Zwillinge, Mehrlinge
Zwillinge – Fluch oder Segen? Das fragen sich vermutlich erst einmal alle werdenden Eltern, wenn der Frauenarzt beim Ultraschall verkündet, dass da mehr als ein Embryo heranwächst. Doch eine Zwillings- oder Mehrlingsschwangerschaft bedeutet auch Elternglück im Doppelpack!
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Zwillinge, Mehrlinge
Eine Schwangerschaft mit Zwillingen, Drillingen oder noch mehr Kindern belastet im Vergleich zu einer Einlingsschwangerschaft den Körper der werdenden Mutter deutlich stärker. Bindegewebe, Muskeln, Beckenboden und Rücken müssen mehr Gewicht aushalten, die Haut muss sich mehr dehnen. Da zwei oder mehr Kinder im Mutterbauch heranwachsen, kommen Mehrlinge häufig früher als Einlinge zur Welt. Im Durchschnitt dauert eine Schwangerschaft:
- mit einem Kind: 40 Wochen
- mit Zwillingen: 37 Wochen
- mit Drillingen und mehr: weniger als 37 Wochen
Zwillinge können grundsätzlich auf normalem Weg geboren werden, wenn sich keine Komplikationen ergeben. Drillinge oder mehr werden in der Regel per Kaiserschnitt entbunden. Da Zwillinge und andere Mehrlinge meist früher zur Welt kommen als Einlinge, sind sie oft kleiner und haben ein niedrigeres Geburtsgewicht.
Schwangerschaften mit Zwillingen sind häufiger zu beobachten, ...
- ... wenn die werdende Mutter über 35 Jahre alt ist.
- ... wenn die werdende Mutter bereits Kinder hat.
- ... wenn es in der Familie bereits Zwillinge gibt.
- ... wenn eine Fruchtbarkeitsbehandlung durchgeführt wurde.
- ... nach einer künstlichen Befruchtung.
In Deutschland kommen auf 1.000 Geburten mittlerweile etwa 35 Zwillingsgeburten.
Auch wenn eine Zwillingsschwangerschaft eine erhöhte Belastung in der Schwangerschaft darstellt und auch der Alltag die Eltern vermehrt fordert, so sind Zwillinge doch eine Bereicherung. Die Kinder wachsen gemeinsam auf, können sich schon früh miteinander beschäftigen und haben meistens eine ganz besondere Bindung zueinander. Und mit der richtigen Unterstützung lässt sich auch der Zwillingsalltag organisieren und meistern. Selbst das Stillen von Zwillingen ist möglich, wenn die Mutter eine gute Stillberatung zur Seite hat.
Was genau sind Zwillinge?
Als Mehrlinge werden zwei (Zwillinge) und mehr Babys bezeichnet, die gemeinsam im Mutterbauch heranwachsen.
- Es gibt eineiige (monozygote) und
- zweieiige Zwillinge (dizygote).
- Bei Drillingen und mehr können verschiedene Kombinationen von eineiigen und zweieiigen Babys auftreten.
Eineiige Zwillinge
Eineiige Zwillinge entstehen, wenn eine einzelne befruchtete Eizelle sich in einem sehr frühen Stadium so teilt, dass zwei Zellkerne mit identischem Erbmaterial entstehen. Teilt sich die Eizelle in einem späteren Stadium (selten), kann es zu siamesischen Zwillingen kommen. Meist teilt sich die Eizelle sehr früh, sodass die nun voneinander unabhängigen Embryonen getrennt zur Gebärmutter wandern und sich dort jeweils in einer eigenen Fruchthöhle und mit eigener Plazenta einnisten.
Seltener besitzen eineiige Zwillinge eine gemeinsame Fruchthöhle und Plazenta. In diesem Fall muss die Schwangerschaft besonders überwacht werden, da ein erhöhtes Risiko besteht, dass ein Embryo unterversorgt wird.
Eineiige Zwillinge haben immer das gleiche Geschlecht und sind in ihren Erbanlagen völlig identisch. Demzufolge stimmen sie sowohl körperlich als auch charakterlich weitgehend überein. Untersuchungen an Zwillingspaaren, die aufgrund unterschiedlichster Gründe unmittelbar nach der Geburt getrennt wurden, haben dies belegt.
Zweieiige Zwillinge
Zweieiige Zwillinge entstehen durch die Befruchtung zweier Eizellen, die sowohl aus einem als auch aus beiden Eierstöcken stammen können. Zweieiige Zwillinge haben daher immer eine eigene Fruchthöhle und eine eigene Plazenta. Zweieiige Zwillinge können gleichen oder verschiedenen Geschlechts sein. Sie unterscheiden sich in ihren Erbanlagen und verhalten sich körperlich und geistig wie gewöhnliche Geschwister.
Drillinge & mehr
Drillinge und weitere Mehrlinge können aus einer Kombination aus eineiigen und zweieiigen Embryonen entstehen. Es ist möglich, dass zwei Eizellen befruchtet werden und sich eine dieser Eizellen weiter zu zweieiigen Zwillingen teilt. Es ist auch möglich, dass drei oder mehr einzelne Eizellen befruchtet werden.
Zwillingsschwangerschaft
Eine Zwillingsschwangerschaft wird in der Regel früh per Ultraschall erkannt. Besonders, wenn die Zwillinge getrennte Fruchthöhlen haben, sind diese schon früh gut sichtbar. Bei den drei großen Vorsorgeuntersuchungen wird der Frauenarzt gezielt unter anderem nach einer möglichen Mehrlingsschwangerschaft schauen. Ob es sich um eineiige Zwillinge mit gemeinsamer Fruchthöhle handelt, lässt sich am besten zwischen der 8. und 12. Schwangerschaftswoche feststellen. Spätestens nach der 16. SSW ist das nicht mehr möglich, da getrennte Fruchthöhlen nun auf dem Ultraschall nicht mehr differenzierbar sind.
Frauenärzte achten daher bei der ersten großen Ultraschalluntersuchung besonders sorgfältig darauf, eine Zwillingsschwangerschaft zu erkennen, da die Schwangerschaft mit eineiigen Zwillingen mit nur einer Fruchthöhle besonders risikobehaftet ist.
Grundsätzlich wird jede Schwangerschaft mit Mehrlingen als Risikoschwangerschaft eingestuft. Daher werden Schwangere mit Zwillingen oder mehr häufiger untersucht.
Vorsorgeuntersuchungen
Erwartet eine Frau Zwillinge, Drillinge oder mehr, sind häufigere Vorsorgeuntersuchungen nötig als bei einer normalen Schwangerschaft:
- Bis zur 28. Schwangerschaftswoche erfolgt alle zwei Wochen eine Untersuchung.
- Ab der 28. SSW wird die werdende Mutter jede Woche überwacht.
Bei jedem Vorsorgetermin wird auch kontrolliert, ob bereits der Gebärmutterhals verkürzt oder der Muttermund geöffnet ist.
Ab der 28. Schwangerschaftswoche erfolgt regelmäßig eine Cardiotocographie (CTG), um die Herzaktionen der Babys zu kontrollieren und eventuelle verfrühte Wehen zu erkennen. Zudem kann per Ultraschall eine mögliche Wachstumsverzögerung der Neugeborenen frühzeitig erkannt werden.
Zwillingsgeburt
Ab der 28. Schwangerschaftswoche wird die Schwangere engmaschig ambulant überwacht und bei Komplikationen stationär aufgenommen. Kommen die Zwillinge nicht ohnehin früher zur Welt, wird spätestens ab der 38. Schwangerschaftswoche die Geburt eingeleitet oder ein Kaiserschnitt gemacht, um Risiken im weiteren Verlauf der Schwangerschaft zu vermeiden.
Wenn ein Kaiserschnitt nicht nötig ist, unterscheidet sich die Geburt des ersten Zwillings nicht von der normalen Geburt eines einzelnen Kindes. Wegen der Überdehnung der Gebärmuttermuskulatur tritt aber häufig eine Wehenschwäche auf, was die Gabe von Medikamenten, zum Beispiel Oxytocin-Infusionen, zur Verbesserung der Wehentätigkeit notwendig macht.
Die Geburt des zweiten Zwillings muss innerhalb von 15 bis 20 Minuten nach dem ersten Zwilling erfolgen, da das zweite Kind aufgrund der Gebärmutterverkleinerung und der Gefahr der vorzeitigen Lösung der Plazenta gefährdet ist. Ist der Zwilling nach 20 Minuten nicht geboren, wird er entweder mithilfe einer Saugglocke oder Zange geboren oder, wenn nötig, per Kaiserschnitt.
Liegen die Zwillinge ungünstig, sind besonders klein oder unterentwickelt oder im Gegenteil besonders groß, wird von vornherein ein Kaiserschnitt eingeplant.
Älteren Frauen, die ihre erste Geburt erleben, wird bei Mehrlingsgeburten immer ein Kaiserschnitt empfohlen. Wenn die Schwangerschaft unauffällig verlief, kann bei günstigen Bedingungen aber auch eine Normalgeburt angestrebt werden. Nach der Geburt werden Mutter und Kinder sorgfältig überwacht, um Komplikationen rechtzeitig zu erkennen.
Grundsätzlich ist es sinnvoll, Zwillinge in einer Klinik zur Welt zu bringen, der eine Kinderklinik angeschlossen ist.
Komplikationen
Schwangerschaften mit zwei oder mehr Babys werden grundsätzlich als Risikoschwangerschaften eingestuft. Sie überlasten den mütterlichen Organismus, sodass das Risiko für Komplikationen während Schwangerschaft und Geburt erhöht ist.
Schwangere, die Zwillinge, Drillinge oder mehr erwarten, berichten in der Frühschwangerschaft vermehrt über Schwangerschaftsübelkeit. Sie leiden häufiger unter Gestosen, Bluthochdruckerkrankungen und Blutungen.
Zwillinge und andere Mehrlinge sind – wie andere Frühchen auch – in den ersten Jahren häufig entwicklungsverzögert (sie sprechen und laufen beispielsweise oft später als Gleichaltrige), da sie meist deutlich früher als Einlinge zur Welt kommen. In der Regel holen sie diese Verzögerung aber bis zum Schulalter auf.
Alltag mit Zwillingen
Der Alltag mit Zwillingen, Drillingen oder mehr gestaltet sich gerade zu Beginn sicherlich schwieriger als mit nur einem Kind oder als mit einem Neugeborenen, das ältere Geschwister hat. Bei Mehrlingen müssen die Bedürfnisse von allen Babys befriedigt werden, und häufig kommt es vor, dass der eine Säugling unruhig wird, wenn Sie den anderen gerade zum Schlafen gebracht haben. Zwillingseltern brauchen daher Unterstützung, am besten aus einem guten sozialen Netzwerk von Freunden und Verwandten. Aber auch Unterstützung von außerhalb kann helfen, sich im Alltag mit Zwillingen zurechtzufinden und eine Routine zu entwickeln.
Zwillinge stillen
Stillen mit Zwillingen ist möglich! Es bedarf nur einiger Übung, die Sie am besten mit einer erfahrenen Stillberaterin bekommen. Suchen Sie daher schon in der Schwangerschaft nach jemandem, der Ihnen nach der Geburt beim Stillen zur Seite steht.
Zu Beginn ist es sinnvoll, wenn Sie sich die Zeit nehmen, die Zwillinge einzeln zu stillen. So können Sie sich ganz einem Baby widmen und das Stillen üben – denn das ist sowohl für Mutter als auch für das Baby nötig. Wenn Sie ein bisschen mehr Routine haben (und keine Sorge, die kommt nach ein paar Tagen), können Sie die Zwillinge gleichzeitig anlegen. Dabei gibt es einige sinnvolle und häufig verwendete Stillpositionen:
- die Rückenhaltung,
- die Über-Kreuz-Haltung und
- die Parallelhaltung
Für die Rückenhaltung liegt der Säugling unter ihrem Arm mit dem Gesicht zur Brust und den Füßen zu Ihrem Rücken hin. So können Sie unter jedem Arm – am besten auf einem langen Stillkissen – jeweils ein Kind bequem halten und an der jeweiligen Brust anlegen.
Die Über-Kreuz-Haltung basiert auf der Wiegehaltung für einzelne Kinder. Ein Baby liegt dabei in der normalen Wiegehaltung: mit dem Körper vor der Mutter, der Kopf zeigt zur Brust, an der gestillt werden soll und wird von Ihrem Unterarm gestützt. Das zweite Baby liegt ebenso, nur hinter dem ersten Baby. Sein Kopf wird von Ihrem anderen Unterarm und gestützt, sein Oberkörper liegt auf den Beinen des ersten Babys auf.
Alternativ können Sie die Parallelhaltung verwenden. Hier schauen beide Babys in die gleiche Richtung: eines liegt in der Rückenhaltung, das andere in der Wiegehaltung.
Probieren Sie mithilfe der Stillberaterin aus, was für Sie am bequemsten ist. Und keine Sorge: Auch für Zwillinge reicht die Milch in der Regel aus! Denn je mehr an einer Brust getrunken wird, desto mehr Milch produziert diese.
Tragen
Auch Zwillinge können im Tragetuch getragen werden. Natürlich ist das eine größere Belastung für Ihren Rücken, darum sollten Sie unbedingt sicherstellen, die richtige Tragetechnik zu erlernen. Hierfür bieten viele Hebammenpraxen spezielle Kurse an. Neben speziellen Bindetechniken für Tragetücher gibt es auch fertige Tragehilfen speziell für Zwillinge. Lassen Sie sich dafür am besten in einem Fachgeschäft beraten.
Finanzielles & Organisation
Zwillingseltern sollten sich schon in der Schwangerschaft um ein gutes Netzwerk bemühen, damit nach der Geburt alles reibungslos läuft. Stillberatung und Nachsorgehebamme sind da nur ein Teil des Pakets. Vielen Eltern hilft es, sich über Selbsthilfegruppen mit anderen Zwillingseltern auszutauschen. Schwangerschaftsberatungsstellen beraten außerdem kostenlos über Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung und geben Organisationstipps.
Familien, die in eine finanzielle Notlage geraten sind, können spezielle Unterstützung über die Bundesstiftung "Mutter und Kind" beantragen. Es ist außerdem sinnvoll, sich bei Zwillingen, Drillingen und mehr über gesonderte Unterstützung durch das zuständige Bundesland oder die Kommune zu informieren. In einigen Bundesländern und Kommunen gibt es beispielsweise ein sogenanntes Begrüßungsgeld, wenn Sie Drillinge oder mehr bekommen. Auch diverse Vergünstigungen bei Eintrittspreisen, beim Parken etc. sind mit Mehrlingen möglich.
Deutschlandweit gilt: Bei Zwillingsschwangerschaften beginnt der Mutterschutz sechs Wochen vor der Geburt (wie bei Einlingsschwangerschaften auch). Er endet aber erst zwölf anstelle von acht Wochen nach der Geburt.