Ist Ultraschall schädlich fürs Baby?
Die Spannung ist groß: Wie sieht der kleine Mensch wohl aus, der sich noch im Bauch der Mama versteckt? Viele werdende Eltern lassen aus Neugier und als Erinnerung für später ein 3-D- oder 4-D-Ultraschallvideo vom Ungeborenen anfertigen. Doch mit diesem sogenannten „Babykino“ ist ab Ende 2020 Schluss. Die neue Strahlenschutzverordnung verbietet Ultraschall bei Schwangeren, wenn er nicht medizinisch notwendig ist. Die Begründung: Er stellt ein unnötiges Risiko für das Ungeborene dar. Das verunsichert werdende Eltern: Ist Ultraschall in der Schwangerschaft generell schädlich für das Baby?
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Was besagt das neue Gesetz?
"Bei der Anwendung von Ultraschallgeräten zu nichtmedizinischen Zwecken darf ein Fötus nicht exponiert werden", heißt es kurz und knapp in der "Verordnung zur weiteren Modernisierung des Strahlenschutzrechts". Das bedeutet, dass Ärzte und Hebammen keinen Ultraschall mehr ohne medizinische Notwendigkeit machen dürfen. Ansonsten droht ihnen Bußgeld.
Das betrifft allerdings nicht die drei in der Schwangerschaft vorgesehenen Ultraschalluntersuchungen sowie die medizinisch notwendigen CTG-Untersuchungen, die ebenfalls mit Ultraschalltechnik funktionieren. Und auch nicht Fälle, in denen der Arzt einen Verdacht mithilfe eines Ultraschalls abklären möchte.
Video: Ultraschall in der Schwangerschaft
Ultraschall in der Schwangerschaft ist unverzichtbar
Das Gesetz gilt ab 2021, hat aber bereits im Voraus für viel Aufregung gesorgt. Schließlich hat es die Diskussion erneut befeuert, ob Ultraschall dem Baby grundsätzlich schadet oder nicht. Viele werdende Eltern sind verständlicherweise besorgt. Dabei grenzt das Bundesumweltministerium im Gesetzestext eindeutig den medizinisch notwendigen Ultraschall vom Babykino ab: "Ultraschallanwendung zur vorgeburtlichen Diagnostik ist sehr wichtig. Hier wägt der Arzt im Einzelfall den Nutzen gegenüber dem Risiko ab."
Der Ultraschall in der Schwangerschaft ist schließlich unverzichtbar, um zu sehen, ob sich das Baby richtig entwickelt. "Eine Gesundheitsgefährdung gilt bei fachgerechter Anwendung sowohl für die Schwangere als auch für das Kind als ausgeschlossen", heißt es in einer Broschüre des Bundesumweltamtes und des Bundesinstituts für Risikobewertung.
Von nicht medizinisch notwendigem Ultraschall allerdings hat das Baby keinen Nutzen. Als Schutzbefohlenes kann es kein Veto einlegen, so die Argumentation des Bundesumweltamtes. Ein Risiko für das Ungeborene ist dem Bundesumweltamt zufolge bei der Untersuchung nicht vollkommen ausgeschlossen. "Die für die Bildgebung notwendigen hohen Ultraschallintensitäten sind mit einem potenziellen Risiko für das Ungeborene verbunden, insbesondere da mit Beginn der Knochenbildung wesentlich mehr Schallenergie am Knochen absorbiert wird." Aus Vorsorgegründen sollte deshalb auf unnötige Ultraschalluntersuchungen verzichtet werden.
So funktioniert Ultraschall
Egal zu welchem Zweck, die Technik ist bei jedem Ultraschall die gleiche: Ein Schallkopf sendet Signale in den Bauchraum aus. Treffen diese Schallwellen auf Gewebe, werden sie zurückgeworfen. Der Schallkopf registriert die zurückgeschickten Signale und leitet sie weiter an den Rechner, der die Informationen in Bilder umwandelt. Zum Ultraschall gehört auch die Kardiotokografie, das sogenannte CTG, bei dem der Arzt die Herztöne des Kindes und die Wehentätigkeit der Mutter misst.
Dreidimensionale Ultraschallbilder entstehen durch eine Vielzahl hintereinander aufgenommener zweidimensionaler Aufnahmen, die der Computer in ein räumliches Bild umrechnet. Beim 4-D-Ultraschall werden die dreidimensionalen Bilder in Echtzeit dargestellt. Mögliche Auffälligkeiten beim Baby lassen sich in 3- oder 4D manchmal besser erkennen.
Anders als beim Röntgen haben die Schallwellen beim Ultraschall keine schädigende Wirkung auf die Körperzellen.
Ist Ultraschall riskant für das Baby?
Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht. Bislang hat keine Studie ergeben, dass beim Ultraschall eine Gesundheitsgefahr für das Baby besteht. Zu 100 Prozent ausschließen kann man allerdings nicht, dass unter bestimmten Umständen ein Risiko fürs Baby bestehen könnte. Theoretisch könnte die Ultraschallenergie nämlich dazu führen, dass sich das bestrahlte Gewebe erwärmt und sich Bläschen darin bilden. Dies wäre eine potenzielle Gefahr für das Ungeborene.
Allerdings stiege die Temperatur dabei nur um rund einen Grad Celsius an. Das gilt aber nur für den sogenannten gepulsten Doppler-Ultraschall. Bei dieser speziellen Form des Ultraschalls, die besonders schallintensiv ist, lässt sich die Blutströmung in mütterlichen und kindlichen Blutgefäßen darstellen. Er kommt nur selten und nur bei einem begründeten Verdacht zum Einsatz. Zum Beispiel dann, wenn der Verdacht besteht, dass das Kind durch die Plazenta nicht ausreichend versorgt wird.
Um damit einen Temperaturanstieg des Gewebes zu bewirken, müsste der Arzt den Ultraschallkopf minutenlang kontinuierlich auf eine Stelle des Bauches halten, merkt die Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin an – was in der Praxis nicht vorkommt. Moderne Ultraschallgeräte haben zudem eingebaute Kontrollsysteme, die das verhindern.
Auch das "American Institute of Ultrasound in Medicine" weist darauf hin, dass Ultraschall für die medizinische Diagnose als sicher gilt. Dennoch könne die Ultraschallenergie theoretisch eine biologische Wirkung hervorrufen. Um diese möglichen Effekte zu minimieren, sollte der Ultraschall möglichst zeitlich kurzgehalten werden. Doppler-Untersuchungen sollten nur zum Einsatz kommen, wenn wirklich nötig, rät das Institut.
Kommerzielle Anbieter kritisch sehen
Einig sind sich die Experten jedoch, dass von kommerziellen Anbietern von Ultraschall-Aufnahmen ohne medizinischen Hintergrund abzuraten ist. Neben Hebammen und Ärzten bieten nämlich auch medizinische Laien an, Ultraschallvideos und -fotos vom Baby zu erstellen – mit USB-Stick und allem, was dazu gehört. Außerdem gibt es Ultraschallgeräte zum Mieten, mit denen die werdenden Eltern selbst zu Hause Aufnahmen machen können – so oft und so lange sie möchten. Beidem setzt das neue Gesetz bald ein Ende.
Für falsch hält die Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin dagegen die Aussage in der neuen Strahlenschutzverordnung, dass Ultraschall den Fötus gefährden könne. Wenn der Gesetzgeber das "Baby-Fernsehen" durch qualifizierte Ärzte verbieten wolle, hätte er einen anderen Ansatz wählen müssen. Die aktuelle Begründung führe zur Annahme, dass Ultraschall generell ein Risiko darstelle, heißt es in einer Stellungnahme der Gesellschaft.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen Ultraschall und Autismus?
Amerikanische Forscher vermuteten einen Zusammenhang zwischen Ultraschall in der Schwangerschaft und Autismus. Nachweisen konnten sie ihn allerdings nicht. Andere Wissenschaftler sind der Meinung, dass diese Vermutung auf der Beobachtung basiert, dass Autismus im gleichem Maße zugenommen hat wie die Anzahl der Ultraschalluntersuchungen.
Fazit
Ultraschall in der Schwangerschaft ist wichtig – und alternativlos. Viele Fehlbildungen, Entwicklungsstörungen oder Herzfehler, die sonst vor der Geburt unbemerkt blieben, lassen sich mithilfe von Ultraschalluntersuchungen erkennen. Manche davon können noch im Mutterleib behandelt werden oder die Ärzte können sich darauf vorbereiten, nach der Geburt sofort entsprechend zu handeln.
Abgesehen davon stärkt es die Bindung von Mutter zum Ungeborenen, wenn sie sehen kann, wie sich das Kind in ihrem Bauch bewegt. Angesichts der Tatsache, dass immer noch einige Mütter während der Schwangerschaft rauchen und Alkohol trinken, ein wichtiger Faktor.
Sie haben das Recht, auf die drei vorgesehenen Ultraschalluntersuchungen zu verzichten. Es ist jedoch ratsam, die Untersuchungen wahrzunehmen, um mögliche Probleme frühzeitig zu erkennen. Sie müssen sich keine Sorgen machen, dass die Untersuchungen Ihr Kind gefährden. Falls Ihr Frauenarzt einen Verdacht abklären möchte, kann es auch sein, dass er darüber hinaus noch weitere Ultraschall-Untersuchungen machen möchte. Auch diese Ultraschalluntersuchungen sind ungefährlich für Ihr Baby, aber wichtig.
Allerdings sollten Sie darauf verzichten, Ultraschallgeräte für zu Hause auszuleihen und selbst anzuwenden oder zu Anwendern ohne fachärztliche Qualifikation zu gehen. Mit diesen Untersuchungen ist es aber dank des neuen Gesetzes ohnehin bald vorbei.