Botulismus
Lebensmittelvergiftungen durch das Botulinumtoxin kommen weltweit vor. In Deutschland sind solche Fälle jedoch sehr selten.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Botulismus
Was ist Botulismus?
Unter Botulismus versteht man eine lebensbedrohliche Lebensmittelvergiftung durch das Bakteriengift Botulinumtoxin. Quelle für solch eine Vergiftung sind in der Regel schlecht konservierte Lebensmittel, vor allem aus Konservendosen oder Weckgläsern.
Der Begriff Botulismus leitet sich vom lateinischen Wort botulus ab, das "Wurst" bedeutet. Verunreinigte beziehungsweise schlecht konservierte Fleisch- und Wurstkonserven sind ein besonders häufiger Verursacher von Botulismus.
Botulismus: Ursachen
Ursache für Botulismus ist eine Vergiftung mitBotulinumtoxin. Das Nervengift wird von der Bakterienart Clostridium botulinumgebildet. Zu einer Infektion im eigentlichen Sinne kommt es beim Botulismus dabei jedoch nicht. Denn die Symptome werden nicht durch die Bakterien, sondern allein durch die Aufnahme des Bakteriengifts ausgelöst. Es handelt sich also um eine reine Vergiftung.
Das Botulinumtoxin blockiert die Signalübertragung von Nerven zu Muskeln. Dadurch kommt es zu Lähmungserscheinungen. Botulismus wird in der Regel durch das Botulinumtoxin Typ A, B, E oder F verursacht.
Übertragungsweg
Das Nervengift Botulinumtoxin wird mit der Nahrung aufgenommen. Besonders häufig steckt das Gift in eiweißreichen Lebensmittelkonserven. Meist sind das Konserven mit Speisen, die beispielsweise Fleisch, Fisch oder Hülsenfrüchte enthalten. Diese können mit Clostridium botulinum verunreinigt sein. Unter Luftabschluss können sich die Bakterien vermehren und Giftstoffe bilden.
Bei industriell hergestellten Konserven ist die Gefahr allerdings verhältnismäßig klein. Ein höheres Risiko besteht dagegen bei selbst gemachten Konserven sowie selbst haltbar gemachte Produkte aus Fleisch (wie Wurst, Schinken) oder Fisch (z.B. Räucherfisch). Bei den meisten Botulismus-Fällen sind selbst gemachte Konserven die Ursache. Ein Botulismus-Risiko bergen dabei vor allem Konserven, die durch Gasentwicklungaufgebläht sind, beziehungsweise Gläser, deren Deckel nicht fest auf der Gummidichtung haften.
Teilweise sind die mit Botulinumtoxin verunreinigten Lebensmittel auch geschmacklich und geruchlich verändert. Eventuell bemerkt man den Geschmack und Geruch von Buttersäure, da die Clostridien eiweißspaltende Enzyme freisetzen. Den Geruch von Buttersäure empfinden die meisten Menschen als unangenehm, er ähnelt am ehesten dem Geruch von Erbrochenem.
Inkubationszeit
Bei Botulismus beträgt die Zeit zwischen der Aufnahme des Gifts und den ersten Krankheitszeichen im Durchschnitt 12 bis 36 Stunden.
Häufigkeit von Botulismus
Lebensmittelvergiftungen durch Botulinumtoxin kommen weltweit vor. Normalerweise gibt es nur Einzelfälle oder kleinere Ausbrüche, bei denen etwa drei bis fünf Personen betroffen sind. Zu Fällen von mehr als einer Person kommt es in der Regel nur, wenn mehrere Personen das gleiche verunreinigte Lebensmittel verzehrt haben.
In den westlichen Industrienationen sind Lebensmittelvergiftungen mit Botulinumtoxin mittlerweile sehr selten geworden. Im Jahr 2016 traten in Deutschlandsieben Fälle auf. Ausgelöst wurden diese vermutlich durch Forellenfilets, selbstgemachte Wurstkonserven sowie selbstgemachte Plötze zum Rohverzehr.
Botulinumtoxin: Gift und Heilmittel
Botulinumtoxin gilt als das stärkste natürliche von Bakterien gebildete Gift. Mit der Nahrung aufgenommen sind ohne Behandlung bereits kleinste Mengen für den Menschen tödlich. Korrekt dosiert und gezielt eingesetzt findet das Gift jedoch auch Verwendung in der Medizin. So können Injektionen mit Botulinumtoxin etwa
- bei Erkrankungen helfen, die mit Muskelverkrampfungen einhergehen oder
- als kosmetischer Eingriff dazu beitragen, Falten zu lindern.
Botulismus: Symptome
Typischerweise treten bei Botulismus anfangs Magen-Darm-Beschwerden auf. Es zeigen sich also Symptome wie
Im Anschluss kommt es zu Lähmungserscheinungen. Zuerst sind meist die Augenmuskeln betroffen. Das macht sich zum Beispiel durch folgende Symptome bemerkbar:
- Augenflimmern
- verschwommenes Sehen
- Lichtscheu
- Doppelbilder
- Augen lassen sich kaum offen halten
Einige Stunden bis Tage später treten schließlich Lähmungserscheinungen der Lippen-, Zungen-, Gaumen- und Kehlkopfmuskulatur auf. Diese entstehen, weil bestimmte Hirnnerven beeinträchtigt sind. Als Folge kommt es zu Sprachstörungen und vor allem zu schweren Schluckstörungen. Eine ausgeprägte Mundtrockenheit kann die Schluckstörungen zusätzlich verstärken.
Die Lähmungen breiten sich vom Kopf absteigend auf den restlichen Körper aus. Greift die Lähmung auf die Darmmuskulatur über, kommt es zu Verstopfung. Besonders gefährlich ist eine Lähmung der Atemmuskulatur, die unbehandelt zum Atemstillstand führt.
Botulismus: Diagnose
Bei Botulismus hat der Arzt meist bereits aufgrund der typischen neurologischenBeschwerden einen ersten Verdacht. Insbesondere wenn der Patient berichtet, dass die Symptome nach dem Verzehr von Dosenessen, selbst Eingemachtem oder Geräuchertem auftraten. Unter Umständen sind zudem gleich mehrere Personen von Botulismus betroffen.
Der Verdacht auf Botulismus, die Erkrankung und der Tod durch Botulismus sind laut Infektionsschutzgesetz meldepflichtig.
Botulismus: Therapie
Bereits der Verdacht auf Botulismus erfordert umgehend eine intensivmedizinische Therapie im Krankenhaus. Der behandelnde Arzt wird bei einem Verdacht auf Botulismus nicht abwarten, bis das Untersuchungsergebnis vorliegt. Dadurch würde nur wertvolle Zeit verlorengehen. Liegen ausreichend Hinweise auf Botulismus vor, leitet der Arzt in der Regel sofort eine Behandlung ein.
Giftbeseitigung
Ursache für Botulismus ist der Verzehr von Speisen, die mit Botulinumtoxin verunreinigt sind. Die erste Maßnahme besteht daher oft darin, die Speisereste und so das Gift aus Magen und Darm zu entfernen, zum Beispiel über
- eine Magenspülung,
- Einläufe oder
- Abführmittel.
Das soll verhindern, dass noch mehr Gift aus dem Magen-Darm-Trakt ins Blut übergeht.
Gegengift (Antitoxin)
Die eigentliche Behandlung besteht bei Botulismus jedoch in der Gabe eines Gegengifts (Antitoxin). Hierfür verwendet man ein Antitoxin, das gegen die Botulinumtoxin-Typen A, B und E wirksam ist.
Das Antitoxin stammt vom Pferd und kann theoretisch eine allergische Reaktion auslösen. Deshalb prüft der Arzt zunächst, ob der Betroffene das Antitoxin verträgt. Dazu bringt er eine kleine Menge davon unter die Haut ein (Intrakutantest). Kommt es zu keiner allergischen Reaktion, verabreicht er das Antitoxin direkt über die Vene.
Das Antitoxin kann nur im Blut befindliches Botulinumtoxin unschädlich machen, nicht aber Gift, das schon an Gewebestrukturen gebunden ist. Deshalb muss das Antitoxin bei Verdacht auf Botulismus so rasch wie möglich und innerhalb der ersten 24 Stunden verabreicht werden. Sind bereits mehr als 24 Stunden seit der Aufnahme des Gifts vergangen, wirkt das Antitoxin nicht mehr. Deshalb gibt der Arzt das Gegengift in der Regel bereits, ehe die Untersuchungen zur Diagnose abgeschlossen sind.
Weitere Maßnahmen
Die zunehmenden Lähmungserscheinungen lassen sich durch muskelerschlaffende Mittel (sog. Muskelrelaxanzien) lindern. Je nachdem, wie sich der Botulismus beim Betroffenen auswirkt beziehungsweise wie weit die Lähmungserscheinungen fortgeschritten sind, leitet der Arzt weitere Behandlungsmaßnahmen ein.
Bei Schluckstörungen etwa kann eine künstliche Ernährung notwendig sein. Betroffene mit einer Lähmung der Atemmuskulatur müssen dagegen beatmet werden. Beeinträchtigt der Botulismus die Funktion des Herzmuskels, kann vorübergehend ein Herzschrittmacher erforderlich sein.
Botulismus: Verlauf
Prognose
Botulismus ist eine schwerwiegende Erkrankung, die im Verlauf lebensbedrohliche Symptome wie eine Lähmung der Atemmuskulatur oder einen Herzstillstand hervorrufen kann. Treten solche Komplikationen auf, kann die Erkrankung tödlich enden. Deshalb ist eine rechtzeitige Therapie lebenswichtig.
Wird die Vergiftung frühzeitig behandelt, überleben mehr als 90 Prozent der Betroffenen. Unbehandelt nimmt Botulismus in bis zu 70 Prozent der Fälle einen tödlichen Verlauf.
Die Auswirkungen des Botulismus können noch relativ lange spürbar sein. Die Wirkung des Botulinumtoxins lässt unter Umständen erst nach einigen (teils bis zu zwölf Wochen) nach. Die Betroffenen erholen sich oft nur langsam von der Lebensmittelvergiftung, manchmal erst nach Jahren.
Häufig bleibt noch lange eine körperliche Schwäche zurück. Auch das Atmen kann noch eine längere Zeit beeinträchtigt sein. Die durch den Botulismus verursachten Lähmungserscheinungen bilden sich in der Regel erst nach Monaten zurück, da sich die Signalverbindungen zwischen Nerven- und Muskelzellen nur allmählich erholen. Bleibende Schäden müssen jedoch normalerweise nicht befürchtet werden.
Botulismus: Vorbeugen
Botulismus können Sie vorbeugen, indem Sie keine Lebensmittel aus aufgeblähten/ausgebeulten Konserven verzehren.
Gleiches gilt für den Inhalt von Gläsern, deren Deckel nicht dicht schließen beziehungsweise bei denen kein Vakuum mehr vorhanden ist. Ein fehlendes Vakuum erkennt man daran, dass beim ersten Öffnen des Deckels kein knackendes Geräusch zu hören ist. Hier ist vor allem bei selbst eingemachten/eingeweckten Speisen Vorsicht geboten.
Wer Botulismus vorbeugen will, sollte Lebensmittel außerdem ausreichend erhitzen: Das Botulinumtoxin wird durch 15-minütiges Kochen zerstört.