Eine Frau betrachtet sich im Spiegel und berührt ihr Gesicht mit den Händen.
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Angioödem (Quincke-Ödem)

Von: Dr. rer. nat. Geraldine Nagel (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 19.01.2022

Angioödeme sind Haut- oder Schleimhautschwellungen, die in unterschiedlichen Körperbereichen auftreten können. Erfahren Sie, was die Schwellungen auslöst und wie man sie behandelt.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Angioödem (Quincke-Ödem)

Beim Angioödem (Quincke-Ödem) handelt es sich eine Schwellung der Haut oder Schleimhaut, die unterschiedliche Auslöser haben kann.

Am häufigsten bilden sich Angioödeme infolge einer allergischen Reaktion. Dann führt die schlagartige Freisetzung des Gewebehormons Histamin aus Mastzellen dazu, dass sich Blutgefäße weiten und die Wände der Blutgefäße gleichzeitig durchlässiger werden. Als Folge gelangt Flüssigkeit aus dem Blut in umliegendes Gewebe und lässt es anschwellen.

Angioödeme können jedoch auch Bradykinin-vermittelt sein. Das Gewebehormon Bradykinin kann (ähnlich wie Histamin) ebenfalls dazu führen, dass Blutgefäße sich weiten und durchlässiger werden, sodass Flüssigkeit ins Gewebe austritt. Bradykinin normalerweise vor allem eine Rolle für die Schmerzempfindlichkeit bei entzündlichen Prozessen und Verletzungen.

Allergisches Angioödem

Angioödeme, die sich im Rahmen einer allergischen Reaktion bilden, gehen häufig mit Juckreiz und Quaddeln (Urtikaria, Nesselausschlag) einher. Mögliche Auslöser können zum Beispiel Nahrungsmittel wie Nüsse, Eier, Milch, Fisch oder Meeresfrüchte sein. Aber auch allergische Reaktionen auf Insektenstiche, Medikamente, Latex oder Tierhaare können die Hautschwellungen hervorrufen.

Angioödem durch Medikamente

Angioödeme können zudem infolge einer Medikamenteneinnahme entstehen, ohne dass eine allergische Reaktion beteiligt ist. Dann handelt es sich um ein sogenanntes medikamenteninduziertes Angioödem. Häufig sind bestimmte Antibiotika wie Penicillin oder Wirkstoffe aus der Gruppe der NSAR (nichtsteroidale Antirheumatika), wie Acetylsalicylsäure (ASS), Ibuprofen oder Naproxen, in solchen Fällen die Auslöser. Aber auch bestimmte Blutdrucksenker, wie etwa Wirkstoffe aus der Gruppe der ACE-Hemmer oder Sartane, können Quincke-Ödeme hervorrufen.

Das Angioödem bildet sich in diesen Fällen, weil durch die Medikamenteneinnahme ein Enzym gehemmt wird, das normalerweise für den Abbau des Gewebehormons Bradykinin verantwortlich ist. Als Folge steigt die Konzentration an Bradykinin im Blut an und ruft Schwellungen hervor.

Medikamenteninduzierte Angioödeme entwickeln sich häufig sehr rasch nach der Einnahme, meist im Kopf-Hals-Bereich. Im Falle von ACE-Hemmern kann sich selbst nach langjähriger problemloser Einnahme unerwartet noch ein Quincke-Odem entwickeln.

Treten solche Schwellungen nach der Einnahme von Medikamenten auf, sollte man das ursächliche Arzneimittel so rasch wie möglich absetzen. Manchmal können sich Angioödeme jedoch auch noch nach dem Absetzen bilden.

Hereditäres Angioödem

Das hereditäre Angioödem ist eine erbliche Sonderform, die selten vorkommt und sich meist schon im Kindesalter bemerkbar macht. Ursache ist ein Gendefekt, der dazu führt, dass der Körper entweder zu wenig von einem bestimmten Protein bildet oder dieses so herstellt, dass es nicht voll funktionsfähig ist. Dieses Protein, der sogenannte C1-Esterase-Inhibitor (C1-INH), spielt eine Rolle bei der Regulation des Immunsystems und wird in bestimmten Mengen im Blut benötigt. Ein Mangel an C1-INH bewirkt, dass das Gewebehormon Bradykinin im Übermaß produziert wird.

Erworbenes Angioödem

Manchmal entwickelt sich ein Angioödem erst im Zusammenhang mit anderen Erkrankungen, so zum Beispiel bei Autoimmunerkrankungen wie Lupus erythematodes oder bei bösartigen Erkrankungen wie einem Lymphom. Ähnlich wie das hereditäre Angioödem hängt ein erworbenes Angioödem mit einem Anstieg von Bradykinin im Blut zusammen.

Idiopathisches Angioödem

In manchen Fällen bilden sich Angioödeme auch ohne erkennbare Ursache. Dann spricht man von einem idiopathischen Angioödem. Warum es manchmal scheinbar ohne Anlass zu einem Quincke-Ödem kommt, ist unklar. Möglicherweise handelt es sich dabei um eine gelegentliche Fehl- oder Überreaktion des Immunsystems. Als Auslöser kommen unter Umständen kleinere Infekte, Stress, übermäßige sportliche Belastungen sowie Hitze oder Kälte infrage.

Angioödem (Quincke-Ödem): Symptome

Bei einem Angioödem (Quincke-Ödem) kommt es zu Schwellungen der Haut oder Schleimhaut, die teilweise tagelang anhalten könnten. Der geschwollene Bereich kann mit weiteren Symptomen wie Nesselausschlag (Urtikaria), Hautrötungen, Schmerzen, Spannungsgefühl oder einem überwärmten Gefühl einhergehen. In manchen Fällen wird ein Angioödem von Juckreiz begleitet.

Angioödeme können in unterschiedlichen Körperbereichen auftreten, wie etwa im Gesicht, im Mund- und Rachenraum oder im Kehlkopf. Die Schwellungen können aber auch an Armen, Händen, Beinen oder Füßen sowie im Genitalbereich entstehen.

Bilden sich Angioödeme im Verdauungstrakt, kann das zu Beschwerden wie Bauchschmerzen, Bauchkrämpfen, Übelkeit oder Erbrechen führen. Sind die Harnwege betroffen, macht sich das möglicherweise durch Symptome ähnlich wie bei einem Harnwegsinfekt bemerkbar.

Quincke-Ödeme im Bereich von Rachen oder Zunge können lebensbedrohlich sein, wenn die Schwellung die Atmung behindert und Atemnot entsteht. Hierzu kommt es häufig im Rahmen eines allergischen Schocks. Bei derartigen Schwellungen im Mund- und Rachenraum ist rasche ärztliche Hilfe erforderlich.

Angioödem (Quincke-Ödem): Diagnose

Bei einem Angioödem (Quincke-Ödem) geben in der Regel bereits die Beschwerden und das Arztgespräch Hinweise auf die Diagnose. Von Interesse sind im Arztgespräch vor allem, ob

  • außer der Schwellung weitere Symptome aufgetreten sind (wie Atemnot, Juckreiz, Schmerzen oder Magen-Darm-Beschwerden),
  • es bekannte Allergien gibt,
  • es früher schon einmal zu solchen Schwellungen oder auch Nesselausschlägen kam,
  • Medikamente wie ACE-Hemmer eingenommen werden oder
  • in der Familie andere Angioödem-Fälle vorkommen.

Gegebenenfalls können weitere Untersuchungen zum Einsatz kommen, wie zum Beispiel ein Allergietest oder Gentest. Bei gleichzeitigen Magen-Darm-Beschwerden können bildgebende Untersuchungen des Bauchraums ratsam sein, zum Beispiel eine Ultraschalluntersuchung oder eine Computertomografie (CT).

Besteht der Verdacht auf ein hereditäres Angioödem, können Blutuntersuchungen helfen, mit denen man die Konzentration und Aktivität von C1-INH (C1-Esterase-Inhibitor) sowie die Konzentration des Komplementfaktors C4 bestimmt.

Angioödem (Quincke-Ödem): Therapie

Ob ein Angioödem (Quincke-Ödem) behandelt werden muss, richtet sich vor allem nach der Ursache der Schwellungen. Leichte Fälle benötigen oft keine weitere Behandlung und heilen von selbst ab. Sofern begleitende Symptome wie Juckreiz sehr belasten, lassen sich diese mit freiverkäuflichen Medikamenten aus der Gruppe der Antihistaminika (wie Cetirizin) lindern.

Je nach Ausmaß oder Ort der Schwellungen, kann ein Angioödem jedoch eine (rasche) ärztliche Behandlung und verschreibungspflichtige Medikamente erfordern.

Allergisches Angioödem

Antihistaminika

Wirkstoffe aus der Gruppe der Antihistaminika (wie Cetirizin oder Dimetinden) helfen gegen allergische Beschwerden und Angioödeme mit allergischer Ursache. Sie lindern den Juckreiz und lassen die Schwellungen abklingen. Je nach Schwere des Quincke-Ödems kann es notwendig sein, das Medikament über eine Vene (intravenös) zu verabreichen.

Glukokortikoide

In schweren Fällen kommen möglicherweise Wirkstoffe aus der Gruppe der Glukokortikoide (z. B. Prednisolon) zum Einsatz. Diese wirken den entzündlichen Prozessen im Gewebe entgegen und helfen gleichermaßen gegen Schwellungen, Rötungen und Juckreiz. Je nach Situation kann die Einnahme in Form von Tabletten oder intravenös erfolgen.

Angioödem als lebensbedrohlicher Notfall

Kommt es durch das Angioödem zu einem lebensbedrohlichen Notfall, etwa wenn Schwellungen in Mund und Rachen auftreten, muss rasch gehandelt werden. Rufen Sie in solchen Fällen so schnell wie möglich den Notarzt (112). Als erste Rettungsmaßnahme vor Ort wird meist eine Adrenalin-Injektion in den Oberschenkel verabreicht. Die weitere Behandlung muss im Krankenhaus erfolgen.

Hereditäres Angioödem

Ein hereditäres Angioödem muss mit speziellen Medikamenten behandelt werden. Im Unterschied zum allergischen Angioödem sind Medikamente wie Antihistaminika, Glukokortikoide oder Adrenalin bei akuten Schwellungen hier jedoch wirkungslos. Insbesondere bei akuten Schwellungen der Atemwege ist allerdings ebenfalls eine rasche Behandlung notwendig, da gleichermaßen Lebensgefahr besteht.

Bei akuten Schwellungen der Atemwege, im Gesicht, an den Armen oder Beinen benötigen Menschen mit hereditärem Angioödem deshalb andere Medikamente. Mögliche Behandlungsmaßnahmen sind:

  • die Gabe von C1-INH über eine Vene, um den bestehenden Mangel auszugleichen.
  • Bradykininhemmer wie der Wirkstoff Itacabant können unter die Haut injiziert den Effekten von Bradykinin entgegenwirken.

Bei kleineren akuten Schwellungen der Hände (z. B. Finger, Handrücken) oder Füße kann es ausreichen, diese erst einmal zu kühlen und abzuwarten.

Langfristig ist es bei einem hereditärem Angioödem wichtig, auslösende Faktoren (sofern bekannt) zu meiden. Auf Medikamente, die das Krankheitsgeschehen begünstigen oder verstärken können, sollten Menschen mit hereditärem Angioödem möglichst verzichten. Hierzu zählen vor allem bestimmte Bluthochdruckmittel (wie ACE-Hemmer, Sartane) sowie Medikamente, die Östrogene enthalten (z. B. Antibabypille, Hormonersatztherapie im Rahmen der Wechseljahre).

Lassen sich die Attacken mit Akutbehandlungen im Bedarfsfall nicht in den Griff bekommen, kann eine Behandlung mit vorbeugenden Maßnahmen infrage kommen. Hierfür eignen sich als Medikamente unter anderem ebenfalls C1-INH, aber auch abgeschwächte Androgene (wie Danazol, Oxandrolon) oder Tranexamsäure.

Medikamenteninduziertes bzw. erworbenes Angioödem

Wie beim hereditären Angioödem helfen beim medikamenteninduzierten (z. B. durch ACE-Hemmer) beziehungsweise erworbenen Angioödem (z. B. im Rahmen eines Lupus erythematodes oder Lymphoms) weder Antihistaminika noch Glukokortikoide. Eine Behandlung kann hier mit denselben Maßnahmen wie beim hereditären Angioödem versucht werden, auch wenn die Medikamente offiziell nicht dafür vorgesehen sind (sog. Off-Label-Use).