Alpha-1-Antitrypsin-Mangel
Der Alpha-1-Antitrypsin-Mangel ist eine Erbkrankheit. Ursache ist ein Gendefekt, der Störungen in der Lunge und der Leber verursacht. Innerhalb des betroffenen Gens sind verschiedene Veränderungen (Mutationen) möglich, die jeweils unterschiedlich schwere Krankheitsbilder hervorrufen. Bei leichten Formen treten zum Teil überhaupt keine Beschwerden auf.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Überblick
Wiederkehrende Entzündungen in den Bronchien (chronische Bronchitis), die mit der Zeit zur Lungenüberblähung (Lungenemphysem) führen, und Leberentzündungen, aus denen sich im Verlauf eine Leberzirrhose entwickeln kann, prägen das Krankheitsbild des Alpha-1-Antitrypsin-Mangels.
Menschen mit Alpha-1-Antitrypsin-Mangel können kein funktionsfähiges Alpha-1-Antitrypsin bilden. Die veränderten Moleküle lagern sich in den Leberzellen ab und führen dort zu den Beschwerden. Die Symptome an der Leber können bereits im frühen Kindesalter auftreten. So kann zum Beispiel die bei Neugeborenen häufig auftretende Neugeborenen-Gelbsucht (Ikterus) länger andauern als bei gesunden Babys. Die Symptome an der Lunge beginnen meistens im Erwachsenenalter, zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr. Sie entstehen, weil gewebeabbauende Eiweiße (Enzyme) durch das fehlerhafte Alpha-1-Antitrypsin nicht aufgehalten werden wie bei Gesunden. In ihrem Alltag bemerken Betroffene häufig zunächst, dass sie etwa beim Sport oder beim Treppensteigen schlechter Luft bekommen. Außerdem müssen sie häufig husten, atmen pfeifend oder keuchend.
Der Arzt stellt einen Alpha-1-Antitrypsin-Mangel durch eine Blutuntersuchung fest. Die Blutwerte von Alpha-1-Antitrypsin sind wesentlich geringer als normal. Zusätzlich kann eine Gewebeprobe aus der Leber (Biopsie) die Diagnose sichern. Mit einer genetischen Untersuchung lässt sich feststellen, ob eine schwere oder eine leichte Form des Alpha-1-Antitrypsin-Mangels vorliegt.
Der Alpha-1-Antitrypsin-Mangel kann nicht geheilt werden. Die Behandlung des Alpha-1-Antitrypsin-Mangels setzt sich zusammen aus allgemeinen Maßnahmen zur Vorbeugung von Infekten und der wiederholten Gabe von Alpha-1-Proteaseinhibitor, der die Wirkung von funktionstüchtigem Alpha-1-Antitrypsin nachahmt. Außerdem ist es für Betroffene wichtig, das Rauchen aufzugeben und das Passivrauchen zu vermeiden, denn diese Faktoren haben einen wesentlichen Einfluss auf die Lebenserwartung bei Alpha-1-Antitrypsinmangel.
Definition
Der Alpha-1-Antitrypsin-Mangel – auch Alpha-1-Proteasen-Inhibitormangel genannt – ist eine Erbkrankheit. Erst wenn eine Person von beiden Elternteilen den Gendefekt erbt, kommt die Erkrankung voll zum Ausbruch (homozygote Form). Menschen mit nur einem veränderten Gen (heterozygote Form) entwickeln nur eine leichte Form der Erkrankung.
Der Gendefekt kommt bei etwa 1 von 10.000 Menschen homozygot – also stark ausgeprägt – vor. In Deutschland betrifft dies rund 12.000 Menschen.
Die Lebenserwartung von Personen mit Alpha-1-Antitrypsin-Mangel hängt unter anderem davon ab, ob sie rauchen. So liegt die durchschnittliche Lebenserwartung von Rauchern mit Alpha-1-Antitrypsin-Mangel bei 48 bis 52 Jahren, von Nichtrauchern dagegen bei 60 bis 68 Jahren.
Ursachen
Dem Alpha-1-Antitrypsin-Mangel liegen als Ursachen Veränderungen in den Genen zugrunde. Alpha-1-Antitrypsin ist ein spezielles Eiweiß, ein sogenanntes Glykoprotein, und besteht aus einer Kette von 394 Aminosäuren. Es ist ein Enzymhemmer – seine Hauptaufgabe ist es, die körpereigenen, eiweißspaltenden Enzyme (sog. Proteasen) zu hemmen. Dazu gehören zum Beispiel die Enyzme Elastase, Trypsin und Thrombin. Vor allem die Leber stellt Alpha-1-Antitrypsin her.
Bei einem gesunden Menschen beträgt die Menge des Alpha-1-Antitrypsins im Blut 150 bis 300 Milligramm pro Deziliter (mg/dl). Bei Menschen mit Alpha-1-Antitrypsin-Mangel ist die Menge von Alpha-1-Antitrypsin im Blut verringert. Wenn die Menge des Enzyms unter 80 mg/dl fällt, entwickeln sich schwere Erkrankungen – zum Beispiel eine Lungenüberblähung (Lungenemphysem).
Beim Alpha-1-Antitrypsin-Mangel sind die genauen Ursachen Gendefekte auf dem Chromosom 14. Das betroffene Gen ist für die Bildung des Alpha-1-Antitrypsins verantwortlich. An dem Gen können verschiedene Veränderungen (Mutationen) auftreten, die jeweils unterschiedliche Krankheitsverläufe verursachen.
Erbt ein Betroffener die genetische Veranlagung für einen Alpha-1-Antitrypsin-Mangel nur von einem Elternteil, tritt eine leichtere Form der Erkrankung auf. Mediziner sprechen dann von der heterozygoten Form. Vererben sowohl Mutter als auch Vater das veränderte Gen, liegt der Alpha-1-Antitrypsin-Mangel als homozygote, schwere Form vor.
Symptome
Vom Alpha-1-Antitrypsin-Mangel sind vor allem die Lunge und die Leber betroffen.
Symptome der Lunge
Die häufigste Folge des Alpha-1-Antitrypsin-Mangels an der Lunge ist die sogenannte chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD). Zu diesem Krankheitsbild zählen verschiedene Symptome und Veränderungen, die durch die Schäden an der Struktur der Lunge hervorgerufen werden. Zu den typischen Symptomen gehören vor allem:
Die Schädigung des Lungengewebes führt im Rahmen der COPD außerdem häufig zu einer Lungenüberblähung (Lungenemphysem). Durch diese Überblähung kann es bei den Betroffenen zusätzlich zu Atemnot, trockenem Reizhusten oder aufgrund von Sauerstoffmangel im Blut zu einer Blaufärbung der Haut (Zyanose) kommen. Ein weiteres Kennzeichen der COPD sind wiederkehrende Atemwegsinfekte, wie zum Beispiel die chronische Bronchitis. Bei einem Alpha-1-Antitrypsin-Mangel treten die ersten Symptome der Lunge meistens zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr auf.
Die Ursache für die Lungenschädigung hängt mit dem Gleichgewicht von Alpha-1-Antitrypsin und körpereigenen Enzymen, die Eiweiße abbauen (Proteasen), zusammen: Bei einer Reizung der Lunge (z.B. durch Staub, Pollen, bakterielle Infektionen, Tabakrauch) setzen weiße Blutkörperchen (Leukozyten) unter anderem das Enzym Elastase frei. Die Elastase schützt das Lungengewebe vor schädlichen Keimen und Fremdstoffen, indem sie deren Eiweiße zersetzt und damit einen Abtransport der Fremdkörper ermöglicht. Allerdings kann die Elastase nicht zwischen fremden und körpereigenen Eiweißen unterscheiden – sie greift auch Lungengewebe an. Damit die Lunge keinen Schaden nimmt, hemmt normalerweise Alpha-1-Antitrypsin die Wirkung des Enzyms im gesunden Gewebe. Beim Alpha-1-Antitrypsin-Mangel fehlt dieser Regulationsmechanismus und die Elastase führt zu Schäden im Lungengewebe.
Symptome der Leber
Leberzellen werden beim Alpha-1-Antitrypsin-Mangel vor allem deshalb in Mitleidenschaft gezogen, weil sich hier der Produktionsort von Alpha-1-Antitrypsin befindet. Durch die Mutation des Erbguts entsteht bei den Betroffenen kein funktionsfähiges Alpha-1-Antitrypsin, stattdessen aber veränderte Moleküle, die sich in den Leberzellen ansammeln. Die Folge sind Lebererkrankungen wie chronische Hepatitis und Leberzirrhose, die sich bereits im Kindes- und Jugendalter bemerkbar machen können. Zu den typischen Leber-Symptomen gehört zum Beispiel eine Gelbfärbung der Haut (Ikterus). Ein Alpha-1-Antitrypsin-Mangel ruft aber insgesamt seltener Symptome in der Leber hervor als in der Lunge.
Diagnose
Bei Verdacht auf einen Alpha-1-Antitrypsin-Mangel bestimmt der Arzt zur Diagnose die Blutwerte. Bei der Blutuntersuchung ist besonders die Eiweißanalyse im Blut wichtig: Bei einer Menge des Alpha-1-Antitrypsin unter 50 mg/dl liegt ein schwerer Alpha-1-Antitrypsin-Mangel vor und die Diagnose ist eindeutig. Bei der leichteren Form liegen die Werte zwischen 50 und 250 mg/dl.
Auch die körperliche Untersuchung liefert Hinweise: Dem Arzt fallen hierbei zum Beispiel ein fassförmig verformter Brustkorb und eine Blaufärbung der Haut (Zyanose) auf – Zeichen, die auf eine Lungenüberblähung (Lungenemphysem) im Rahmen des Alpha-1-Antitrypsin-Mangels hinweisen. Auch Leberschäden kann der Arzt an einer Gelbfärbung der Haut (Ikterus) erkennen. Liegen klinische Symptome wie Atemnot, Reizhusten oder hellverfärbter Stuhl vor, spricht dies ebenfalls für Lungen- und Leberschäden, die für diese Erbkrankheit typisch sind. Die entsprechenden Organschäden kann der Arzt durch bildgebende Verfahren wie Röntgen des Brustkorbs und Ultraschall (Sonographie) des Oberbauchs erkennen. Des Weiteren kann eine Gewebeprobe (Biopsie) aus der Leber bei einem Verdacht auf Alpha-1-Antitrypsin-Mangel die Diagnose ergänzen.
Um festzustellen, welche Form des Alpha-1-Antitrypsin-Mangels (homozygot oder heterozygot) genau vorliegt, eignet sich ein Gentest zur Diagnose.
Therapie
Bei einem Alpha-1-Antitrypsin-Mangel kann dieser Mangel im Rahmen einer Therapie ausgeglichen werden. Dazu erhält der Erkrankte Alpha-1-Antitrypsin über die Vene (intravenöse Ersatztherapie). Außerdem müssen die Folgeerkrankungen behandelt werden. Nicht bei jedem Patienten ist die Ersatztherapie bei Alpha-1-Antitrypsin-Mangel eine geeignete Therapie-Option. Sie sollte nicht durchgeführt werden bei:
- schwerem Alpha-1-Antitrypsin-Mangel
- schweren Einschränkungen der Lungenfunktion
- schweren Einschränkungen der Leberfunktion
- Rauchern
- Eiweißunverträglichkeiten
Bei Betroffenen, bei denen ein Alpha-1-Antitrypsin-Mangel festgestellt wurde und die dennoch eine normale Lungenfunktion haben, ist die Ersatztherapie nicht notwendig.
Verlauf
Bei einem Alpha-1-Antitrypsin-Mangel ist der Verlauf je nach Art des Gendefekts unterschiedlich. Während bei einem leichten (heterozygoten) Alpha-1-Antitrypsin-Mangel teilweise überhaupt keine Beschwerden auftreten, kann die schwere Form bereits im Kindesalter einen ernsten Verlauf nehmen.
Sofern wegen des Alpha-1-Antitrypsin-Mangels nicht genügend Alpha-1-Antitrypsin für die Hemmung der Proteasen (eiweißabbauende Enzyme) zur Verfügung steht, breitet sich der durch diese Enzyme gestartete Zersetzungsprozess auf größere Teile der Lunge aus. Auslöser dieses Vorgangs können zum Beispiel Staubaufnahme, Rauchen oder eine Infektionskrankheit sein. In der Folge kann sich mit der Zeit ein Lungenemphysem (Überblähung der Lunge) bilden.
Bei einer Leberzirrhose kann es beispielsweise zu schweren Blutgerinnungsstörungen kommen oder Leberkrebs entstehen.
Bei weit fortgeschrittenem Alpha-1-Antitrypsin-Mangel benötigen die Betroffenen im weiteren Verlauf eine Lungen- und/oder Lebertransplantation. Da das Alpha-1-Antitrypsin in der Leber produziert wird, lässt sich die Erkrankung – im Gegensatz zu einer Lungentransplantation – mit einer Lebertransplantation heilen.
Vorbeugen
Da der Alpha-1-Antitrypsin-Mangel eine Erbkrankheit ist, gibt es keine Maßnahmen, die der Erkrankung vorbeugen. Es gibt aber verschiedene Verhaltensmaßnahmen, die einem schweren Verlauf bei Alpha-1-Antitrypsin-Mangel vorbeugen können. Um Folgeschäden zu vermeiden, hilft eine gesunde Lebensführung:
- Vermeiden Sie so gut es geht Schadstoffe in der Umgebungsluft.
- Rauchen Sie nicht; versuchen Sie auch Passivrauchen zu vermeiden.
- Achten Sie auf Ihr Gewicht. Sowohl Unter- als auch Übergewicht belasten den Körper und die Lunge zusätzlich. Versuchen Sie, einen BMI zwischen 18 und 25 zu erreichen.
- Vermeiden Sie soweit wie möglich Erkältungen.
- Lassen Sie sich gegen Grippe impfen.