherapie?
Zu den psychodynamischen Therapieverfahren gehören die analytische und die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie. Beide basieren auf der Annahme, dass sich unbewusste psychische Vorgänge unmittelbar auf das Denken, Fühlen und Handeln auswirken. Dazu gehören zum Beispiel einschneidende Erfahrungen und innere Konflikte in der Kindheit oder erfahrene Gewalt.
Derlei Konflikte, aus denen die Angst möglicherweise entstanden ist, sollen im Rahmen der Therapie aufgedeckt werden. So erkennen Betroffene, dass der Ursprung ihrer Angsterkrankung in der Vergangenheit liegt und sich nicht auf die aktuelle Situation bezieht. Im nächsten Schritt sollen die entsprechenden Konflikte aufgearbeitet werden.
In der Regel dauert die Behandlung länger als eine kognitive Verhaltenstherapie. Je nach Erkrankung und Therapiemethode können mehrere Monate bis zu zwei Jahre vergehen.
Gut zu wissen: Die Kosten für eine Psychotherapie werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Das gilt sowohl für die KVT als auch für die analytische und tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie.
Behandlung mit Medikamenten
Bei einer generalisierten Angststörung kann eine Behandlung mit Antidepressiva hilfreich sein. Zum Einsatz kommen vor allem
- selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) wie Escitalopram oder Paroxetin und
- Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) wie Duloxetin oder Venlafaxin.
Zeigen diese Antidepressiva nicht den gewünschten Effekt, können folgende Wirkstoffe verschrieben werden:
- Pregabalin, ein Antiepileptikum, das unter anderem angstlösend wirkt.
- Opipramol, das zu den trizyklischen Antidepressiva zählt.
Mögliche Nebenwirkungen sind zum Beispiel Übelkeit, Appetitlosigkeit, Kopfschmerzen, Müdigkeit und Durchfall. Die Beschwerden treten in der Regel nur zu Beginn der Therapie auf und klingen innerhalb weniger Tage wieder ab. Wird eine längerfristige Therapie mit Antidepressiva abrupt beendet, können außerdem unerwünschte Absetzerscheinungen auftreten. Um dies zu verhindern, empfiehlt es sich, die Dosis schrittweise zu reduzieren.
Was können Angehörige tun?
Enge Bezugspersonen Betroffener sind mitunter ratlos, wie sie sich verhalten sollen. Häufig verspüren auch sie einen Leidensdruck – etwa, wenn sich die erkrankte Person als Folge ihrer Angststörung zurückzieht und die Beziehung leidet. Mitunter kommt es vor, dass Betroffene ihre Angehörigen in ihre Angststörung einbeziehen. So soll etwa der*die Partner*in oder die Familie ebenfalls auf angstauslösende Dinge verzichten, was wiederum ein hohes Konfliktpotenzial birgt. Insbesondere Kinder sind gefährdet, Ängste betroffener Eltern zu übernehmen und ebenfalls eine Angsterkrankung zu entwickeln.
Deshalb ist es hilfreich, wenn sich Bezugspersonen über die generalisierte Angststörung informieren und typische Verhaltensweisen so besser einordnen können. Weitere Tipps zum Umgang:
Die Ängste der betroffenen Person nicht herunterspielen, sondern ernst nehmen und sich bewusst machen, dass es sich um eine Erkrankung handelt
Falls noch nicht geschehen: Betroffene dazu ermutigen, sich professionelle Hilfe zu suchen und anbieten, sie zu begleiten
Die betroffene Person dazu ermutigen, sich schrittweise mit ihren Ängsten zu konfrontieren, anstatt ihr alle angstauslösenden Aufgaben abzunehmen
Erkrankte Personen in akuten Angstsituationen an bereits erlernte Bewältigungsstrategien und Entspannungstechniken erinnern
Generalisierte Angststörung: Verlauf & Vorbeugen
Die generalisierte Angststörung verläuft meist in Phasen: Zeiten, in denen es der Person relativ gut geht, wechseln sich mit Abschnitten ab, in denen die Beschwerden stärker ausgeprägt sind.
Ohne Therapie bilden sich die Symptome nur selten zurück. Vielmehr kommt es zu einem ausgeprägten Vermeidungsverhalten sämtlicher angstauslösender Situationen. Das kann verheerende Folgen haben: Betroffene ziehen sich sozial zurück und trauen sich mitunter kaum mehr, das Haus zu verlassen. Je länger die psychische Störung unbehandelt bleibt, desto höher ist das Risiko, dass sie einen chronischen Verlauf nimmt.
Personen mit generalisierter Angststörung leiden häufig zugleich an anderen psychischen Erkrankungen wie einer Depression. Wenn die Ängste den Alltag stark einschränken, kann dies die Depression verstärken – bis hin zu Suizidgedanken. Daher ist es wichtig, sich frühzeitig um professionelle Hilfe zu kümmern.
Kann man einer generalisierten Angststörung vorbeugen?
Der Erkrankung selbst lässt sich nicht vorbeugen – möglicherweise aber einem chronischen Verlauf. Betroffene sollten daher nicht zögern, bei Beschwerden ärztlichen Rat einzuholen.