Eine nachdenklich aussehende junge Frau sitzt auf dem Fußboden an der offenen Terassentür.
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Dysthymie: Symptome und Behandlung der chronischen Depression

Von: Dr. med. univ. Lisa Raberger (Medizinautorin und Ärztin)
Letzte Aktualisierung: 31.05.2024

Eine Dysthymie ist eine anhaltende und oft unterschätzte Form der Depression, die bei Betroffenen trotz schwächerer Symptome einen hohen Leidensdruck verursacht. Erfahren Sie, wie die Erkrankung diagnostiziert und behandelt wird, welche Rolle Psychotherapie und Medikamente spielen und wie Betroffene lernen, mit der depressiven Störung umzugehen.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

FAQ: Häufige Fragen zu Dysthymie

Eine Dysthymie äußert sich als eine über mindestens zwei Jahre anhaltende Depression mit vergleichsweise milder Symptomatik. Betroffene können sich antriebslos und traurig fühlen, Schlaf- und Appetitstörungen haben und sich sozial isolieren. Der Alltag ist für Personen mit Dysthymie aber in der Regel zu bewältigen.

Ja, eine Dysthymie kann heilen. Je früher eine Behandlung erfolgt, desto vielversprechender sind die Heilungschancen. Auch der Schweregrad spielt eine Rolle.

Grundsätzlich ist die Dysthymie eine ernstzunehmende Erkrankung, die sich aber gut behandeln lässt. Da die Beschwerden jedoch milder sind als bei der sogenannten Major Depression, erhalten Betroffene oft erst spät Hilfe. Dadurch kann die Lebensqualität über lange Zeit eingeschränkt sein.

Was ist Dysthymie?

Dysthymie ist eine milde, aber chronische, also langanhaltende Form der Depression. Fachleute sprechen in diesem Zusammenhang auch von einer persistierenden depressiven Störung (PDD). Schätzungsweise leben etwa 1,2 Millionen Menschen in Deutschland mit chronischer Depression.

Laut DSM-5, dem weltweit anerkannten Klassifikationssystem für psychische Störungen, liegt eine Dysthymie vor,

  • wenn über zwei Jahre oder länger Symptome einer Depression auftreten und
  • diese nahezu permanent vorhanden sind.

Die mit einer Dysthymie einhergehenden Beschwerden können sich sowohl psychisch als auch körperlich auswirken. Obwohl erkrankte Personen ihren Alltag grundsätzlich gut bewältigen können, ist ihre Lebensqualität dennoch dauerhaft reduziert. 

Eine Dysthymie lässt sich nicht mit schlechter Laune vergleichen, die vermutlich jede Person hin und wieder betrifft: Anders als bei gesunden Menschen vergeht die gedrückte Stimmung nicht nach einer gewissen Zeit wieder. Es handelt sich um eine Erkrankung. Jedoch sind sich viele Patient*innen mit Dysthymie nicht bewusst, dass ihre anhaltenden depressiven Symptome auf eine Erkrankung zurückzuführen sind und eine Therapie ihnen wieder zu neuer Lebensqualität verhelfen könnte.

Dysthymie und Depression: Was ist der Unterschied?

Die Dysthymie ist eine Form der Depression, jedoch sind ihre Symptome milder, aber langanhaltend. Deshalb reichen die Beschwerden nicht aus, um die Kriterien einer leichten, mittleren oder starken Depression zu erfüllen. Während eine Depression in Episoden auftritt, hält eine Dysthymie nicht nur über Wochen oder Monate, sondern über Jahre an. Die Dysthymie kann auch in Kombination mit depressiven Episoden auftreten, was als Double Depression bezeichnet wird.

Symptome von Dysthymie

Folgende Symptome können bei einer Dysthymie beobachtet werden:

  • Niedergeschlagenheit
  • Antriebslosigkeit
  • Energielosigkeit, Erschöpfung und andauernde Müdigkeit 
  • Konzentrationsstörungen
  • Schlafstörungen (z. B. Schwierigkeiten beim Ein- und Durchschlafen), mitunter aber auch übermäßiges Schlafen (Hypersomnie)
  • andauernde ängstliche Stimmung
  • Gefühl der Hoffnungslosigkeit und inneren Leere
  • Gefühle werden schwächer wahrgenommen bis zur Gefühllosigkeit (Anhedonie)
  • Interessensverlust, Hobbies wird nicht mehr nachgegangen
  • sozialer Rückzug und Isolation
  • geringer oder übermäßiger Appetit und als Folge Gewichtsverlust oder Gewichtszunahme
  • Gefühl der Unzulänglichkeit und wenig Selbstwertgefühl

Mit unter können auch unspezifische körperliche Beschwerden auftreten:

In der Regel gibt es Phasen von Tagen oder Wochen, in denen es den Betroffenen gut geht. Die meiste Zeit über erleben sie jedoch Beschwerden in unterschiedlichem Ausmaß.

Welche Ursachen hat Dysthymie?

Bisher ist keine eindeutige Ursache bekannt, die eine Dysthymie verursacht. Fachleute gehen davon aus, dass Botenstoffe wie Serotonin bei den Patient*innen aus der Balance geraten sind. Unterschiedlichste Faktoren können zu diesem Ungleichgewicht beitragen:

Tritt die Dysthymie in Familien gehäuft auf, scheint das Risiko zu steigen, auch an der depressiven Störung zu erkranken. Wissenschaftlich gesichert ist diese Annahme bislang jedoch nicht. Chronischer Stress oder traumatische Ereignisse sowie eine depressive Episode werden ebenso als Auslöser diskutiert.

Eine Dysthymie tritt oft zusammen mit anderen Krankheiten oder Belastungen auf, zum Beispiel:

  • Angststörungen oder Panikstörungen
  • Phobie vor sozialer Interaktion (Sozialphobie)
  • Persönlichkeitsstörungen
  • ADHS
  • Burnout-Syndrom
  • Suchterkrankungen wie Alkoholismus, Medikamenten- oder Drogenmissbrauch

In höherem Alter können körperliche oder geistige Einschränkungen oder Erkrankungen zur chronischen Depression führen.

Dysthymie: Wie erfolgt die Diagnose?

Erste Anlaufstelle kann die hausärztliche Praxis sein. Von hier erfolgt möglicherweise eine Überweisung an eine Facharztpraxis für Psychiatrie oder Psychotherapie. Ein ausführliches Gespräch liefert die Grundlage für die Diagnose.

Zusätzlich können weitere Untersuchungen notwendig sein, um körperliche Ursachen auszuschließen, die ebenfalls Symptome einer Dysthymie hervorrufen können. Dazu zählen zum Beispiel hormonelle Schwankungen, chronische Krankheiten wie Diabetes mellitus sowie neurologische Erkrankungen und Autoimmunerkrankungen. Auch ein Nährstoffmangel und die Einnahme bestimmter Medikamente können zu entsprechenden Symptomen führen.

Folgende Untersuchungen können relevant sein:

  • Blutuntersuchung: Hier kann der Fokus unter anderem auf Blutzuckerwerten, Schilddrüsenhormonen, Elektrolyten, Vitamin B12 und Folsäure, Cortisol und Entzündungswerten liegen
  • CT oder MRT des Gehirns
  • Elektroenzephalogramm (EEG)
  • Lumbalpunktion (Liquorpunktion)

Tipps für den ersten Termin

Der erste Termin in einer psychiatrischen oder psychotherapeutischen Praxis kann mit Nervosität und Ängsten verbunden sein. Daher kann es helfen, sich ein wenig vorzubereiten, zum Beispiel wiefolgt:

  • im Vorfeld sämtliche Fragen notieren
  • Ziele und Hoffnungen einer möglichen Behandlung formulieren
  • bei Bedarf eine Vertrauensperson mitbringen, um sich sicherer zu fühlen
  • sich über sämtliche Behandlungsmöglichkeiten aufklären lassen

Dysthymie: Behandlungsmöglichkeiten

Es gibt verschiedene Behandlungsmöglichkeiten der Dysthymie, die sich von denen der Major Depression jedoch unterscheiden. Da es sich bei der Dysthymie um eine chronische Erkrankung handelt, ist auch die Behandlung oft über einen längeren Zeitraum notwendig.

(Psycho-)therapeutische Behandlungsmöglichkeiten

Das sogenannte Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP) ist die einzige Form der Psychotherapie, die speziell zur Behandlung chronischer Depressionen entwickelt wurde. Die Verhaltenstherapie hat zum Ziel, Denkmuster und Verhaltensweisen, die die Depression fördern, zu verändern. CBASP hat sich als eine der erfolgreichsten Methoden herausgestellt, um chronische Depressionen zu behandeln.

Verschiedene weitere unterstützende Maßnahmen können sein:

  • Sporttherapie
  • Gruppentherapie
  • Kreativ-, Kunst- und Musiktherapie
  • Kurse für Entspannungs- und Achtsamkeitstrainings

Medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten

Bei Bedarf und je nach individuellen Voraussetzungen verordnen Ärzt*innen Antidepressiva. Es stehen zahlreiche verschiedene Substanzklassen an Antidepressiva in Deutschland zur Verfügung, die fast alle zum Ziel haben, den Botenstoff Serotonin oder Nordadrenalin zu erhöhen.

Die Wirkung tritt jedoch oft nicht sofort auf. Es kann einige Wochen dauern, bis sich ein antidepressiver Effekt entfaltet. Zudem sprechen Betroffene einer Dysthymie nicht immer auf Antidepressiva wie selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer an.

Sind Schlafstörungen Teil der chronischen Depression, können zusätzlich Neuroleptika zum Einsatz kommen.

Weitere Möglichkeiten

Depressive Erkrankungen können Gefühle der Hoffnungs-, Wert- und Energielosigkeit mit sich bringen. Diese Gefühle sind jedoch durch die Erkrankung verursacht und entsprechen nicht der Realität. Die negative Gedankenspirale, in der sich Betroffene oft befinden, lässt sich in vielen Fällen mithilfe einer Psychotherapie auflösen. Zusätzlich können Erkrankte versuchen, folgende Maßnahmen im Alltag anzuwenden:

  • große Aufgaben in kleine Abschnitte unterteilen
  • realistische Ziele setzen: Ist die To-Do-Liste unrealistisch hoch, kann dies Überforderung und Prokrastination führen, was die Symptome der Dysthymie wiederum verstärkt. Daher gilt: Lieber kleinere Ziele setzen und sich über erledigte Aufgaben freuen.
  • Alkohol und Drogen meiden, sie können die Stimmung verschlechtern
  • wichtige Entscheidungen nicht dann treffen, wenn sich die Dysthymie besonders stark zeigt

Für Angehörige: Betroffene profitieren selten von Ratschlägen und Verbesserungsvorschlägen für den Alltag. Gesellschaft zu leisten, ein offenes Ohr zu haben und bei der Therapiefindung zu unterstützen, ist oft hilfreicher.

Wie verläuft eine Dysthymie?

Eine Dysthymie beginnt meist langsam und vermeintlich willkürlich: Sie folgt nicht etwa auf einen bestimmten Auslöser wie ein besonders schlimmes Ereignis. Eine depressive Verstimmung kann zu Beginn kurzfristig auftreten. Ist die betroffene Person weiterhin Stress ausgesetzt und kann diesen nicht ausreichend bewältigen, kann es zu einer chronischen Depression, der Dysthymie, kommen.

Zwar lässt sich die Depressionsform gut behandeln, viele Betroffene bleiben jedoch jahrelang ohne Diagnose und leiden entsprechend lange an ihrer Erkrankung.

Lässt sich einer Dysthymie vorbeugen?

Einer Dysthymie lässt sich grundsätzlich nur schwer vorbeugen, da vermutlich verschiedene Faktoren eine Rolle spielen, auf die Betroffene keinen Einfluss haben.

Dennoch gibt es Tipps, um die psychische Gesundheit zu fördern und belastende Herausforderungen besser zu meistern, zum Beispiel:

  • regelmäßige körperliche Bewegung
  • Alkohol, Nikotin und Drogen meiden
  • ausreichend Schlaf
  • Entspannung in den Alltag einbauen, zum Beispiel durch Yoga oder Meditation
  • sich nahestehenden Menschen anvertrauen und/oder Tagebuch führen, um negative Gedanken besser zu verarbeiten

Hilfe bei Dysthymie

Die erste Anlaufstelle ist grundsätzlich die hausärztliche Praxis, die an Fachärzt*innen der Psychiatrie überweisen kann.

In Notfällen sollte der Notruf 112 verständigt werden.

Eine ausführliche Auswahl an Anlaufstellen für depressive Erkrankungen sind auf der Webseite der Deutschen Depressionshilfe zu finden.