Fibromyalgie: Symptome, Diagnose und Behandlung
Fibromyalgie ist ein Komplex aus Beschwerden, bei dem starke Muskelschmerzen im ganzen Körper im Vordergrund stehen. Die chronische Schmerzerkrankung geht mit vielen Symptomen einher, die oft einen hohen Leidensdruck für Betroffene bedeuten. Welche Anzeichen sind typisch und wie erfolgt die Diagnose und Behandlung bei Fibromyalgie?
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Zusammenfassung
- Definition: Chronische Schmerzerkrankungen, sogenannter „Faser-Muskel-Schmerz“. Den Symptomen liegt keine erklärende organische Ursache zugrunde
- Symptome: Diffuse Schmerzen in Knochen, Muskeln und Gelenken; Begleitsymptome wie Müdigkeit, schneller Erschöpfung, Schlafstörungen und Konzentrationsprobleme
- Diagnose: Anamnese mittels Frage-Checkliste; körperliche Untersuchungen und Ausschlussdiagnostik
- Behandlung: Multimodale Therapie mit Physiotherapie, körperliche Aktivität, kognitive Verhaltenstherapie und ggf. Antidepressiva
- Ernährung: Keine allgemeingültige Ernährungsempfehlung, jedoch Tipps wie entzündungshemmende und vegane/vegetarische Ernährungsweise
- Ursachen: Bislang ungeklärt; vermutlich gestörte Schmerzverarbeitung in Kombination mit weiteren Faktoren
- Verlauf: Bislang keine Heilung möglich; hinterlässt keine bleibenden Schäden, kein Einfluss auf Lebenserwartung; entsprechende Behandlung kann Lebensqualität steigern
Was ist Fibromyalgie?
Fibromyalgie, auch als Fibromyalgiesyndrom (kurz: FMS) bezeichnet, ist eine chronische Schmerzerkrankung. Umgangssprachlich ist zudem der Begriff Weichteilrheuma geläufig. Fibromyalgie bedeutet so viel wie „Faser-Muskel-Schmerz“. Dabei leiden Betroffene unter einem Komplex chronischer Schmerzen, die in mehreren Körperbereichen nahe Gelenken und in Muskeln auftreten können. Auch Schlafstörungen, schnelle Erschöpfung und Müdigkeit sind möglich.
Die genaue Ursache einer Fibromyalgie ist bislang nicht geklärt. Häufig nehmen Ärzt*innen die Symptome deshalb nicht ernst, was den Leidensdruck von Erkrankten meist zusätzlich verstärkt. Mitunter kann FMS auch mit Angstzuständen und Depressionen einhergehen.
In Deutschland sind circa 1,5 Millionen Menschen von Fibromyalgie betroffen, Frauen häufiger als Männer. Meist tritt die Krankheit zwischen dem 40. und dem 60. Lebensjahr erstmals auf. Aber auch in jedem anderen Alter können Menschen am Fibromyalgiesyndrom erkranken.
Fibromyalgie: Welcher Facharzt ist zuständig?
Erste Anlaufstelle bei gesundheitlichen Problemen ist die hausärztliche Praxis. Zur weiteren Abklärung der Beschwerden erhalten Patient*innen in der Regel eine Überweisung an Fachärzte*innen der Neurologie oder Rheumatologie. Bei der Suche nach einer*einem qualifizierten Ärztin*Arzt kann es hilfreich sein, sich an Selbsthilfegruppen für Fibromyalgie zu wenden.
Bei telefonischer Kontaktaufnahme lässt sich mit einer kurzen Nachfrage zudem oft klären, ob Fibromyalgie ein Schwerpunkt der Arztpraxis ist oder eine Zusatzqualifikation in diesem Bereich vorliegt. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie rät dazu, sich bei Verdacht auf Fibromyalgie an eine fachärztliche Praxis mit zusätzlicher schmerztherapeutischer Qualifikation zu wenden.
Fibromyalgie: Welche Symptome sind möglich?
Bei Fibromyalgie kommt es zu chronischen und diffusen Schmerzen in Muskeln und Sehnenansätzen. Davon sind nicht nur Arme und Beine, sondern auch der Rumpf und speziell der Rücken betroffen – häufig verstärkt nach körperlicher Belastung. Hinzu kommen oft Missempfindungen und Begleitsymptome wie Erschöpfung. Viele Betroffene beschreiben die Schmerzen als großflächig und fließend, in vielen Fällen auch als
- dumpf,
- brennend,
- scharf,
- schneidend oder
- bohrend.
Typisch ist auch das Gefühl, die schmerzhaften Weichteile seien diffus geschwollen. Die Intensität der Schmerzen ist zudem nicht immer gleich. Sie wechselt sowohl im Tages- als auch im längerfristigen Krankheitsverlauf. Die Schmerzen halten über lange Zeit an und können sich durch körperliche Aktivitäten verstärken.
Weitere Symptome bei Fibromyalgie
Bei Fibromyalgie kann es neben den charakteristischen Schmerzen zu verschiedenen Begleitsymptomen kommen, wie zum Beispiel:
- Probleme beim Schlafen, etwa Ein- und Durchschlafstörungen
- Müdigkeit
- Morgensteifigkeit
- Muskelverspannungen im Bereich von Gesicht, Kiefer oder Brustbein
- Reizdarm
- Kopfschmerzen
- Konzentrationsprobleme
- psychische Beschwerden wie Angstzustände, Nervosität und innere Unruhe
Mit welchen Beschwerden sich eine Fibromyalgie genau äußert und wie stark diese ausgeprägt sind, ist dabei von Fall zu Fall verschieden. Manchmal verschlimmert sich Fibromyalgie unter bestimmten Bedingungen, wie etwa bei Stress oder Kälte.
Fibromyalgie: Wie äußert sich ein Schub?
Bei manchen Betroffenen mit Fibromyalgie tritt die Erkrankung in Schüben auf – die Beschwerden kommen und gehen also. Anfangs lassen sich die Fibromyalgie-Schübe gut erkennen, da diese immer wieder von beschwerdefreien Phasen unterbrochen werden. Nach und nach kommen jedoch weitere Symptome hinzu, wie starke Erschöpfung und Müdigkeit. Manche der Beschwerden bleiben auch zwischen den Schüben bestehen, wodurch es schwerer wird, einen Fibromyalgie-Schub als solchen wahrzunehmen.
Fibromyalgie: Wie erfolgt die Diagnose?
Bei Verdacht auf Fibromyalgie steht zunächst ein ärztliches Gespräch an, bei dem die genauen Beschwerden, Vorerkrankungen oder etwa Einnahme von Medikamenten beleuchtet werden (Anamnese).
Zur Diagnose einer Fibromyalgie gibt es einen speziell entwickelten Fragebogen. So kann die*der Ärztin*Arzt die Fibromyalgie-Symptome, die genaue Art der Schmerzen und deren Stärke systematisch anhand dieser Checkliste abfragen. Die schmerzenden Körperstellen halten Fachleute in einer Schmerzskizze fest. Bestehen die Schmerzen in mindestens drei Körperregionen länger als drei Monate, kann das ein Hinweis auf eine Fibromyalgie sein.
Bei einer körperlichen Untersuchung wird überprüft, ob möglicherweise auch verschiedene Druckpunkte an Muskeln und Sehnensätzen (Tenderpoints oder auch Triggerpunkte) Schmerzen verursachen, indem mit dem Daumen darauf gedrückt wird. Bei Betroffenen mit Fibromyalgie löst das oft Schmerzen aus.
Früher war im Rahmen der Diagnostik wichtig, dass mindestens 11 von insgesamt 18 Druckpunkten schmerzhaft auf Druck reagieren und Schmerzen in mindestens drei Körperregionen sowie länger als drei Monate bestehen müssen. Davon rückt man mittlerweile jedoch eher ab. Für die Diagnose einer Fibromyalgie müssen die Tenderpoints nicht mehr zwingend getestet werden. Vielmehr genügen als Kriterium im Grunde bereits allgemein vorhandene Schmerzen.
Bei Fibromyalgie lassen sich keine organischen Veränderungen beobachten. Es gibt auch keine typischen Laborwerte, die auf eine Fibromyalgie hindeuten könnten. Genauso wenig Aufschluss gibt das Röntgenbild.
Deshalb erfolgt bei einer Fibromyalgie die Diagnose anhand einer sogenannten Ausschlussdiagnostik, bei der andere Erkrankungen mit ähnlichem Beschwerdebild ausgeschlossen werden. Dazu zählen zum Beispiel
- rheumatisch-entzündliche Erkrankungen,
- Wirbelsäulenprozesse mit radikulärer (die Nervenwurzel betreffender) Symptomatik,
- muskuläre Systemerkrankungen,
- Entzündungen der Skelettmuskulatur (Myositiden) oder
- Autoimmunerkrankungen.
Maßnahmen zur Behandlung bei Fibromyalgie
Bei Fibromyalgie zielt die Behandlung darauf ab, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern. Eine Heilung der Fibromyalgie ist bislang nicht möglich. Die Therapie setzt sich meistens aus mehreren Bestandteilen zusammen. Diese einzelnen Maßnahmen kommen einzeln oder in Kombination zum Einsatz – abgestimmt auf die individuellen Bedürfnisse.
Wichtig: Gängige Schmerzmittel wie Ibuprofen, Paracetamol oder Diclofenac eignen sich nicht zur Behandlung bei Fibromyalgie. Denn die Ursache der Schmerzen liegt nicht in entzündlichen Veränderungen. Betroffene sollten Schmerzmittel deshalb nur nach ärztlicher Rücksprache einnehmen. Zurückhaltung ist vor allem bei Opioiden wie Codein oder Oxycodon geboten. Diese können schnell abhängig machen.
Patientenschulungen
Patientenschulungen zum Thema Fibromyalgie helfen Betroffenen dabei, mit ihrer Erkrankung zu leben und umzugehen. In kleinen Gruppen erhält man Informationen über das Krankheitsbild, den Verlauf, die Ursachen und die möglichen Therapie-Module. Im Vordergrund dieses Ansatzes steht zu verstehen, wie der Körper Schmerzen verarbeitet. Solche Schulungen bieten rheumatologische Praxen und Psycholog*innen an, aber auch Reha-Kliniken, die Deutsche Rheuma-Liga sowie Selbsthilfeverbände.
Bewegung bei Fibromyalgie
Regelmäßiges Training wirkt sich bei Fibromyalgie positiv aus, vor allem Ausdauersport wie Radfahren, Nordic Walking, Aquajogging oder Schwimmen. Wichtig ist, das Bewegungsprogramm langsam zu starten und nach ärztlicher Absprache allmählich zu steigern.
Positive Effekte kann auch sogenanntes Funktionstraining bei Fibromyalgie haben. Darunter versteht man zum Beispiel über einen längeren Zeitraum verordnete Physiotherapie oder Wassergymnastik. Auch körperbezogene Sportarten mit einer eher meditativen Ausrichtung können sich günstig auf die Beschwerden bei Fibromyalgie auswirken, wie etwa Yoga, Qigong oder Tai-Chi.
Psychotherapie bei Fibromyalgiesyndrom
Mithilfe einer kognitiven Verhaltenstherapie lernen Patient*innen ungünstige Denkmuster, Bewertungen und Verhaltensweisen zu erkennen und zu durchbrechen. Dazu gehört vor allem auch die Wahrnehmung der Schmerzen und wie diese bewertet werden. Im Idealfall ordnet sich der Alltag nicht mehr vollständig dem Schmerz unter.
Die Betroffenen lernen mit verschiedenen Übungen, Stress besser zu bewältigen, indem sie die eigenen Grenzen und Stressfaktoren besser wahrnehmen. Entspannungstechniken (wie progressive Muskelentspannung oder autogenes Training) können dabei helfen, die Stressbelastung im Allgemeinen zu senken.
Antidepressiva
Antidepressiva wirken stimmungsaufhellend und entspannend. Sie können die Beschwerden bei Fibromyalgie bessern und können für einen begrenzten Zeitraum zum Einsatz kommen.
Fibromyalgie: Tipps zur Ernährung
Eine Heilung im eigentlichen Sinne ist beim Fibromyalgiesyndrom bislang nicht möglich – auch nicht durch eine spezielle Ernährung. Eine allgemeingültige Ernährungsempfehlung bei Fibromyalgie gibt es daher nicht. Viele Betroffene berichten jedoch, dass vor allem eine pflanzliche Ernährungsweise zur Linderung der Beschwerden beiträgt. Wichtig dabei ist, dass Menschen mit Fibromyalgie selbst herausfinden, was sie gut vertragen.
Einige hilfreiche Tipps zur Ernährung sind etwa:
- entzündungshemmende Lebensmittel: Vor allem Gemüse und Obst wie Kiwis oder Beeren sind reich an Antioxidantien, die einen entzündungshemmenden Effekt haben, da sie oxidativen Stress reduzieren.
- Verzicht auf Fleisch und Milchprodukte: Fleisch und Milchprodukte fördern hingegen Entzündungen im Körper und sollten bestenfalls nur selten oder gar nicht auf dem Speiseplan stehen.
- Eiweiß: Für die Muskeln wichtige Proteine liefern beispielsweise Hühnerei und Fisch. Jedoch gibt es auch viele vegane Proteinquellen wie Hülsenfrüchte.
- Magnesium: Magnesium trägt zu einer normalen Muskelfunktion bei, weshalb bei FMS auf eine ausreichende Zufuhr geachtet werden sollte. In klinischen Studien scheint sich ein positiver Effekt von Magnesium bei FMS gezeigt zu haben. Magnesiumhaltige Lebensmittel sind etwa Vollkornprodukte, Spinat oder Nüsse.
- wenig Zucker und Genussmittel: Der Verzicht auf Zucker und Genussmittel wie Kaffee oder Alkohol wirkt zudem Entzündungsreaktionen im Körper vor.
Fibromyalgie: Ursachen und Risikofaktoren
Die genauen Ursachen von Fibromyalgie sind bisher weitgehend ungeklärt. Vermutlich gibt es jedoch nicht nur eine einzige Ursache, vielmehr spielen mehrere Faktoren und Mechanismen bei der Entstehung eine Rolle.
Gestörte Schmerzverarbeitung im Gehirn
Fachleute vermuten, dass bei Fibromyalgie eine Störung der Schmerzverarbeitung vorliegt, bei der auch geringe Reize als Schmerz wahrgenommen werden. Bei Menschen mit Fibromyalgie verändern sich offenbar die Regelsysteme für Schmerzempfindung im Gehirn. Bestimmte Botenstoffe, die mit der Schmerzverarbeitung zu tun haben, regulieren sich herunter (etwa Serotonin). Andere Stoffe dagegen lassen sich vermehrt nachweisen – zum Beispiel die sogenannte Substanz P, ein Botenstoff, der die Schmerzempfindlichkeit von Nervenzellen steigern kann.
Genetische Veranlagung
Einen gewissen Einfluss hat wahrscheinlich auch die Vererbung, denn in manchen Familien tritt Fibromyalgie gehäuft auf. Bei Erkrankten finden sich bestimmte Genvarianten häufiger als bei gesunden Menschen. Die betroffenen Gene wirken sich auf die Funktion verschiedener Botenstoffe aus, die eine Rolle bei der Schmerzverarbeitung spielen (wie Noradrenalin oder Serotonin). Ein einzelnes spezifisches Gen gibt es jedoch nicht.
Fibromyalgie: Psychische Ursachen
Psychische Belastungen wie anhaltender Stress oder psychische Erkrankungen, beispielsweise Depressionen, können möglicherweise dazu beitragen, dass eine Fibromyalgie entsteht. Einige Betroffene berichten zudem von traumatischen oder belastenden Erfahrungen in der Kindheit wie sexuellen Missbrauch. Studien zufolge scheinen aber auch langanhaltende familiäre oder berufliche Belastungen eine Rolle zu spielen.
Weitere mögliche Auslöser
Diskutiert, aber wissenschaftlich nicht belegt, sind folgend Ursachen für Fibromyalgie:
- Infektionskrankheiten, beispielsweise Borreliose
- Verletzungen beziehungsweise Unfälle
- Funktionsstörungen der Schilddrüse
- Ungleichgewicht der Geschlechtshormone
- Muskelerkrankungen
- Nervenfasererkrankungen (zum Beispiel Erkrankung der sog. small fibers)
Nach heutigem Wissensstand ist man sich sicher, dass die schmerzenden Stellen bei Fibromyalgie nicht organisch verändert oder gar entzündet sind. Wenn es also im Arm schmerzt, lässt sich an dieser Stelle keine Verletzung finden. Vielmehr führt erst die veränderte Schmerzempfindung im Gehirn dazu, dass Betroffene den Schmerz genau an dieser Stelle empfinden. Die Schmerzen und Beschwerden bei Fibromyalgie sind also real – und keinesfalls "nur" eingebildet.
Fibromyalgie: Mögliche Risikofaktoren
Weiterhin stehen einige Risikofaktoren im Verdacht, die Erkrankung zu begünstigen:
- Übergewicht (Adipositas)
- Rauchen
- Bewegungsmangel
- Vitamin-D-Mangel
- Probleme des Serotonin-Rezeptors (5-HT2)
- Vorerkrankungen wie entzündlich-rheumatische Erkrankungen
Fibromyalgie: Verlauf und Lebenserwartung
Eine Fibromyalgie entwickelt sich in der Regel allmählich, oft über Jahre. Die Schmerzen und anderen Beschwerden können sehr intensiv und belastend sein. Häufig bleiben die Beschwerden ein Leben lang. In der Folge können unter Umständen Ängste entstehen: Patient*innen machen sich Sorgen, welchen Verlauf die Erkrankung nimmt und welche Auswirkungen sie vielleicht auf den Körper hat.
Sicher ist jedoch, dass im Rahmen einer Fibromyalgie selbst ohne Behandlung weder Gelenke noch andere Strukturen des Bewegungssystems Schaden nehmen. Auch die Lebenserwartung wird durch die Erkrankung nicht beeinflusst. Dennoch kann eine Fibromyalgie die Lebensqualität stark beeinträchtigen.
Zwar ist das Syndrom bislang nicht heilbar, mit einer angemessenen Behandlung gelingt es jedoch vielen Betroffenen, besser mit den Beschwerden zurechtzukommen. Bei etwa einer von vier betroffenen Personen verringern sich die Beschwerden nach einigen Jahren etwas, bei einer von zehn Personen reduzieren sie sich sogar deutlich.