Entspannungstechniken, Entspannungsübungen
"Meine Arme sind ganz schwer", "Mein Atem fließt gleichmäßig", "Ich bin ganz ruhig". Kann man sich wirklich mithilfe solcher Formeln entspannen – indem man sich einfach einredet, man sei "ganz ruhig"?
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Allgemeines
Entspannung kann man lernen – mithilfe bestimmer Entspannungstechniken. Dass der Körper positiv auf Entspannungsformeln reagiert, die man zum Beispiel aus dem autogenen Training kennt, ist sogar messbar: Die Muskeln entspannen sich, der Atem wird ruhiger, der Puls wird langsamer und der Blutdruck nimmt ab.
Hilfe für Körper und Seele
Entspannungstechniken aktivieren gezielt den sogenannten Parasympathikus. Der Parasympathikus ist Teil des vegetativen Nervensystems, welches eine Art Schaltzentrale in unserem zentralen Nervensystem darstellt: Es steuert lebenswichtige Prozesse wie beispielsweise Atmung, Herzschlag und Blutdruck. Der Parasympathikus nimmt im vegetativen Nervensystem dabei die Rolle des "Ruhenervs" ein. Das heißt, er dämpft bestimmte Körperprozesse wie Atmung, Herzschlag und Muskelspannung und sorgt dafür, dass wir uns entspannen und erholen. Das parasympathische System lässt sich trainieren – und dies zum Beispiel mithilfe von Entspannungstechniken.
Beruhigt man mit Entspannungsübungen Muskelspannung, Atmung und Herzschlag, wirkt sich dies auch auf unsere Psyche aus: Die körperliche Entspannung führt auch zu einer geistigen Entspannung. Aus diesem Grund können Entspannungsübungen auch Stimmungen und Gefühle wie Angst, Ärger und Wut beeinflussen. Nicht ohne Grund lernen viele Menschen in einer Psychotherapie ein Entspannungsverfahren: Die Betroffenen können dann gezielt bestimmte Übungen einsetzen, um beispielsweise Angst- und Panikreaktionen zu lindern. Auch Schlafstörungen lassen sich beispielsweise mit Entspannungstechniken behandeln.
Allgemein können Entspannungsverfahren auch unsere Persönlichkeit positiv beeinflussen. Denn wer regelmäßig zur Ruhe kommt und für Entspannung im Alltag sorgt, kann lernen, ruhiger zu werden und auf Stresssituationen gelassener zu reagieren.
Welche Entspannungstechniken gibt es?
Es existieren mittlerweile viele Entspannungstechniken, mit deren Hilfe man sich entspannen kann – und dies in fast jeder Situation. Die Gemeinsamkeit all dieser Verfahren liegt darin, dass sie einen Zustand der Entspannung herbeiführen sollen. Sie unterscheiden sich allerdings in dem gewählten Weg, der zu innerer Ruhe und Gelöstheit führt. Die einzelnen Entspannungsübungen lassen sich hierbei in drei übergeordnete Bereiche einteilen:
- Atemübungen bzw. Atemtechniken
- Mentale Techniken
- Körpertechniken
Atemübungen/Atemtechniken
Viele Atemtechniken stammen aus dem Yoga oder aus der Meditation. Eine Atemübung besteht zum Beispiel darin, sich für eine bestimmte Zeit auf das Ein- und Ausatmen zu konzentrieren – und dadurch ein Gefühl der Entspannung herbeizuführen. Aber auch das bewusste Steuern der Atmung ist eine Atemübung, die beruhigend wirken kann.
Bestimmte Atemübungen können auch bei Atemwegserkrankungen helfen, die Symptome und Beschwerden zu lindern – beispielsweise bei Asthma oder der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). Hierfür ist allerdings die Anleitung eines erfahrenen Therapeuten dringend notwendig. Falls Sie von einer Erkrankung der Atemwege betroffen sind, sprechen Sie deswegen unbedingt vorher mit Ihrem Arzt, bevor Sie eine bestimmte Atemübung erlernen möchten.
Mentale Techniken
Autogenes Training
Zu den bekanntesten mentalen Techniken zählt das autogene Training. Mit diesem Entspannungsverfahren kann man Ruhe und Entspannung durch gedankliches Vorsagen bestimmter Formeln herbeiführen, beispielsweise: "Mein Herz schlägt ruhig und regelmäßig". Durch diese geistigen Entspannungsübungen kann der Übende bestimmte Körperprozesse wie Herzschlag, Blutdruck und Atmung, die vorwiegend unbewusst gesteuert werden, gezielt beeinflussen.
Meditation
Eine weitere, sehr bekannte Entspannungstechnik ist die Meditation. Es gibt eine Reihe unterschiedlicher Meditationsmethoden, wobei viele davon spirituell begründet sind. Die Gemeinsamkeit liegt darin, dass der Übende seine Konzentration und Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Sache lenkt, beispielsweise auf ein Bild, ein Wort oder eine Vorstellung. Diese Fokussierung wirkt in der Regel entspannend auf Körper und Geist.
Fantasiereisen/Traumreisen
Zu den mentalen Entspannungstechniken zählen auch sogenannte Fantasiereisen, die man auch als Traumreisen bezeichnet. Vor allem Menschen, die sich gut innere Bilder wie einen Strand, einen Wald oder Blumen vorstellen können, finden bestimmt schnell Gefallen an solchen Entspannungsübungen.
Kurze Fantasiegeschichten und Traumreisen entführen einen in Gedanken an schöne Orte in der Natur und regen dazu an, sich in dieser Fantasiewelt zu bewegen und bewusst auf Wahrnehmungen im Körper zu achten. Häufig sind solche Geschichten angereichert mit Elementen aus dem autogenen Training oder enthalten bestimmte Atemübungen. Es gibt zahlreiche Bücher und CDs mit Fantasiereisen, sowohl für Erwachsene als auch für Kinder. Denn vor allem Kinder lassen sich für solche Entspannungsgeschichten gerne begeistern.
Mentales Training
Auch mentales Training, das vor allem aus der Sportwelt bekannt ist, kann zu mehr Ruhe und Entspannung im Leben beitragen. Wem zum Beispiel häufig Gedanken wie "Hoffentlich schaff ich das" oder "Das gelingt mir bestimmt nicht" durch den Kopf gehen, der fühlt sich oft nervös und angespannt. Bei solchen Kopfgesprächen setzt mentales Training als Entspannungstechnik an. Sätze wie "Was ist so schlimm daran, das nicht zu schaffen?" oder "Das schaff ich schon und wenn nicht, geht die Welt auch nicht unter" wirken wie Entspannungsübungen: Durch ständiges Wiederholen beruhigen sie in der Regel und nehmen mit der Zeit Druck und Anspannung.
Langfristig kann es beim mentalen Training auch darum gehen, bestimmte Einstellungen und Glaubensmuster, die als Ursache für Stress und Nervosität gelten, aufzuspüren und zu verändern. Auf dem Büchermarkt finden Sie eine Reihe von Selbsthilfebüchern, die einen auf diesem Weg begleiten. Auch Entspannungstherapeuten können hierbei behilflich sein.
Falls Sie unter sehr starker Nervosität und ständiger Unruhe leiden, empfiehlt es sich allerdings, mit einem Psychotherapeuten zunächst ein Beratungsgespräch zu führen. Bei manchen Menschen können einschneidende negative Lebenserfahrungen die Ursache für solche Gedankenmuster sein, welche besser zusammen mit einem erfahrenen Therapeuten bearbeitet werden sollten.
Aktiv entspannen mit Körpertechniken
Wer sich gerne bewegt, dem steht eine Reihe von Entspannungstechniken offen, die man auch als Körpertechniken bezeichnet. Zu ihnen zählt beispielsweise die progressive Muskelentspannung nach Jacobson, eine der klassischen Entspannungsmethoden. Der Übende spannt hierbei verschiedene große Muskelgruppen des Körpers an – und lässt sie nach kurzer Zeit wieder los. Durch den Unterschied in der Muskelanspannung nimmt er das Gefühl der Entspannung intensiver wahr, und vertieft dieses Gefühl durch regelmäßiges Üben. Die progressive Muskelentspannung lässt sich dabei leicht erlernen und kann bereits nach kurzer Zeit zu guten Erfolgen führen.
Zu den weiteren Körpertechniken zählen zum Beispiel:
Angebote für solche Körpermethoden finden Sie zum Beispiel in Fitnessstudios, aber auch in Form von Online-Kursen.
Tipps zu Entspannungstechniken
Die "richtige" Entspannungstechnik zu finden ist gar nicht so einfach – und nicht für jeden ist zum Beispiel Yoga oder autogenes Training die passende Entspannungsmethode. Einige Tipps können Ihnen vielleicht bei der Auswahl behilflich sein:
Fragen Sie sich, was für ein Typ Sie sind: Bewegen Sie sich gerne? Dann probieren Sie eine der Körpertechniken wie zum Beispiel Yoga oder Eutonie aus. Oder können Sie sich schnell beruhigen, wenn Sie einige Male tief durchatmen? Dann sind vielleicht Atemübungen oder Meditation für Sie interessant. Wer gut abschalten kann, wenn er in Gedanken in die Natur reist, hat eventuell viel Freude an Fantasiegeschichten und Traumreisen.
Probieren geht über Studieren: Probieren Sie einfach verschiedene Entspannungstechniken für eine gewisse Zeit aus. Und achten Sie dabei auf Ihr Gefühl. Am Anfang fällt es Ihnen vielleicht schwer, sich auf eine bestimmte Entspannungsübung einzulassen – gerade dann, wenn Sie für längere Zeit Schwierigkeiten damit hatten, Ihr "Lebenstempo" auch mal zu drosseln. Trotzdem: Falls Sie nach einigen Wochen immer noch ein unangenehmes Gefühl verspüren, während Sie die Entspannungstechnik üben, dann sollten Sie sich nach einer anderen Methode umschauen.
Sind Sie ein Gruppenmensch oder üben Sie lieber alleine? Entspannungsübungen wie die progressive Muskelentspannung oder Fantasiereisen lassen sich relativ leicht mit einem Buch oder einer CD mit Anleitung erlernen – und sind damit besonders für Menschen geeignet, die ungern Gruppenkurse besuchen. Bei Körpertechniken wie Yoga oder Eutonie empfiehlt es sich allerdings, zumindest zum Einstieg einen Kurs zu besuchen. Denn die Übungen wirken vor allem dann, wenn Sie korrekt ausgeführt werden. Hierfür gibt es zahlreiche Gruppenangebote, zum Beispiel an Volkshochschulen, in Fitnessstudios oder von privaten Anbietern. Einige Krankenkassen erstatten auch einen Teil der Kosten für solche Kurse.
Für wen sind Entspannungstechniken nicht geeignet?
Entspannungstechniken sind grundsätzlich für jeden geeignet – Einschränkungen gibt es nur bei bestimmten Erkrankungen.
Beispielsweise sollten Menschen mit einer psychischen Erkrankung nur in Absprache mit einem Psychiater beziehungsweise Psychotherapeuten eine Entspannungstechnik erlernen. Der Grund: Besonders bei psychotischen Krankheiten, wie zum Beispiel einer Schizophrenie, können bestimmte Entspannungsübungen das Befinden möglicherweise verschlechtern.
Auch bei Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems sollten Sie mit Ihrem Arzt besprechen, welche Entspannungsmethode für Sie geeignet ist. Denn bei einigen Entspannungstechniken lenken die Übungen die Aufmerksamkeit auf bestimmte innere Organe – etwa beim autogenen Training mit der Formel: "Mein Herz schlägt langsam und gleichmäßig". Bei Menschen, die etwa einen Herzinfarkt erlebt haben, können bei solchen Formeln bestimmte Ängste auftreten, die genau das Gegenteil bewirken: Sie sorgen für Anspannung.