Schwangerschaft: Jungs führen häufiger zu Komplikationen
Jede Schwangerschaft ist anders: Einige Frauen haben fast gar keine Beschwerden, während andere schon früh unter Morgenübelkeit und Sodbrennen leiden. Die meisten Beschwerden sind zwar harmlos – in manchen Fällen kann es in der Schwangerschaft allerdings auch zu ernsten Komplikationen kommen.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Schwangerschaft: Jungs führen häufiger zu Komplikationen
Aber woran liegt das eigentlich? Spielt es für bestimmte Schwangerschaftskomplikationen vielleicht eine Rolle, ob das ungeborene Baby ein Junge oder ein Mädchen ist?
Diese Frage haben sich auch Forscher der Universität in Adelaide gestellt und mehr als 500.000 Schwangerschaften und Geburten untersucht – mit einem eindeutigen Ergebnis: Bei Jungen kommt es in der Schwangerschaft häufiger zu Komplikationen als bei Mädchen.
Was die Wissenschaftler feststellen konnten:
- Frühgeburten: Männliche Babys haben ein 27 Prozent höheres Risiko für eine Frühgeburt vor der 29. SSW.
- Schwangerschaftsdiabetes: Schwangere, die einen Jungen bekommen, erkranken häufiger an Schwangerschaftsdiabetes.
- Präeklampsie: Ist das ungeborene Kind ein Junge, so haben Frauen ein höheres Risiko, während der Schwangerschaft eine sogenannte Präeklampsie (erhöhter Blutdruck und vermehrte Eiweißausscheidung im Urin) zu entwickeln.
“Es gibt keinen Zweifel: Das Geschlecht des Babys hat einen direkten Einfluss auf den Verlauf der Schwangerschaft”, so die leitende Forschungsbeauftrage Claire Robert vom Robinson-Forschungsinstitut der Universität Adelaide.
Zu ähnlichen Ergebnissen sind auch schon frühere Studien gekommen: So haben zum Beispiel die Wissenschaftler Laura Aibar von der Universitätsklinik Virgen de las Nieves und Gian Carlo Di Renzo von der Universität Perugia in zwei unterschiedlichen Studien festgestellt, dass Jungen häufiger per Kaiserschnitt zur Welt kommen als Mädchen.
Eine neuere Studie aus Cambridge widerspricht der australischen Studie jedoch zumindest in dem letzten Punkt. Dort wollen die Forscher herausgefunden haben, dass nicht Schwangere, die einen Jungen in sich tragen, sondern solche, die ein Mädchen erwarten, ein höheres Risiko haben, eine Präeklampsie zu entwickeln.
Werdende Mütter, die mit einem Mädchen schwanger waren, hatten der Studie zufolge höhere Spermin-Konzentrationen im Blut als Frauen, die einen Jungen erwarteten. Spermin ist eine Substanz, die eine Rolle beim Zellwachstum spielt. Ein höherer Spermin-Pegel im Blut hängen den Forscher zufolge mit einem höheren Risiko für eine Präeklampsie zusammen. Niedrige Spermin-Konzentrationen dagegen mit einer Wachstumsverzögerung des Fötus. Demzufolge haben Jungen also ein höheres Risiko, sich zögerlich zu entwickeln.
Ist die Plazenta verantwortlich?
Die genauen Ursachen für die Unterschiede sind noch unklar. Die australischen Forscher vermuten allerdings, dass die Plazenta eine entscheidende Rolle spielen könnte.
Die Plazenta stellt die wichtigste Verbindung zwischen der Mutter und dem ungeborenen Kind dar: Über sie gelangen Sauerstoff und Nährstoffe zum Babys. Gleichzeitig schützt die Plazentaschranke das Kind vor vielen schädlichen Stoffen aus dem Blut der Mutter.
Auf der anderen Seite wandern aber auch Zellen und Moleküle des Ungeborenen in den Kreislauf der Mutter – und beeinflussen möglicherweise die Funktion der Gene in der Plazenta. Diese Vermutung wird von Wissenschaftlern der Medizinischen Universität Graz unterschützt: „Unsere Untersuchungen haben eindeutig gezeigt, dass die Expression bestimmter Gene stark vom Geschlecht des Fötus beeinflusst wird", erklärt Gernot Desoye, Leiter der Plazenta-Forschungsgruppe.
Was bedeutet das für die Zukunft?
Wie genau das Geschlecht des Kindes die Plazentafunktion und den Verlauf der Schwangerschaft beeinflusst, muss allerdings noch in weiteren Untersuchungen geklärt werden. Umfassendere Erkenntnisse in diesem Bereich könnten dazu führen, dass Ärzte bei den Vorsorgeuntersuchungenzukünftig auch das Geschlecht des Kindes stärker berücksichtigen – um letztendlichüber spezifische Interventionen Schwangerschaftskomplikationen vermeiden zu können.