Streak Running: Ist tägliches Laufen gesund?
Ohne Ausnahme jeden Tag laufen, und dabei Wind, Wetter und sogar Verletzungen trotzen: Dieser Lauftrend aus den USA nennt sich "Streak Running". Aber kann tägliches Laufen ohne Pause überhaupt gesund sein? Lesen Sie hier, wie sich Streak Running auf den Körper auswirkt und worauf man als Anfänger achten sollte.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Wie funktioniert Streak Running?
Hierzulande wird Streak Running gerade erst richtig populär. In den USA hingegen ist die Laufchallenge bereits länger bekannt. Das zeigt allein schon der Rekordhalter Mark Covert: Der Lehrer aus Kalifornien läuft seit 45 Jahren täglich. Rund 240.000 Kilometer dürfte er im Laufe der Zeit gesammelt haben. Und das trotz eines gebrochenen Fußes und diverser Operationen.
Wie lang ein Lauf mindestens sein muss, um als solcher zu gelten, ist sogar offiziell festgelegt. Laut der Vereinigung "United States Running Streak Association" (USRSA) muss ein Lauf mindestens 1,6 km lang sein. Zur Orientierung: Das sind im Durchschnitt 10 bis 15 Minuten.
Pausentage sind nicht vorgesehen. Streak Running bedeutet, an wirklich jedem einzelnen Kalendertag zu laufen – ohne fremde Hilfe oder technische Hilfsmittel. Hierzu würden beispielsweise Gehhilfen zählen. Auch Läufe nachholen oder im Vorfeld zu absolvieren, verstößt gegen das Regelwerk. Am Jahresende wird dann Bilanz über die zurückgelegte Gesamtstrecke gezogen.
Soziale Netzwerke als Motivationsquelle
Die USRSA führt eine offizielle Rangliste, in die sich Läuferinnen und Läufer eintragen lassen können, sobald sie einen bestimmten Streckennachweis erbringen. Das dürfte für viele motivierend wirken. Auch in sozialen Netzwerken hat sich der Trend ausgebreitet. Viele Streak Runner verwenden Apps, um ihre Läufe zu dokumentieren und anschließend unter Hashtags wie #streakrunning auf Instagram und Co. zu veröffentlichen.
Laut einer Studie der Norwegian University of Science and Technology haben soziale Netzwerke einen erheblichen Einfluss auf die Motivation, wenn es um Sport und Fitness geht. Wer sich regelmäßig entsprechende Inhalte anschaut, wird laut der Studie mit einer höheren Wahrscheinlichkeit selbst sportlich aktiv als Menschen, die sich keinerlei Sportinhalte anschauen.
Vorteile von Streak Running
Regelmäßige körperliche Aktivität ist gesund
Zwar ist seit einigen Jahren ein Fitness-Boom zu beobachten, festzumachen etwa durch an einer steigenden Anzahl an Sportvereinen und -mitgliedern. Dennoch hat eine aktuelle Studie der World Health Organisation (WHO) gegenteilige Ergebnisse geliefert: Nur etwa ein Fünftel aller Europäer bewegt sich ausreichend.
Laut WHO besteht ein "ausreichender Trainingsumfang" für Erwachsene im Alter von 18 bis 64 Jahren aus 150 bis 300 Minuten aktivem Training pro Woche. Das entspricht 2,5 bis 5 Stunden wöchentlichem Training oder 21 bis 43 Minuten täglichem Training.
Lesetipp: WHO – Mensch, beweg dich!
Die WHO schätzt, dass jährlich rund 600.000 Todesfälle in Europa Bewegungsmangel und einem ungesunden Lebensstil geschuldet sind. Denn damit steigen die Risiken für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes Typ 2 und Bluthochdruck.
Regelmäßige körperliche Bewegung hingegen kann diesen Risikofaktoren vorbeugen – etwa durch Laufsport.
Für (fast) jeden machbar
Eine Strecke von 1,6 Kilometern ist für die meisten Menschen gut zu schaffen. Wer gerade erst mit dem Laufen anfängt, kann sich also erst einmal an der Mindestdistanz orientieren. Zudem kommt es beim Streak Running nicht auf das Lauftempo an, sondern um die Regelmäßigkeit. Dadurch verbucht man den täglichen Lauf eher als Erfolgserlebnis statt als Niederlage. Auch die Aussicht darauf, dass das Training in kurzer Zeit geschafft ist, kann motivierend sein.
Denn wer sich zu viel vornimmt, überfordert sich schnell und hat Schwierigkeiten, die neuen Vorsätze langfristig in den Alltag zu integrieren. Hier spricht man auch vom "Alles-oder-Nichts-Prinzip". Wenn ein Vorhaben nicht realistisch umsetzbar ist, schwindet die Motivation. Das ist beim Streak Running in der Regel nicht der Fall, da der Lauftrend vergleichsweise wenig Zeit und Aufwand in Anspruch nimmt.
Der Körper gewöhnt sich an regelmäßige Bewegung
Gerade für Laufanfänger kann Streak Running ein guter Einstieg sein. Der Körper gewöhnt sich schrittweise an die tägliche Bewegung, ohne, dass man ihn überfordert. Zumindest dann, wenn man auf seinen Körper hört und das Training entsprechend anpasst.
Durch das konstante Training ohne Pausentage wird das Laufen zudem schnell zur Gewohnheit. Laut wissenschaftlicher Studien hat man eine Handlung nach rund 21 Tagen verinnerlicht.
Eine neue Routine zu entwickeln kann gerade in der Coronakrise hilfreich sein. Denn nachdem sich das Arbeits- und Familienleben für viele verändert hat, etwa durch Homeoffice, fehlt es im Alltag womöglich an Struktur. Dazu kommt, dass Fitnessstudios und Sportvereine geschlossen sind. Streak Running kann also eine gute Alternative sein, um trotz Lockdown weiterhin aktiv zu bleiben.
Streak Running kann Spaß machen
Streak Running kann eine tolle Herausforderung sein, um die eigenen Grenzen auszutesten und mehr Bewegung in den Alltag zu bringen. Wer Streak Running betreibt, tankt zudem regelmäßig frische Luft und Vitamin D. Und wer weiß, vielleicht lernen Sie Ihre Umgebung ja noch einmal ganz neu kennen.
Nachteile von Streak Running
Verletzungen und Krankheiten werden ignoriert
Wer sich einmal in den Kopf setzt, einen Streak durchzuziehen, läuft Gefahr, Verletzungen und Krankheiten kleinzureden oder zu ignorieren und nicht auf den Körper zu hören. Der starke mediale Einfluss kann Läuferinnen und Läufer zusätzlich unter Druck setzen.
Die USRSA wirbt sogar mit dem Slogan "Through weather, injury, illness, and life events, we run everyday." Das bedeutet im Deutschen etwa: "Schlechtes Wetter, Verletzungen, Krankheiten und Lebensereignisse: Nichts hält uns auf, wir laufen jeden Tag."
Schmerzen zu ignorieren kann nicht nur dazu führen, dass Heilungsprozesse verhindert und in die Länge gezogen werden. Erkrankungen oder Verletzungen werden womöglich sogar noch verschlimmert. Dies gilt sowohl für orthopädische Beschwerden als auch für Erkrankungen wie Infektionen.
Streak Running als Selbstverpflichtung
Die offizielle Diagnose "Sportsucht" gibt es bislang zwar nicht. Zu unscharf sind die Kriterien, die mit einem extremen Bedürfnis nach körperlicher Aktivität einhergehen. Dennoch gibt es Hinweise darauf, dass sich eine Sportsucht durch die klassischen Kriterien der Abhängigkeit auszeichnen können.
So haben Betroffene das Gefühl, täglich Sport treiben zu "müssen" und können Entzugssymptome entwickeln, wenn sie nicht körperlich aktiv sind. Das können zum Beispiel psychische Symptome wie Unruhe, Schlafstörungen oder depressive Verstimmungen sein. Zudem werden andere Lebensbereiche vernachlässigt, etwa die Arbeit oder das soziale Umfeld.
In einer Studie der Deutschen Zeitschrift für Sportmedizin untersuchten Wissenschaftler die Gefährdung zur Sportsucht in Ausdauersportarten. Dabei kam man zu der Erkenntnis, dass Ausdauersportler mit Suchttendenz in ihrem Verhalten auffällig oft aus einer negativen Motivation heraus handeln. Ihre sportliche Aktivität beruht auf dem Zwang, zu trainieren, um Entzugssymptome zu vermeiden.
Streak Running könnte für Läuferinnen und Läufer also zu einem Zwang werden, der einen körperlichen und psychischen Leidensdruck nach sich zieht.
Fehlende Regeneration
Pausen sind wichtig, damit sich der Körper regenerieren kann. Das gilt nicht nur für Kraft- sondern auch für Ausdauertraining wie Laufen. Wie lange der Körper braucht, um sich vollständig zu regenerieren, hängt von zahlreichen Faktoren wie Alter und Trainingszustand ab und kann individuell verschieden sein.
Fakt ist aber: Wenn man nach körperlicher Anstrengung nicht regeneriert und permanent an seine Grenzen geht, kann das ernste Folgen für die Gesundheit haben. Das ist vor allem dann der Fall, wenn Sportlerinnen und Sportler die Signale ihres Körpers durch ständiges Übertraining nicht mehr wahrnehmen oder schlichtweg ignorieren.
Nun könnte man meinen, dass es bei 1,6 Kilometern nicht zu einem Übertraining kommt. Viele Läuferinnen und Läufer legen aber weitaus längere Strecken zurück als diese Mindestdistanz.
5 Tipps für Streak Running
1. Starten Sie langsam
Gerade Laufanfängerinnen und -anfänger sollten es langsam angehen lassen. Beim Streak Running geht es nicht darum, Bestzeiten zu laufen oder jedes Mal die eigenen Grenzen auszutesten. Vielmehr steht die Regelmäßigkeit im Vordergrund.
2. Hören Sie auf Ihren Körper
Wenn Sie krank oder verletzt trainieren, wirft Sie das am Ende nur zurück. Achten Sie auf die Signale, die Ihr Körper Ihnen sendet und passen Sie Ihr Training entsprechend an. Wenn Sie sich unsicher sind, lassen Sie Ihre Beschwerden am besten von einem Arzt abklären.
Tipp: Legen Sie im Vorfeld fest, unter welchen Umständen Sie das Streak Running abbrechen. Denn wenn man erst einmal dabei ist, fällt es womöglich schwer, rationale Entscheidungen zu treffen.
Sie sollten das Streak Running abbrechen bei
- orthopädischen Verletzungen,
- Erkältungen, die mit Fieber und Gliederschmerzen einhergehen,
- und anderen anhaltenden Schmerzen.
3. Abwechslung in die Läufe bringen
Setzen Sie unterschiedliche Trainingsreize. Sie könnten zum Beispiel verschiedene Laufstrecken austesten und zwischen Asphalt, Wiese und Waldboden hin- und herwechseln. Auch Distanz und Tempo können variiert werden, etwa durch Steigungsläufe oder ein Fahrtspiel. Das sorgt zum einen für mehr Abwechslung. Zum anderen verhindern Sie, dass Ihre Leistung stagniert und Sie nicht nur Ihre Ausdauer, sondern auch Ihre Kraft und Koordination trainieren.
4. Laufen sollte nicht zum Zwang werden
Beim Streak Running sollten Gesundheit und Spaß im Vordergrund stehen, und nicht etwa Leistungsdruck. Womöglich werden Sie bemerken, dass Sie mit der Zeit gar nicht mehr anders "können", als täglich zu laufen. Dann sollten Sie hinterfragen, ob das pausenlose Training noch seinen anfänglichen Zweck erfüllt, oder Ihnen eher Stress und negative Emotionen beschwert – und dann entsprechend reagieren.
5. Regelmäßig die Laufschuhe wechseln
Passende Laufschuhe sind essenziell, wenn man täglich läuft. Wenn Sie sich unsicher sind, können Sie sich im Fachgeschäft beraten lassen und eine Laufbandanalyse machen. Diese ist in der Regel kostenlos.
Außerdem sollten Sie regelmäßig prüfen, ob Ihre Schuhe noch "gut" sind. Sie sollten sich ein neues Paar zulegen, wenn:
- sie deutliche Verschleißspuren aufweisen (z. B. Risse in der Sohle), was je nach Schuh nach etwa 500 bis 1000 Kilometern der Fall ist,
- wenn die Sohlen asymmetrisch abgelaufen sind,
- oder plötzlich Schmerzen beim Laufen auftreten.