Barrett-Syndrom: Wenn Sodbrennen die Speiseröhre schädigt
Magensäure kann die Speiseröhre angreifen – so sehr, dass sich auf Dauer die Schleimhaut des Organs verändert. Dieses sogenannte Barrett-Syndrom erhöht das Risiko für Speiseröhrenkrebs.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Barrett-Syndrom: Wenn Sodbrennen die Speiseröhre schädigt
Viele kennen es nur zu gut: das brennende Gefühl hinter dem Brustbein, das sich zum Beispiel nach einer üppigen Mahlzeit bemerkbar macht. Sodbrennen entsteht, wenn der ätzende Magensaft nach oben steigt und bis in die Speiseröhre gelangt (sog. Reflux). Dies passiert vor allem, wenn der Schließmuskel zwischen Speiseröhre und Magen nicht richtig funktioniert.
Wenn immer wieder Magensaft in die Speiseröhre gelangt, sprechen Ärzte von einer gastroösophagealen Refluxkrankheit. Bleibt diese unbehandelt, kann ein Barrett-Syndrom die Folge sein.
Barrett-Syndrom: Was ist das?
Von einem Barrett-Syndrom (auch: Barrett-Ösophagus) spricht man, wenn Magensäure die Schleimhautzellen in der Speiseröhre so sehr schädigt, dass sie sich in Drüsenzellen umwandeln. Benannt wurde das Syndrom nach dem englischen Chirurgen Norman Barrett, der das Krankheitsbild 1957 beschrieb.
Die Speiseröhre ist von innen mit einer schützenden Schleimhaut ausgekleidet. Dieses besteht aus einer flachen, stabilen Gewebeoberfläche (sog. Plattenephithel). Gerät immer wieder aggressive Magensäure in den unteren Bereich der Speiseröhre, wird das Plattenephithel geschädigt. Es wird nach und nach zerstört und durch Drüsengewebe (sog. Zylinderephithel) ersetzt, das dem der Magenschleimhaut ähnelt.
Das neu entstandene Gewebe kann im weiteren Verlauf entarten. Es bilden sich zunächst Krebsvorstufen (sog. Dysplasien), die schließlich zu Speiseröhrenkrebs führen können.
Ärzte unterscheiden zwei Formen des Barrett-Syndroms:
- Beim Short-Segment-Barrett-Syndrom ist nur ein kurzer Abschnitt der Speiseröhre verändert (< 3 cm).
- Beim Long-Segment-Barrett-Syndrom ist eine größere Fläche betroffen (> 3 cm).
Tückisch: Wenn Magensäure in die Speiseröhre fließt, muss das nicht zwangsläufig mit Beschwerden einhergehen. "Viele Patienten mit Barrett-Veränderungen haben gar kein Sodbrennen", berichtet Gastroenterologin Dr. Elisabeth Schönenberg-Hackenberg. Da auch das Barrett-Syndrom selbst keine typischen Beschwerden bereitet, bleibt es daher häufig unentdeckt. Oft ist es ein Zufallsbefund im Rahmen einer Magenspiegelung.
Wird jeder Reflux zum Barrett-Syndrom?
Langjährige Refluxbeschwerden führen nicht automatisch zu einem Barrett-Syndrom. Vielmehr spielen bei der Entstehung weitere Faktoren eine Rolle. Wissenschaftler vermuten, dass dazu Rauchen, hoher Alkoholkonsum und eine gewisse erbliche Veranlagung zählen. Männer entwickeln doppelt so häufig ein Barrett-Syndrom wie Frauen.
Schätzungen zufolge bekommen 10 bis 20 von 100 Personen mit Refluxkrankheit im Laufe der Zeit ein Barrett-Syndrom.
Da die Zahl der Refluxerkrankungen steigt, kommt auch das Barrett-Syndrom häufiger vor. "Das Barrett-Syndrom hat sicher zugenommen", sagt Dr. Schönenberg-Hackenberg. "Immer mehr Menschen haben Übergewicht. Übergewicht kann Refluxbeschwerden hervorrufen – und dies wiederum lässt die Zahl der Barrett-Veränderungen ansteigen."
Wie hoch ist das Krebsrisiko durch ein Barrett-Syndrom?
Die gute Nachricht: Das Risiko, aufgrund eines Barrett-Syndroms Speiseröhrenkrebs zu bekommen, ist zwar leicht erhöht – es ist jedoch geringer als die Wahrscheinlichkeit, an einer anderen Krebsart zu erkranken.
Zum einen ist Speiseröhrenkrebs eine eher seltene Krebsart. Im Jahr 2014 erkrankten in Deutschland 6.924 Personen daran. Zum Vergleich: Die Diagnose Darmkrebs erhalten jährlich mehr als 60.000 Menschen.
Zum anderen erhöht das Barrett-Syndrom nur das Risiko für eine bestimmte Art von Speiseröhrenkrebs, nämlich für das sogenannte Adenokarzinom. Es entwickelt sich aus Drüsenzellen der Schleimhaut im Bereich zwischen Speiseröhre und Magen. Mindestens drei von zehn Personen mit Speiseröhrenkrebs haben ein Adenokarzinom, die Tendenz ist steigend.
Aber wie hoch ist tatsächlich das Risiko, dass sich ein Barrett-Syndrom zum Speiseröhrenkrebs entwickelt? Wissenschaftler schätzen, dass pro Jahr etwa 3 von 1.000 Menschen mit Barrett-Syndrom Speiseröhrenkrebs entwickeln. Andere Quellen gehen von deutlich niedrigeren Werten aus. Fest steht, dass das Risiko offenbar niedriger ist, als noch vor Jahren angenommen wurde. "Die Weiterentwicklung vom Barrett-Ösophagus zum Karzinom wurde wissenschaftlich in den letzten Jahren eher überschätzt", sagt Dr. Schönenberg-Hackenberg. Unabhängig von der Wahrscheinlichkeit sollte man ein Barrett-Syndrom jedoch nie auf die leichte Schulter nehmen.
Bei der Frage nach der Wahrscheinlichkeit für Speiseröhrenkrebs spielt auch eine Rolle,
- ob die veränderten Zellen entartet sind und wenn ja, wie stark und
- wie lang der veränderte Bereich ist.
Bei anhaltendem Reflux frühzeitig zum Arzt
Wer längere Zeit mit Refluxbeschwerden wie Sodbrennen, Aufstoßen und Völlegefühl zu kämpfen hat, sollte in jedem Fall den Arzt aufsuchen. Dieser kann auch kleinere Gewebeveränderungen im Bereich der Speiseröhre im Rahmen einer Spiegelung frühzeitig erkennen. Dabei entnimmt er Gewebeproben und lässt diese im Labor untersuchen. Gegebenenfalls ist es nötig, solche Kontrollen regelmäßig durchführen zu lassen.
Wird ein Reflux frühzeitig behandelt, lässt sich der Entstehung eines Barrett-Syndroms vorbeugen. Häufig kann man den Rückfluss der Magensäure schon durch entsprechende Säureblocker zurückdrängen.
Wichtig zu wissen: Die Schwere und Häufigkeit von Refluxbeschwerden sagt nichts darüber aus, ob eine Person ein Barrett-Syndrom hat. Starke Refluxbeschwerden bedeuten nicht automatisch, dass man bereits ein Barrett-Syndrom hat. Umgekehrt können auch Personen ein Barrett-Ösophagus haben, die nur leichte Symptome verspüren.
Video: Refluxkrankheit
Barrett-Syndrom behandeln
Von allein bildet sich ein Barrett-Syndrom nicht mehr zurück – auch dann nicht, wenn Magensaft nicht mehr in die Speiseröhre gelangt. "Nur nach Anwendung einer Radiofrequenzablation bildet sich wieder ‚normale’ Schleimhaut der Speiseröhre. In diesem Fall sind aber engmaschige Kontrollen notwendig", so Dr. Schönenberg-Hackenberg. Bei der Radiofrequenzablation trägt der Arzt die veränderte Schleimhautschicht mithilfe von hochfrequenten Radiowellen ab. Tiefere Gewebeschichten werden dabei nicht geschädigt. Anschließend können dort wieder gesunde Zellen wachsen.
Wie jedes Verfahren kann auch eine Radiofrequenzablation zu Komplikationen führen. Dazu zählen zum Beispiel Verengungen in der Speiseröhre. Ob und wann eine Radiofrequenzablation sinnvoll ist, wird der Arzt daher im Vorfeld sorgsam abwägen.