Facettensyndrom
Rückenschmerzen sind für viele Menschen ein Problem. Teils nach wenigen Tagen oder Wochen wieder verschwunden, leiden manche Menschen über Monate oder sogar Jahre darunter. Am häufigsten sind Schmerzen im unteren Rücken – der altbekannte Kreuzschmerz, der typisch für das sogenannte Facettensyndrom ist. Worum es sich bei dieser Erkrankung handelt und wie sie therapiert werden kann, lesen Sie hier.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Was ist ein Facettensyndrom?
Das Facettensyndrom, auch Facettengelenksyndrom genannt, ist eine sich langsam entwickelnde Erkrankung der kleinen Gelenke der Wirbelsäule. Sie werden als Facettengelenke bezeichnet und befinden sich an knöchernen Fortsätzen, die paarweise auf der Rückseite der Wirbel nach oben und nach unten hervorstehen. Diese Gelenke verbinden jeweils zwei benachbarte Wirbel beweglich miteinander. Bei übermäßiger oder dauerhaft falscher Belastung, aber auch mit dem Alter, können sie verschleißen und Rückenschmerzen verursachen.
Da es sich um eine Form der Gelenksdegeneration handelt, bei der sich der Gelenkknorpel zurückbildet, zählt das Facettensyndrom zu den Arthrosen. Tritt der Verschleiß im Bereich der Lendenwirbelsäule (kurz: LWS) auf, sprechen Mediziner*innen von einer lumbalen Spondylarthrose oder dem lumbalen (lumbosakralen) Facettensyndrom. Obwohl diese Form die häufigste ist, kann ein Facettensyndrom beispielsweise auch im Bereich der Halswirbelsäule (kurz: HWS) auftreten.
Ob und wo sich eine solche Arthrose ausbildet, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. So spielt eine fehlerhafte Körperhaltung eine entscheidende Rolle, aber auch das Körpergewicht und das Alter. Von einem Facettensyndrom sind zumeist ältere Menschen ab einem Alter von 50 Jahren betroffen. Die Angaben zu den Häufigkeiten schwanken sehr, aber das Facettensyndrom ist vermutlich in 10 bis 41 Prozent der Fälle Hauptursache für andauernde Rückenschmerzen.
Ursachen: Wie kommt es zum Facettensyndrom?
Facettengelenke unterstützen die Beweglichkeit der Wirbelsäule. Für einen reibungslosen Kontakt ist der Abstand zwischen den Wirbeln entscheidend, der durch die jeweilige Bandscheibe zwischen zwei benachbarten Wirbeln bestimmt wird. Ist die Bandscheibe beschädigt oder verschlissen, vermindert sich häufig der Abstand. Dadurch liegen die Gelenkflächen der Facettengelenke nicht mehr richtig aufeinander und ihre Funktion ist eingeschränkt. Es kann zu Fehlbelastungen kommen, durch die sich der Knorpel, der sich zwischen den Gelenkflächen befindet und die Belastung abfedert, abnutzt. Aber auch ein Verschleiß der Gelenke selbst, ohne Beteiligung der Bandscheibe, oder starke Überbelastung können zu einer Fehlfunktion des Gelenks führen.
Als Schutzreaktion gegen die Abnutzung des Knorpels bilden die Gelenkknochen in vielen Fällen an den Rändern knöcherne Fortsätze aus, die bei Bewegung aneinander reiben. Das kann mit der Zeit Schmerzen in den entsprechenden Gelenken hervorrufen, vor allem weil Facettengelenke gut von Nerven versorgt sind. Verstärkt wird der Gelenkverschleiß häufig durch eine verminderte Stabilität der Wirbelsäule bedingt durch eine geschwächte oder verspannte Rückenmuskulatur. Auch ein starkes Hohlkreuz, Hyperlordose genannt, kann ein verstärkender Faktor sein.
Neben degenerativen Veränderungen in den Gelenken gibt es noch andere Ursachen für ein Facettensyndrom. So können entzündliche Gelenkerkrankungen, wie eine rheumatoide Arthritis oder Morbus Bechterew (eine Entzündung insbesondere der unteren Wirbelsäulengelenke mit Verbindung zum Becken), ein Facettensyndrom hervorrufen.
Auch Zysten und Ganglien in unmittelbarer Nähe eines Gelenks können die Funktionalität des Gelenks beeinflussen. Es handelt sich um flüssigkeitsgefüllte Gewebewucherungen, wobei Ganglien an nervenumhüllenden Geweben entstehen. Schmerzen, die oft mit diesen Gewebeveränderungen einhergehen, führen meist dazu, dass Betroffene ihre Körperhaltung verändern, um die Schmerzen zu lindern. Eine falsche Körperhaltung wiederum kann eine Fehlbelastung der Wirbelsäule verursachen und den Verschleiß der Gelenke auslösen oder verstärken.
Des Weiteren sind akute und chronische Infektionen sowie Traumen oder eine Verengung des Rückenmarkkanals (Spinalkanalstenose) mögliche Ursachen für ein Facettensyndrom.
Typische Symptome eines Facettensyndroms
Schmerzen im Rücken gelten als Hauptsymptom eines Facettensyndroms. Deutliche Hinweise sind Schmerzen, die beim Durchdrücken, Drehen und seitlichem Beugen des Rückens, beim Umdrehen im Bett (Umlagerungsschmerz) oder beim morgendlichen Anlaufen (Anlaufschmerz) auftreten. Auch Steifheit und Gefühle, als würde das Gelenk brechen, deuten auf ein Facettensyndrom hin. Ein weiterer Hinweis sind Schmerzen, die beim Drücken auf das Gelenk, insbesondere in Bauchlage, bestehen. Diese werden auch Facettenfederungsschmerzen genannt.
Oft sind die Rückenschmerzen örtlich nicht genau einzuordnen und können bis in die Hüfte und Beine ausstrahlen. Außerdem beeinträchtigen die Schmerzen in den meisten Fällen zunehmend die allgemeine Beweglichkeit, was Betroffene mit der Zeit in ihren täglichen Aktivitäten einschränken kann.
Diagnose eines Facettensyndroms
Um ein Facettensyndrom zu diagnostizieren, erfolgt eine erste ärztliche Untersuchung meist bei der*dem Hausärzt*in beziehungsweise in einer Orthopädiepraxis. Da es verschiedene Erkrankungen gibt, bei denen Rückenschmerzen ein typisches Symptom sind, wird zu Beginn eine umfassende Anamnese durchgeführt und die genauen Charakteristika der Schmerzen erfasst. In sogenannten Schmerzfragebögen dokumentieren Ärzt*innen wesentliche Informationen, zum Beispiel:
- Wann und wo die Schmerzen auftreten
- Wie stark und wie langanhaltend die Schmerzen sind
- Ob es weitere Begleiterscheinungen gibt
- Ob bereits eine Therapie gegen die Schmerzen erfolgt (ist)
- Ob Einschränkungen des alltäglichen Lebens bestehen und wie stark diese sind
Um die Diagnose eines Facettensyndroms abzusichern, kann bei gegebenen Voraussetzungen eine diagnostische Facettenblockade durchgeführt werden. Hierbei wird ein Schmerzmittel mit einer Injektionsnadel computertomografisch gestützt in das Gelenk injiziert. Das betäubt den Nerv im Gelenk, der die Schmerzen übermittelt und mindert die Schmerzen. Ist dies der Fall, gilt die Verdachtsdiagnose "Facettensyndrom" als bestätigt.
Für die weitere körperliche Untersuchung werden in der Regel bildgebende Diagnoseverfahren eingesetzt. Mithilfe von Röntgenaufnahmen, der Computertomografie (CT) oder der Magnetresonanztomografie (MRT) können die Wirbelsäule und die betroffenen Gelenke dargestellt werden. Auf diese Wiese lassen sich Veränderungen an den Gelenken sichtbar machen und nachweisen.
Wie wird ein Facettensyndrom behandelt?
Für die Therapie eines Facettensyndroms gibt es verschiedene Möglichkeiten. Bei der symptomatischen Therapie steht die Schmerzlinderung im Fokus der Behandlung. Sie gilt als konservative, nicht-operative Therapie. Ibuprofen und Paracetamol sind sogenannte nicht-steroidale Antiphlogistika (NSAR), die entzündungshemmend und schmerzlindernd wirken. Lassen sich die Schmerzen nicht mindern, können auch stärkere Schmerzmittel mit Wirkstoffen wie Metamizol oder schwache Opioide wie Tilidin angewendet werden.
Eine weitere Möglichkeit, die Schmerzen zu lindern, besteht in der sogenannten Facetteninfiltration. Ein Schmerzmittel wird dabei direkt in das Gelenk oder in dessen Nähe gespritzt. Häufig ist dem Medikament auch Kortison hinzugesetzt. Da die Injektion dicht am Rückenmark erfolgt, wird sie in der Regel ebenfalls CT-gestützt durchgeführt.
Eine medikamentöse Behandlung wird häufig durch ergotherapeutische und physiotherapeutische Anwendungen sowie mit manuellen Therapien kombiniert. Zu letzteren zählt beispielsweise die Faszientherapie. Durch Massagen oder sportliche Übungen wie Yoga und Pilates werden gezielt die Faszien, die Bindegewebehüllen der Muskeln, behandelt. Ziel ist die Stärkung der Muskulatur ausgehend von einem gesunden Fasziensystem.
Die verschiedenen perkutanen Behandlungsmethoden, also jene Behandlungen, die von außen durch die Haut erfolgen, dienen dazu, die Funktion des Nervenasts im Bereich des Gelenks einzuschränken (Gelenkdenervierung). Entweder wird der Nerv - speziell der Nervus ramus dorsalis - mithilfe von Kälte betäubt (Kryosonden) oder durch Hitzeeinwirkung (Thermokoagulation bzw. Radiofrequenztherapie) verödet. Aber auch die Bestrahlung mit einem Laser kann die Funktion des Nervs beeinträchtigen.
Eine operative Behandlung kommt unter Umständen infrage, wenn die Schmerzen trotz medikamentöser Therapie anhalten. Welches Verfahren dabei eingesetzt wird, entscheiden Ärzt*innen gemeinsam mit den Patient*innen. Es besteht beispielsweise die Möglichkeit, den Nerv zu entfernen oder auch das Gelenk zu versteifen.
Je nach Intensität der Schmerzen und Beeinträchtigung der Beweglichkeit sind bei einem Facettensyndrom psychische Erkrankungen als Begleiterscheinungen nicht selten. In diesen Fällen kann eine begleitende psychotherapeutische Therapie die körperliche Behandlung unterstützen.
Wie sieht die Prognose bei einem Facettensyndrom aus?
Das Facettensyndrom ist, wie auch andere Formen von Arthrose, eine fortschreitende Erkrankung. Sie ist nicht heilbar, kann aber mit entsprechender Therapie gut behandelt und verlangsamt werden. Obwohl die Angaben stark schwanken, deuten Studien darauf hin, dass die meisten Betroffenen nach sechs bis zwölf Monaten weitestgehend beschwerdefrei sind.
Die Prognose des Facettensyndroms hängt jedoch von verschiedenen Faktoren ab. Neben der Therapieform ist auch entscheidend, wann mit der Therapie begonnen wurde. Da sich die Erkrankung über mehrere Stadien entwickelt, gilt: Je früher die Therapie ansetzt, desto größer ist der Behandlungserfolg. Auch die Adhärenz, die Bereitschaft von Patienten*innen, eine Therapie planmäßig durchzuführen, spielt eine wichtige Rolle. Das Therapieergebnis kann durch das Eigenengagement der Betroffenen zusätzlich verbessert werden.
Unbehandelt führt das Facettensyndrom zu chronischen und sich verstärkenden Rückenschmerzen, die im schlimmsten Fall starke körperliche Beeinträchtigungen verursachen. Unter Umständen kann die Erkrankung auch zu Arbeitsunfähigkeit führen. Eine frühzeitige Therapie ist für den Behandlungserfolg daher besonders wichtig.
Einem Verschleiß der Wirbelsäule vorbeugen
Um einem Facettensyndrom vorzubeugen, ist es von entscheidender Bedeutung, die Risikofaktoren zu kennen und entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Durch gezielte Übungen kann beispielsweise die Körperhaltung verbessert und eine einseitige oder auch übermäßige Belastung des Rückens vermindert werden. Übergewichtigen Personen wird empfohlen, ihr Gewicht zu reduzieren, um die erhöhte Belastung der Wirbelsäule zu verringern. Ausreichende und abwechselnde körperliche Bewegung kann die Beschwerden ebenfalls bessern.
Hilfreich sind zum Beispiel regelmäßige Spaziergänge sowie Radfahren und Schwimmen. Bei geschwächter Rückenmuskulatur ist es wichtig, diese durch Aufbautrainings zu stärken.