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Essstörungen: 12 Sätze, die man Betroffenen niemals sagen sollte
Wenn eine nahestehende Person an einer Essstörung erkrankt, wissen Angehörige oft nicht, wie sie mit der Situation umgehen sollen. Ob Magersucht, Bulimie oder Binge Eating: Essstörungen sind ernstzunehmende Erkrankungen, bei denen Fingerspitzengefühl gefragt ist. Bestimmte Kommentare sind nicht nur unsinnig und verletzend, sondern können verheerende Auswirkungen auf den Verlauf der Erkrankung haben. Welche Aussagen Sie sich möglichst verkneifen sollten, erfahren Sie hier.
"Essgestört, wirklich? Das sieht man gar nicht!"
Eine Essstörung ist eine psychische Erkrankung und von außen oft nicht zu erkennen. Der Leidensdruck der Erkrankten lässt sich nicht am Gewicht ablesen, es ist nicht entscheidend für die Diagnose. Zwar sind Menschen mit Magersucht (Anorexia nervosa) oft untergewichtig. Es gibt aber zahlreiche weitere Essstörungen wie Bulimie oder die Binge-Eating-Störung, die auch mit Normal- und Übergewicht einhergehen können.
„Du bist doch gar nicht so dünn.“
Diese Äußerung kann die Betroffenen in tiefe Verzweiflung stürzen, ihr krankhaftes Abnehm-Bedürfnis noch verstärken und die Erkrankung somit verschlimmern. Obendrein haben sie nach so einer Reaktion womöglich Hemmungen, sich professionelle Hilfe zu suchen – aus Angst, wieder nicht ernstgenommen zu werden.
„Ich wünschte, ich hätte deine Willensstärke.“
Von außen mag das Essverhalten einiger Betroffener gesund und diszipliniert wirken. Erkrankte meiden etwa bestimmte Lebensmittelgruppen oder ernähren sich besonders „clean“ und kalorienarm. Der Fachbegriff für ein zwanghaft gesundes Essverhalten ist Orthorexie. Bestärkt das Umfeld die selbstauferlegten strengen Regeln, kann das für großen Druck bei den Betroffenen sorgen und die Essstörung noch verstärken.
"Es ist doch viel attraktiver, wenn ein bisschen was dran ist."
Diesen Satz bekommen vor allem Frauen zu hören. Leider scheint sich bei vielen Menschen bis heute die Ansicht zu halten, dass eine "richtige" Frau Kurven haben müsse, um "wirklich weiblich" auszusehen. Davon abgesehen, dass jeder Körper Wertschätzung verdient, entspringt eine Essstörung häufig gar nicht dem Wunsch nach Attraktivität, sondern hat tiefer liegende psychische Ursachen.
"Sei doch nicht so eitel und oberflächlich!"
Wie bei fast jeder psychischen Störung entstehen Essstörungen durch ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Einflüsse. Eitelkeit ist dabei meist zweitrangig. Im Falle einer Bulimie oder Binge-Eating-Störung dient Essen mitunter als Trost, weil es angenehme Gefühle auslöst. Bei einer Magersucht kann es um ein tröstliches Gefühl der Kontrolle gehen, das sich durch strenges Kalorienzählen oder den eisernen Verzicht auf Essen einstellt.
„Treib doch lieber mehr Sport!“
Dass eine Essstörung immer mit Hungern oder Erbrechen einhergeht, ist ein verbreiteter Irrglaube: Viele Erkrankte treiben stattdessen oder zusätzlich exzessiv Sport, um weiter abzunehmen oder das Kalorienplus vorangegangener Essanfälle auszugleichen. Sie werden dadurch also ermutigt, ihr Repertoire der Abnehm-Maßnahmen um eine weitere krankhafte Verhaltensweise zu erweitern.
„Toll, wie viel Sport du treibst.“
Auch wenn regelmäßige Bewegung den meisten Menschen zugutekommt: Im Übermaß kann Sport auch negative Auswirkungen auf Körper und Psyche haben. Leistungssport kann sogar der Auslöser der Essstörung sein. Das gilt besonders für Sportarten, für die eine schlanke Figur oder ein geringes Körpergewicht von Vorteil sind. Eine Sportsucht (wenn auch unwissentlich) zu loben, kann das schädliche Verhalten noch bestärken.
„Willst du das wirklich alles essen?“
Vor anderen zu essen, kann Betroffene einer Essstörung eine Menge Überwindung kosten. Wird die Portion auf dem Teller dann noch kommentiert, kann das verheerende Folgen haben. Auch gutgemeinte Sätze wie „Toll, dass du aufgegessen hast.“ können bei Erkrankten ein schlechtes Gewissen oder Scham auslösen. Besser ist es, das Essverhalten unkommentiert zu lassen – und zwar grundsätzlich, denn man weiß nie, wer mit einer Essstörung kämpft.
„Ich habe heute noch nichts gegessen.“
Ein Satz, der oft unbedarft fällt, in Betroffenen aber ein Gefühl des Versagens auslösen kann. Grundsätzlich sollten Themen wie Diäten und Gewicht möglichst vermieden werden. Auch Aussagen wie „Ich habe viel zu viel gegessen.“ können Betroffene triggern: Das Bewerten von Lebensmitteln löst etwa Schuldgefühle aus und bekräftig Erkrankte in ihrer Restriktion zusätzlich.
„Dann findest du mich bestimmt auch zu dick, oder?“
Essstörungen sind oft mit einer gestörten Körperwahrnehmung (Dysmorphophobie) verbunden. Erkrankte nehmen ihren eigenen Körper also verzerrt war. Die Figur anderer Menschen bewerten Betroffene dagegen realistischer.
„Du siehst schon wieder viel gesünder aus.“
Auch, wenn der*die Betroffene nach einiger Zeit wieder ein Normalgewicht erreicht hat, ist die Essstörung nicht zwangsläufig verschwunden. Das Wort „gesund“ wird von Erkrankten zudem nicht unbedingt als positiv eingeordnet. Im Gegenteil: Betroffene fühlen sich oft nicht krank genug, um sich Hilfe zu suchen. Vom Äußeren auf eine Genesung zu schließen, kann also fatale Folgen haben.
„Was, du als Mann hast eine Essstörung?“
Essstörungen gelten als typische „Frauenkrankheit“. Zu Unrecht: Auch Männer erkranken an Magersucht, Bulimie und Co. Oft erfolgt die Diagnose jedoch erst spät oder gar nicht. Viele Männer fühlen sich einem großen gesellschaftlichen Druck ausgesetzt: Stark sein und eine psychische Erkrankung haben, das passt nicht zusammen. Zeit, das Stigma zu beenden.
Wenn eine nahestehende Person an einer Essstörung erkrankt, wissen Angehörige oft nicht, wie sie mit der Situation umgehen sollen. Ob Magersucht, Bulimie oder Binge Eating: Essstörungen sind ernstzunehmende Erkrankungen, bei denen Fingerspitzengefühl gefragt ist. Bestimmte Kommentare sind nicht nur unsinnig und verletzend, sondern können verheerende Auswirkungen auf den Verlauf der Erkrankung haben. Welche Aussagen Sie sich möglichst verkneifen sollten, erfahren Sie hier.
- Online-Informationen der Deutschen Gesellschaft für Essstörungen e.V. (DGESS): 2. überarbeitete Auflage der S3-Leitlinien „Diagnostik und Therapie der Essstörungen“: https://www.dgess.de/wissen/leitlinien (Stand: 2018; Abruf: 07/2022)
- Online-Informationen des Bundes Fachverband Essstörungen (BFE): https://www.dgess.de/wissen/leitlinien (Abruf: 07/2022)
- Online-Informationen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA): Essstörungen bei Jungen und Männern: https://www.bzga-essstoerungen.de/habe-ich-eine-essstoerung/essstoerungen-bei-jungen-und-maennern/?L=0 (Abruf: 07/2022)
- Online-Informationen von Deximed: Anorexie (Magersucht), Ursachen: https://deximed.de/home/klinische-themen/kinder-und-jugendpsychiatrie/patienteninformationen/anorexie/anorexie-magersucht-ursachen (Stand: 05/2019; Abruf: 07/2022)
- Online-Informationen des Bundesministeriums für Gesundheit: Essstörungen: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/e/essstoerungen.html (Stand:02/2022; Abruf: 07/2022)
- Möller, H., et al.: Duale Reihe. Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2015
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