Man sieht einen Mann verzweifelt auf dem Bett sitzen
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Sexsucht (Hypersexualität): Ab wann ist Lust krankhaft?

Von: Jasmin Krsteski (Biologin und Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 24.04.2023

Sexsucht (Hypersexualität) kann sehr belastend sein. Eine sexsüchtige Person verspürt eine außergewöhnlich starke sexuelle Motivation. Anders als bei Menschen, die sehr gern und häufig Sex haben, ist eine behandlungsbedürftige Sexsucht mit einem hohen Leidensdruck verbunden.

Was ist Sexsucht?

Bei einer Sexsucht ist der Wunsch nach sexueller Befriedigung so groß, dass die Betroffenen sich mehr und mehr damit beschäftigen und dabei andere Dinge zunehmend vernachlässigen. Sie fühlen sich immer weniger befriedigt – wodurch der Drang nach Sex noch größer wird.

Sexuelle Sucht hat einen ähnlichen Charakter wie Abhängigkeitserkrankungen, etwa Alkohol- oder Drogensucht.

Häufigkeit von Sexsucht

Wie viele Menschen unter Sexsucht leiden, lässt sich schwer abschätzen. Je nach Definition betrifft sie etwa jeden zehnten bis fünfzehnten Erwachsenen – Männer sind deutlich häufiger sexsüchtig als Frauen. 

Die Begriffe Sexsucht und Hypersexualität sind umstritten. Denn der alltagssprachliche Gebrauch der Begriffe Sexsucht und Hypersexualität ist oft leichtfertig und nicht selten sogar falsch. Eine offen gelebte Sexualität ist nicht gleichbedeutend mit Sexsucht. Fachleute sprechen daher meist von einem gesteigerten sexuellen Verlangen, welches zu den sexuellen Funktionsstörungen zählt. Früher bezeichnete man Sexsucht bei Frauen als Nymphomanie, bei Männern als Satyriasis.

Ab wann spricht man von Sexsucht?

Sexsucht bedeutet nicht, gerne häufig Sex zu haben und ihn zu genießen. Im Gegenteil wird der Sex bei Hypersexualität zum Zwang, ohne dass sich ein Gefühl der Befriedigung einstellt.

Typische Anzeichen einer Sexsucht sind, dass

  • die sexuelle Aktivität im Laufe der Zeit immer mehr zunimmt, die Befriedigung aber immer mehr nachlässt,
  • die Gedanken an Sex und die sexuellen Handlungen an sich immer mehr Einfluss auf das übrige Leben nehmen,
  • bei Verzicht auf Sex Gefühle von Angst oder Leere entstehen und
  • der Drang, das sexuelle Verlangen auszuleben, unkontrollierbar wird (fehlende Impulskontrolle).

Betroffene sind fortwährend auf der Suche nach sexueller Erfüllung, erleben aber meist keinen sexuellen Höhepunkt. Gerade diese unbefriedigenden sexuellen Erlebnisse veranlassen den*die Sexsüchtige*n dazu, die Suche beständig fortzuführen.

Sexualität wird zum alles bestimmenden Lebensbereich: Die Betroffenen verwenden große Teile der Freizeit für sexuelle Betätigung. Das Verhalten ist derart auf sexuelle Befriedigung fokussiert, dass sie wichtige soziale oder berufliche Pflichten vernachlässigen.

In vielen Fällen haben Menschen mit Sexsucht eine Vorliebe für anonymen Sex. So suchen sie gezielt Orte auf, die Möglichkeiten für Sexkontakte mit Unbekannten bieten, wie Swinger- oder Saunaclubs. Die Betroffenen besuchen häufig Bordelle oder bieten selbst sexuelle Dienste gegen Geld an. Auch exzessives Masturbieren (Selbstbefriedigung) sowie exzessives Konsumieren von Pornografie, Cyber- oder Telefonsex sind typisch.

Sexsüchtige haben nur selten abweichende Sexualverhalten wie Fetischismus oder sexuellen Sadismus. 

Private Probleme sind häufig die Folge

Sexsüchtige haben sehr häufig wechselnde Sexualpartner*innen, können aber keine innere Bindung zu den jeweiligen Personen aufbauen. Viele Sexsüchtige haben daher schwere Partnerschaftsprobleme. Außerdem ist das Risiko, sich mit Geschlechtskrankheiten zu infizieren, erhöht. Nicht zuletzt kommt es häufig zu finanziellen oder beruflichen Schwierigkeiten, da die Betroffenen zunehmend mehr Zeit und Geld in ihre Sucht investieren.

Die Betroffenen versuchen in der Regel, die Sucht zu verheimlichen. Gerade aufgrund der negativen Folgen ihres Verhaltens bemühen sich Sexsüchtige auch immer wieder, ihre sexuellen Handlungen zu begrenzen. Diese Versuche scheitern meist, weil der Wunsch nach Befriedigung zu stark wird. Hier wird die Zwanghaftigkeit des sexsüchtigen Verhaltens deutlich, da es trotz des enormen Leidensdrucks nicht gelingt, das schädliche Verhalten zu unterlassen.

Kriminelle Handlungen möglich

Neben diesen sexuellen Vorlieben kann es bei einer behandlungsbedürftigen Sexsucht mitunter zu kriminellen Handlungen kommen: Viele Sexsüchtige zeigen voyeuristisches oder exhibitionistisches Verhalten. Manchmal können Zudringlichkeiten wie das Berühren anderer ohne deren Erlaubnis oder das Ausnutzen einer Machtposition im Rahmen einer Sexsucht auftreten. Keinesfalls gilt Sexsucht als Entschuldigung für derartige Handlungen. Jede*r Betroffene muss sich dieser Tatsache bewusst sein und ist für das eigene Verhalten verantwortlich.

Sexsucht tritt häufig gekoppelt mit anderen psychischen Störungen auf. Am häufigsten ist die Kombination von sexuell süchtigem Verhalten mit einer Alkohol- oder Medikamentenabhängigkeit sowie Depressionen.

Sexsucht: Ursachen für Hypersexualität (Hypersexualität)

Die genauen Gründe für Sexsucht sind häufig unklar. Die Ursachen vermutet man in einem Zusammenspiel verschiedener Faktoren.

In manchen Fällen können bestimmte körperliche Krankheiten zu einem gesteigerten sexuellen Verlangen führen, zum Beispiel Tumoren in der Nebennierenrinde. Auch im Rahmen einer psychischen Erkrankung kann der Wunsch nach sexueller Befriedigung außergewöhnlich hoch sein, etwa im Rahmen einer Manie.

Familiäre Faktoren

Häufig finden sich bei Familienangehörigen von Sexsüchtigen ebenfalls unterschiedliche Abhängigkeiten wie Alkoholismus. Dies deutet darauf hin, dass eine genetische Veranlagung für süchtiges Verhalten vorliegt. Bei der sexuellen Betätigung werden im Gehirn Botenstoffe ausgeschüttet, die zu den körpereigenen Opiaten gehören und einen Erregungsanstieg sowie einen sofortigen Stimmungswechsel bewirken (Ängste und Schmerzen werden reduziert). Diese Wirkung wird noch gesteigert, wenn in der sexuellen Situation Angst und Risiko im Spiel sind.

Psychologische Faktoren

In manchen Fällen von Sexsucht (Hypersexualität) waren die Betroffenen als Kind Opfer von Missbrauch – entweder in emotionaler, sexueller oder körperlicher Hinsicht. Als Folgen treten häufig ein starkes Schamgefühl auf sowie Selbstwertprobleme und das Gefühl, die eigene Persönlichkeit sei unvollständig.

Betroffene setzen sexuelle Zwangsvorstellungen und Fantasien häufig im Umgang mit Schwierigkeiten und negativen Gefühlen als primäre Bewältigungsversuche ein. Das sexuelle Verhalten dient dazu, aufgestaute Emotionen auszuleben. Dies hat zunächst eine betäubende Wirkung. Lässt die Betäubung nach, folgen meist starke Schuldgefühle.

Das Gefühl, die eigenen Probleme mit Sex lösen zu können, liegt häufig in der ersten sexuellen Erfahrung begründet. Viele Betroffene berichten von frühen sexuellen Erlebnissen, die als überwältigend intensiv erlebt wurden. In der Schilderung erinnert dies an den Kick, den Drogenabhängige bei ihren ersten Drogenerfahrungen beschreiben. Diese positive Ersterfahrung mit dem Suchtmittel wird immer wieder gesucht, um Unangenehmes zu vergessen. Die erlebte Intensität wird jedoch nicht mehr erreicht, sodass es zu fortwährender Wiederholung und Dosissteigerung kommt.

Was tun gegen Sexsucht?

Ist der Leidensdruck hoch, kann bei Sexsucht eine Psychotherapie sinnvoll sein. Insbesondere die kognitive Verhaltenstherapie kann dabei helfen, Kontrolle über das gesteigerte sexuelle Verlangen zu erlangen. Dabei lernen die Betroffenen schrittweise zu verstehen, wie die Sexsucht zustande kommt und wie sie ihr Verhalten ändern können. Unter Umständen kann es auch hilfreich sein, die Sexsucht mithilfe von Psychopharmaka zu behandeln.

Ein spezifisches Therapiekonzept wird in Deutschland nur in Kliniken mit allgemeinen suchttherapeutischen Schwerpunkten angeboten. Auch in der ambulanten Praxis haben nur wenige Therapeuten Erfahrungen mit der Behandlung der Sexsucht. Liegt neben der Hypersexualität eine weitere psychische Störung vor, sollte diese ebenfalls behandelt werden. Im Fall von Alkoholismus oder Medikamentenabhängigkeit steht deren Therapie zunächst im Vordergrund. Am Anfang ist oft eine stationäre Behandlung notwendig. Da aber die Therapie der Sucht oft mehrere Jahre andauert, erfolgt die Nachbehandlung meist ambulant.

Als generelles Ziel bei der Behandlung von Sexsucht steht im Vordergrund, wieder zu erlernen, Intimität ohne Sexualität zu erleben und negative Gefühle zuzulassen, ohne sie mit Sex zu verdrängen.

Am Anfang der meisten Therapien steht ein längeres Zölibat, eine Zeitspanne, während der keine sexuellen Handlungen mit sich oder anderen erlaubt sind. Die während dieser Zeit erlebten, auftretenden extremen negativen Gefühle werden in der Gruppe mit anderen Betroffenen aufgearbeitet. Ziel ist es, den Süchtigen die Möglichkeit zu geben, zunächst eine gesunde Beziehung zu sich selbst aufzubauen, da dies erst die Beziehung zu anderen und zur Sexualität ermöglicht.

Selbsthilfegruppen

Sexsucht wird meist erst spät erkannt. Häufig schämen sich Betroffene trotz des hohen Leidensdrucks, Hilfe in Anspruch zu nehmen.

In anonymen Selbsthilfegruppen können sich Betroffene austauschen und unterstützen.

    Selbsthilfegruppen / Beratungsstellen:

    Deutschsprachige S.L.A.A. e.V. (Sex and Love Addicts Anonymous)
    The Augustine Fellowship -
    Deutschsprachige S.L.A.A. e.V.
    Postfach 55 04 45
    D-60403 Frankfurt

    Deutschsprachige Anonyme Sexaholiker (AS)
    76002 Karlsruhe
    Postf.1262
    +49-(0)-175-7925113