5 Dinge, die Liebeskummer mit unserem Körper macht
Von jemandem mit einem gebrochenen Bein erwartet niemand, dass er herumläuft wie immer. Jemand mit Liebeskummer kann auf so viel Verständnis nicht hoffen. Dabei kann Liebeskummer nicht nur psychisch überwältigend sein. Er wirkt sich nachweislich auch auf den Körper aus.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Was macht Liebeskummer mit unserem Körper?
Liebeskummer ist mehr als nur eine seelische Unpässlichkeit oder ein kleiner Kummer, wie der Name glauben macht. Er kann Depressionen, Schlaflosigkeit und Appetitlosigkeit zur Folge haben und auch das Immunsystem in Mitleidenschaft ziehen. Und es gibt nicht einmal ein Medikament, das gegen ihn helfen würde. Eigentlich eine fiese Krankheit also.
Für eine Studie mussten die Probanden, die kürzlich verlassen worden waren, sich ein Bild ihres Ex-Partners anschauen, während sie in einem Magnet-Magnetresonanz-Tomografen waren. Dabei zeigte sich, dass beim Betrachten des Fotos dieselben Hirnregionen aktiv waren, die auch aktiviert wurden, wenn die Forscher den Versuchspersonen Schmerzen am Arm zufügten. Kein Wunder also, dass Liebeskummer körperlichem Schmerz ähnelt.
Dagegen helfen kann, ihn einmal ganz nüchtern biochemisch zu betrachten – und die Gewissheit daraus zu ziehen, dass er früher oder später endet. Das passiert bei Liebeskummer mit unserem Körper:
1. Wir haben Entzugserscheinungen
Verliebt zu sein ist wie ein Drogenrausch. Der Körper stößt in der ersten Phase des Verliebtseins vor allem den umgangssprachlich auch als "Glück-Hormon" bezeichneten Neurotransmitter Dopamin und das Stresshormon Adrenalin aus. Wir befinden uns im Ausnahmezustand: Adrenalin versetzt den Körper in Alarmbereitschaft. Zwar können wir uns unter Adrenalineinfluss nicht recht auf etwas anderes konzentrieren als auf den einen Menschen (auf den es jetzt gerade schließlich am meisten ankommt). Dank Dopamin sind wir damit aber glücklich.
Dopamin spielt auch eine Rolle im Belohnungssystem und bei Süchten. So lässt Kokain den Dopaminspiegel ebenfalls steigen. Liebe macht uns euphorisch – wir sind high. Ewig kann dieser Ausnahmezustand allerdings nicht anhalten, sonst kämen wir im Alltag nicht mehr gut zurecht.
Deshalb kommt in einer Partnerschaft schließlich das Wohlfühlhormon Oxytocin hinzu, das für ein Gefühl der Sicherheit, für Innigkeit und Vertrauen sorgt und Angst und Stress reduziert. Ohne dieses Hormon gäbe es keine langen Bindungen und keine familiäre Treue.
Die Hormonrezeptoren gewöhnen sich an diese hohen Hormon-Dosen. Es ist also nicht verwunderlich, dass der Verlust des geliebten Menschen Entzugserscheinungen auslöst.
Verliebt zu sein und Liebeskummer zu haben – beides ist zunächst Stress für den Körper. Nur dass Verliebtsein positiver Stress ist und sich gut anfühlt. Werden wir verlassen, haben wir Stress ohne die guten Gefühle, und auf die wollen wir natürlich nicht verzichten.
Aber keine Sorge: So wie ein Drogenentzug irgendwann durchgestanden ist, reagiert der Körper irgendwann auch nicht mehr auf den Dopaminentzug. Dabei hilft konsequente Abstinenz von der Person, die wir vermissen. Weniger gut sind Ersatzdrogen wie Alkohol. Sie verschlimmern die Situation eher.
2. Vom Kampfmodus in die Resignation
Bei Liebeskummer sorgen die Stresshormone Noradrenalin und Cortisol für Schlaflosigkeit und Herzrasen. Der Körper reagiert darauf mit steigendem Blutdruck und Puls. Wir sind im Kampfmodus. Forscher nehmen an, dass der Mechanismus dahinter ähnlich ist wie der bei Säugetierjungen, die von ihrer Mutter verlassen wurden. Diese wiederzubekommen ist für das Junge überlebenswichtig. Unseren Ex-Partner wiederzubekommen, scheint uns in dieser Phase ähnlich wichtig zu sein – häufig zum Unverständnis der Außenstehenden.
In dieser Phase des Liebeskummers wollen wir den Verlust des Partners nicht wahrhaben und ihn um jeden Preis zurückgewinnen – wir kämpfen um ihn. Dieser Stress ist körperlich wie seelisch anstrengend.
Haben wir schließlich akzeptiert, dass wir die geliebte Person verloren haben, sinken Dopamin- und Oxytocinspiegel. Gefühle von Glück und Sicherheit sind weg. Depressive Verstimmung ist die Folge. Wir sind verzweifelt, ziehen uns womöglich sozial zurück.
3. Unser Immunsystem fährt runter
Die Stresshormone können das Immunsystem schwächen. Die Anzahl entzündungsfördernder Proteine (sogenannte Zytokine) kann sich erhöhen und die körpereigenen Killerzellen arbeiten nicht mehr so gut. Wir sind anfälliger für Krankheitserreger.
4. Wir verlieren an Gewicht – oder nehmen zu
Wenn der Körper im Kampfmodus ist, ist keine Zeit zum Essen. Die Verdauung läuft langsamer, das Hungergefühl ist unterdrückt.
Hinzu kommt, dass der Bereich des Gehirns, der für Emotionen wie Liebeskummer zuständig ist, sehr nah an jenem liegt, der unser Hungergefühl reguliert und diesen beeinflussen kann. Bauch und Gehirn sind sich also vielleicht räumlich nicht sehr nah, aber untrennbar miteinander verbunden. Magenschmerzen können die Folge sein. Auch wer nach der Trennung eine depressive Phase durchlebt, hat vermutlich keinen großen Appetit.
Ist der erste Schock überwunden, kommt es bei einigen Menschen allerdings zum umgekehrten Phänomen: Sie stopfen zum Trost Eis, Chips und Schokolade in sich hinein. Für den Stressmodus braucht der Körper schließlich viel Energie. Außerdem kurbelt Schokolade die Produktion des Glückshormons Serotonin an, und ein wenig gute Stimmung kann ja jetzt nicht schaden.
Zumal der Serotoninspiegel bei Verliebten ohnehin ähnlich niedrig ist wie bei Menschen mit einer Zwangsstörung. Wissenschaftler erklären sich das so, dass bei Frischverliebten die Psyche ebenfalls im Ungleichgewicht ist. Wie Menschen mit einer Zwangsstörung beschäftigen Sie sich vor allem mit einer Sache – oder in dem Fall eher: einer Person. Bei einer unglücklichen Liebe ist das natürlich kontraproduktiv.
5. Das Herz ist gebrochen – manchmal nicht nur metaphorisch
Ein stechender Schmerz in der Brust, Kurzatmigkeit – was sich anfühlt wie ein Herzinfarkt, kann die Folge eines emotional gebrochenen Herzens sein. „Broken Heart Syndrome“ nennt man es, wenn körperlicher oder psychischer Stress wie Liebeskummer tatsächlich zu einer Funktionsstörung des Herzmuskels führt. Nicht nur Liebeskummer kann Ursache des Syndroms sein, sondern auch große Trauer nach dem Tod eines geliebten Menschen oder andere Stress- und Schocksituationen.
Die Ursachen sind noch nicht endgültig geklärt, jedoch nimmt man an, dass der plötzliche Anstieg der Stresshormone die Symptome auslöst. Da vor allem Frauen in der späten Phase der Wechseljahre betroffen sind, gehen Wissenschaftler davon aus, dass auch der Hormonabfall in dieser Zeit mit ausschlaggebend ist. Dieser Zustand ist ernst zu nehmen und wer betroffen ist, sollte unbedingt medizinisch überwacht werden. Wer ihn überwunden hat, muss aber in der Regel keine Langzeitfolgen befürchten.
Wie nehmen Frauen und Männer Liebeskummer wahr?
Für eine Studie der Binghamtom University in New York baten die Forscher 5.705 Menschen aus 96 Ländern, ihren körperlichen und emotionalen Schmerz nach einer Trennung auf einer Skala von 1 (kein Schmerz) bis 10 (unerträglicher Schmerz) einzuordnen. Das Ergebnis: Mit 6,84 stuften Frauen ihren emotionalen Schmerz etwas höher ein als die Männer mit 6,58 und auch den körperlichen Schmerz empfanden sie mit 4,21 gravierender als die Männer (3,75). Unter psychischen Schmerz fallen Emotionen wie Trauer, Angst und Depressionen. Unter physischen Schmerz fallen Schlaflosigkeit, Panikattacken und Appetitlosigkeit.
Die Anthropologin Helen Fisher beschäftigt sich hauptsächlich mit Liebeskummer und hat viele Bücher zu dem Thema geschrieben. Auch sie ist der Meinung, dass verlassene Frauen stärkere Ausprägungen von Depressionen zeigen, häufiger weinen und an Gewicht verlieren.
Männer leiden eher stumm, versuchen, sich abzulenken, stürzen sich in Affären und versuchen, ihre Trauer mit Alkohol und Drogen zu bekämpfen. Effektiv ist das nicht, denn dafür leiden sie länger. Auch ist das Risiko höher, dass sie sich nach einer Trennung das Leben nehmen.
Der Sinn von Liebeskummer
Liebeskummer braucht kein Mensch. Manch ein Liebeskranker denkt, dass er auf die Liebe gerne verzichtet hätte, wenn er gewusst hätte, wie schmerzlich sie endet. Genau das aber halten einige Wissenschaftler für den Sinn des Liebeskummers. Die erfolgreiche Aufzucht der Kinder gelingt besser, wenn beide Eltern beteiligt sind. Menschenkinder brauchen allerdings Zeit, bis sie selbstständig sind. Es macht also Sinn, dass die Fortpflanzungspartner zumindest so lange zusammenbleiben. Wer nun bereits die Erfahrung gemacht hat, wie schmerzhaft eine Trennung ist, wird seinen Partner so schnell nicht verlassen, so die Theorie.
Nicht nur Menschen kennen Liebeskummer
Aber nicht nur Menschen kennen Liebeskummer. Präriewühlmäuse leben – anders als Bergwühlmäuse – in lebenslangen Paarbeziehungen zusammen. In ihrem Blut fanden Wissenschaftler mehr des Bindungshormons Oxytocin als bei ihren Verwandten aus den Bergen. Allerdings neigen die Präriewühlmausmännchen dazu, auf Futtersuche kurze Affären mit anderen Weibchen einzugehen. Für einen Versuch ließ der Neurobiologe Oliver Bosch, Professor an der Universität Regensburg, die Wühlmausweibchen in der Zeit ihrer Abwesenheit aus dem Nest verschwinden. Kehrten die Männchen zurück, war das Nest leer. Die Männchen verfielen nun in Antriebslosigkeit und depressionsartige Zustände – sie hatten ganz offensichtlich Liebeskummer.
Das hilft gegen Liebeskummer
Es wäre zu schön, aber nein, eine Pille gegen Liebeskummer gibt es leider nicht. Obwohl: In einer Studie bekamen liebeskranke Probanden Schmerzmittel – und die zeigten in der Tat Wirkung. Einfach eine Schmerztablette nehmen, wenn das Herz weh tut?
Die Wissenschaftler stellten jedenfalls fest, dass die tägliche Einnahme von Paracetamol die wahrgenommene Stärke sozialer Zurückweisung mildert. Im MRT zeigte sich, dass auch die zugehörigen Hirnregionen weniger aktiv waren. Dennoch sollten wir nicht auf Schmerzmittel als Therapie setzen, sondern uns lieber mit dem Schmerz auseinandersetzen, um ihn zu verarbeiten.
Psychologisch gesehen ist Liebeskummer eine Anpassungsstörung. Das bedeutet: Eine belastende Veränderung im Leben kann Depressionen und Ängste zur Folge haben. Das kann Arbeitslosigkeit sein, der Tod eines geliebten Menschen – oder eben auch eine Trennung. Diesen Zustand sollten wir ernst nehmen und uns Hilfe holen, wenn wir das Gefühl haben, damit allein nicht fertig zu werden.
Wer unter Liebeskummer leidet, glaubt häufig, die Trauer werde niemals vergehen. Für Außenstehende ist das oft nicht nachzuvollziehen. Sätze wie: „Es war eben nicht der/die Richtige“ und „Du lernst jemand Besseren kennen“ mögen stimmen, helfen in der Situation jedoch nicht. Auch, weil die oben genannten biochemischen Vorgänge hinter den Emotionen stecken und sich nicht mit Argumenten wegzaubern lassen.
Manchmal dauert es nur wenige Wochen, selten gar Jahre, sicher aber ist: Liebeskummer vergeht. Die Zeit sollten wir nutzen, um zu heilen. Wer den Liebeskummer nur verdrängt, hat vermutlich länger daran zu knabbern. Wer sich aber um sich selbst kümmert, es schafft, die Erfahrung anzunehmen und daraus für sich selbst zu lernen, kann daraus gestärkt hervorgehen. Und danach vielleicht tatsächlich denjenigen finden, der besser zu ihm passt.