Ist Fingerknacken schädlich?
Gehören Sie auch zu den Fingerknackern? Dann fragen Sie sich wahrscheinlich, ob diese Angewohnheit Ihren Gelenken auf Dauer schadet oder sie gar zu Arthrose führen kann. Und was knackt da überhaupt? Ein Orthopäde gibt Antworten.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Der Knackpunkt
"Knack" – auf der Liste der Ticks steht das Fingerknacken bei vielen Menschen ganz oben. Während es manchen kalt den Rücken hinunterläuft, wenn sie das Geräusch nur hören, können oder möchten andere auf das Gefühl der Erleichterung nach dem Knack nicht verzichten.
Warum knacken Finger?
Herausspringende Gelenke sind es nicht, die das Fingerknacken verursachen. Tatsächlich ist es viel undramatischer: Unsere Fingerknochen sind durch Gelenke miteinander verbunden. Zwischen den Gelenkknorpeln liegt ein mit Gelenkflüssigkeit gefüllter Spalt. Zieht man zum Beispiel an einem Finger, werden die Gelenkflächen auseinandergezogen, der Spalt vergrößert sich, es entstehen ein Unterdruck und dadurch aus den in der Gelenkflüssigkeit gelösten Gasen Luftbläschen – wie beim Öffnen einer Sprudelflasche.
"Die Blase bildet sich, weil die Gelenkflüssigkeit den entstehenden Hohlraum nicht ausfüllen kann", erklärt Dr. Thomas Brockamp, Präventionsexperte bei der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie und Handchirurg am Orthopaedicum in Coesfeld.
Lange ging man davon aus, dass das Knackgeräusch ertönt, wenn diese Hohlraumbläschen wieder platzen. Wissenschaftler der University of Edmonton in Alberta beschäftigten sich mit dem Phänomen und präsentierten die Ergebnisse ihrer Studie 2015.
Mithilfe eines Magnetresonanztomographen (MRT) ermittelten die Wissenschaftler, was der eigentliche "Knackpunkt" ist: Das Geräusch entsteht tatsächlich in dem Moment, an dem sich die aneinander liegenden Gelenkflächen beim Zug am Gelenk trennen und sich die blasenförmigen Hohlräume dazwischen bilden. Weil diese jedoch anschließend zunächst weiter bestehen, kamen die Mediziner zu dem Schluss, dass es nicht das Platzen der Blasen ist, das das Geräusch verursacht, sondern ihr Entstehen.
Forscher der Stanford Universität in Kalifornien kamen 2018 zu dem gleichen Ergebnis. Ihnen zufolge kann das Geräusch, das beim Fingerknacken zu hören ist, immerhin bis zu 83 Dezibel laut sein – so laut wie der Lärm einer Hauptverkehrsstraße etwa.
Hat das Fingerknacken negative Folgen?
Das absichtliche Knacken mit den Fingergelenken ist also offenbar ungefährlich, wie auch eine Studie der University of California zeigte. Die Wissenschaftler untersuchten 40 Freiwillige, von denen 30 in der Lage waren, ihre Fingergelenke absichtlich knacken zu lassen. Vor und nach dem Versuch des Fingerknackens wurden die Probanden untersucht und der Vorgang an sich im Ultraschall beobachtet. Bei keinem zeigten sich anschließend Schwellungen oder eine Einschränkung der Beweglichkeit.
Übertreiben sollte man es mit dem Knacken trotzdem nicht. "Wenn man einen Tick hat und es exzessiv betreibt, können Kapseln oder Bänder auf Dauer etwas leiden und ausleiern", gibt der Orthopäde zu bedenken. "Studien zeigen, dass Menschen, die regelmäßig mit den Fingern knacken, eine höhere Beweglichkeit in dem betreffenden Gelenk haben."
Auch wer dabei Schmerzen hat, sollte sich das Fingerknacken lieber abgewöhnen. Denn einen positiven Effekt hat das Knacken nicht, auch wenn die Betroffenen es als angenehm empfinden. "Vielleicht hat man dadurch das Gefühl, man deblockiert etwas", mutmaßt der Orthopäde. "Tatsächlich liegt aber keine Blockade in dem Gelenk vor." Sicherlich sei es nicht schlecht, wenn man seine Finger wie alle Gelenke mal dehnt und über die Norm hinaus bewegt. "Aber das hätte auch ohne Knacken den gleichen Effekt."
Wann sind knackende Gelenke ein Warnsignal?
Wenn Gelenke allerdings bei bestimmten Bewegungen knacken, ohne dass es beabsichtigt ist, und dabei Schmerzen auftreten, kann dahinter auch ein orthopädisches Problem stecken.
"Die Ursache für ein Knacken ist je nach Gelenk unterschiedlich", sagt Brockamp. An der Außenseite des Kniegelenks kann ein spontanes Knackgeräusch von einer Sehne kommen, die über eine Knochenkante springt. Knirschende Geräusche hinter der Kniescheibe können auf Knorpelschäden hindeuten. "Wenn knackende Gelenke mit Schmerzen oder Einschränkungen einhergehen, sollte man den Arzt aufsuchen", rät der Mediziner.