Vaterschaftstest
Ein Vaterschaftstest legt offen, ob ein bestimmter Mann der Vater eines bestimmten Kindes ist. Der korrekte juristische Begriff dafür lautet "Abstammungsbegutachtung".
Allgemeines
Wenn es zum Beispiel um finanzielle Unterstützung und die Zahlung von Unterhalt geht, muss manchmal gerichtlich geklärt werden, wer der Vater eines Kindes ist. Um eine Vaterschaft vor Gericht an- oder aberkennen zu lassen, muss ein offizieller Vaterschaftstest, also eine Abstammungsbegutachtung vorliegen.
Die Identität aller am Vaterschaftstest beteiligten Personen muss bekannt sein. Das heißt, es müssen Vor- und Zuname des Kindes, der Mutter und des potenziellen Vaters bekannt sein. Die Testpersonen müssen sich dazu per Lichtbildausweis und per Unterschrift identifizieren und in die Untersuchung einwilligen – so schreiben es die Richtlinien der Gendiagnostik-Kommission (kurz GEKO) vor, die regeln, wie in Deutschland ein Vaterschaftstest durchzuführen ist.
Ein Vaterschaftstest besteht heutzutage aus einer DNA-Analyse. Dabei untersucht ein Labormediziner, ein Humangenetiker oder entsprechend geschultes Personal bestimmte Abschnitte der Erbsubstanz (DNA). Es reicht dabei nicht aus, nur vom betroffenen Kind und dem Mann, der möglicherweise der Vater ist (potenzieller Vater), eine DNA-Probe zu nehmen – auch von der Mutter des Kindes ist eine DNA-Probe nötig, damit der Vaterschaftstest ein sicheres Ergebnis liefert und den rechtlichen Anforderungen entspricht.
Was bedeutet DNA-Probe genau? Der Untersucher entnimmt den am Vaterschaftstest beteiligten Personen Zellen, um deren Erbgut analysieren zu können. Diese Zellentnahme ist völlig schmerzfrei und sehr einfach durchzuführen: Mit einem Wattestäbchen fährt der Untersucher der Testperson durch die Mundhöhle und nimmt dabei Zellen der Mundschleimhaut auf. Diese Zellen genügen, um die DNA weiter zu untersuchen.
Wenn Sie an einem Abstammungsgutachten beiteiligt sind, müssen Sie sich aber nicht sorgen, dass der Labormediziner Sie nun komplett genetisch "durchleuchtet" – und gegebenenfalls nach speziellen Eigenschaften, Anlagen oder gar Krankheiten forscht. Für den Vaterschaftstest schaut er sich lediglich Bereiche Ihres Erbguts an, die nach heutigem Wissen keine persönlichen Merkmale oder Eigenschaften verschlüsseln, sogenannte nicht-kodierende Bereiche. Die ausgewählten DNA-Abschnitte eignen sich aber trotzdem gut dazu, Unterschiede oder Gemeinsamkeiten zwischen zwei Personen herauszufinden.
Durch den Vergleich der DNA-Abschnitte lässt sich mittels eines Vaterschaftstests die Wahrscheinlichkeit errechnen, mit der der untersuchte Mann als Vater infrage kommt:
- Liegt dieses Ergebnis bei über 99,999 Prozent, gilt die Vaterschaft als erwiesen.
- Sprechen mindestens vier der untersuchten DNA-Bereiche gegen die Vaterschaft des untersuchten Mannes, gilt die Vaterschaft generell als ausgeschlossen.
Theoretische Grundlagen
Ein genauerer Blick auf das menschliche Erbgut hilft dabei, einen Vaterschaftstest beziehungsweise eine Abstammungsbegutachtung besser nachvollziehen zu können: Im Zellkern jeder menschlichen Körperzelle befinden sich die gesamten Erbanlagen (Gene) einer Person. Diese sind auf zweimal 23, also auf insgesamt 46 Chromosomen verteilt, während die Keimzellen (Samen- und Eizellen) von Mann und Frau jeweils nur 23 Chromosomen – also den halben Chromosomensatz – aufweisen.
Chromosomen bestehen aus einem Doppelstrang der Desoxyribonukleinsäure (DNS, engl. DNA). Dieser Doppelstrang ist auf bestimmte Eiweiße (Proteine, hier: Histone) aufgerollt und somit kompakt gewunden. Er setzt sich zusammen aus zwei DNA-Einzelsträngen, die räumlich wie ein Reißverschluss zusammen passen.
Ein einzelner DNA-Strang besteht aus einer Abfolge von Grundbausteinen (Nukleotiden), die sich jeweils aus einer von vier verschiedenen Basen, einem Zuckermolekül (Desoxyribose) und einer Phosphatgruppe zusammensetzen. Die Grundbausteine unterscheiden sich darin, welche Base sie tragen – in die DNA sind die Basen
- Adenin (A) und
- Thymin (T) sowie
- Guanin (G) und
- Cytosin (C) eingebaut.
Sie sind als Informationsträger mit Buchstaben oder Ziffern vergleichbar – ihre Reihenfolge auf dem DNA-Strang ist ebenso eine Information, wie es auch Wörter oder Zahlen sind. "Leser" der Basenfolgen, also des genetischen Codes, sind die sogenannten Ribosomen. Sie "übersetzen" die Information – also die Reihenfolge der Basen – in Eiweiße, wobei sie immer drei Basen (Triplett) als Code für einen Eiweiß-Baustein (Aminosäure) erkennen. Eiweiße (Proteine) sind für den Aufbau des Körpers und seine Lebensfunktionen sehr wichtig.
Der Mensch besitzt etwa 30.000 bis 40.000 Gene. Die relevante Erbinformation macht nur etwa zehn Prozent von den insgesamt 3 Milliarden Basenpaaren der DNA aus. Die übrigen 90 Prozent sind sogenannte nicht-kodierende DNA-Abschnitte. Während diese DNA früher als funktionslos ("junk-DNA") galt, geht man heutzutage davon aus, dass auch sie Informationen enthält und zum Beispiel das Ablesen der Gene steuert. Die nicht-kodierende DNA ist bei allen Menschen größtenteils ähnlich. Doch gibt es Bereiche mit deutlichen Unterschieden – Experten verwenden dafür den Ausdruck Polymorphismus (Mehrzahl: Polymorphismen).
Diese Bereiche der Erbsubstanze sind für den Vaterschaftstest wichtig, denn sie sind für jeden Menschen charakteristisch. Bei einer Vaterschaftsanalyse oder einem Identitätsnachweis untersuchen Genetiker die charakteristischen DNA-Abschnitte mit molekularbiologischen Methoden.
Ablauf eines Vaterschaftstests
Aus den jeweiligen Proben lässt sich eine ausreichende Menge an DNA isolieren. Für den DNA-Test sind genau jene DNA-Abschnitte interessant, die für einen Menschen charakteristisch sind. Meist handelt es sich um Abschnitte, die keine Informationen über Eiweiße (Proteine) verschlüsseln (sog. nicht-kodierende Abschnitte). Mittels der sogenannten Polymerase-Kettenreaktion (PCR) lassen sich diese DNA-Bereiche im Labor vervielfältigen und untersuchen.
Die für den Vaterschaftstest wichtigen Abschnitte nennen sich short tandem repeats (STR) und enthalten sogenannte Repetitivsequenzen. Das sind kurze Abschnitte auf der DNA, die sich vielfach wiederholen ("Mikrosatelliten-DNA"). Menschen haben unterschiedlich lange Varianten ("Allele") der Repetitivsequenzen. Im Vaterschaftstest helfen diese Längenunterschiede herauszufinden, ob eine genetische Ähnlichkeit von Mann und Kind besteht und damit eine Vaterschaft wahrscheinlich ist.
Bei der Auswertung eines Vaterschaftstests vergleicht der Untersucher, meist ein Humangenetiker, die Länge der Repetitivsequenzen. Weil bei einem Kind jeweils eine Hälfte der Allele von der Mutter und die andere Hälfte vom Vater stammt, muss ein fraglicher Vater in allen Merkmalen, die nicht von der Mutter vererbt wurden, mit dem Kind übereinstimmen. Um eine genetische Verwandtschaft möglichst sicher erkennen oder ausschließen zu können, untersuchen die Genetiker bei dem DNA-Test nicht nur einen einzelnen Abschnitt der DNA: In der Regel analysieren sie mindestens 15 DNA-Abschnitte (Genorte, Loci), an denen Repetitivsequenzen vorkommen.
Ein Vaterschaftstest ist ein Wahrscheinlichkeitstest. Das Ergebnis gibt an, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Mann der Vater eines bestimmten Kindes ist. Das Alter des Kindes spielt keine Rolle. Es können auch Neugeborene getestet werden.
Auch mit anderen Methoden lassen sich genetische Unterschiede von Vater, Mutter und Kind vergleichen, zum Beispiel mittels der Blutgruppen oder dem sogenannten MHC- / HLA-System.
Für Abstammungsuntersuchungen gilt seit dem 1. Februar 2011 eine Akkreditierungspflicht. Die Akkreditierung erfolgt gemäß einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Anforderungen an Akkreditierung und Marktüberwachung bei der Vermarktung von Produkten durch die Deutsche Akkreditierungsstelle. Die Akkreditierung einer Einrichtung basiert auf bestimmten DIN-Normen.
Genauigkeit
Damit ein Vaterschaftstest den Richtlinien entspricht und rechtlich nicht angreifbar ist, sind für die Durchführung drei Proben nötig – vom Vater, vom Kind und von der Kindesmutter. Auch wenn es im Prinzip um das verwandtschaftliche Verhältnis zwischen Kind und potenziellem Vater geht, muss die Mutter also in den Vaterschaftstest einbezogen werden. Ein solcher Test erlaubt es, die Vaterschaft festzustellen oder auszuschließen.
Die Vaterschaft gilt als praktisch erwiesen, wenn die Wahrscheinlichkeit den Wert von 99,999 Prozent erreicht beziehungsweise überschreitet. Die genauen Werte werden im Testergebnis ausführlich kommentiert.
Rechtliche Aspekte
Seit 2010 gilt in Deutschland das Gendiagnostikgesetz, das auch den rechtlichen Rahmen für einen Vaterschaftstest beziehungsweise eine Abstammungsbegutachtung steckt. Wie der Test durchgeführt werden muss, regeln Richtlinien der Gendiagnostik-Kommission am Robert Koch-Institut in Berlin.
Laut Gesetzgebung ist es einem Vater, genauso einer Mutter und einem Kind möglich, sich über die genauen genetischen Verhältnisse, also die Abstammung, zu informieren. Dazu kann der Betreffende per Familiengericht durchsetzen, dass notwendige DNA-Proben für ein Abstammungsgutachten gewonnen werden.