Erste Health Academy: Eierstockkrebs – die stille Gefahr verstehen
Eierstockkrebs ist zwar selten, aber tückisch: Er geht mit unspezifischen Beschwerden einher und wird deswegen oft erst spät entdeckt. Umso wichtiger ist es, über die Krebserkrankung aufzuklären. Genau das war der Anlass der "Health Academy" – einer Infoveranstaltung der FUNKE Mediengruppe.
"Eierstockkrebs – Die stille Gefahr verstehen" – unter diesem Motto fand am 30. Juli zum ersten Mal die Health Academy der Funke Mediengruppe in Hamburg statt. Ziel war es, über das Krankheitsbild aufzuklären und es stärker in den Fokus der Aufmerksamkeit zu rücken. Für die Teilnahme an der Informationsveranstaltung konnten sich Interessierte im Vorfeld kostenlos online anmelden.
Als Expertinnen waren Prof. Dr. Barbara Schmalfeldt und Andrea Krull eingeladen. Prof. Barbara Schmalfeldt ist Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe und Direktorin der Klinik und Poliklinik für Gynäkologie am Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. Andrea Krull ist 1. Vorsitzende des Vereins Gynäkologische Krebserkrankungen Deutschland e. V. mit dem Schwerpunkt Eierstockkrebs. 2013 erkrankte sie selbst an Eierstockkrebs und konnte daher von ihrem persönlichen Umgang mit der Diagnose berichten. Die Mikrobiologin und Medizinredakteurin Dr. Andrea Bannert führte als Moderatorin durch den Nachmittag.
Eierstockkrebs macht sich erst spät bemerkbar
Im ersten Teil der Veranstaltung führte Prof. Dr. Schmalfeldt die Anwesenden zunächst in die Thematik sein. Welche Funktion haben die Eierstöcke genau? Wie entsteht Krebs? „Es handelt sich um ein ganz aktives und zentrales Organ der Frau, doch wie in anderen Organen können auch dort Zellen entarten und Krebs entstehen. Dieser geht meistens von der Oberfläche aus.“ Eierstockkrebs sei dabei laut der Expertin besonders heimtückisch, da er sich über lange Zeit nicht bemerkbar mache. „Die Eierstöcke liegen in der Bauchhöhle, wodurch der Krebs viel Platz hat, um zu wachsen.“
Erst in späten Stadien kommt es zu unspezifischen Beschwerden wie häufigem Wasserlassen, ungewollter Gewichtsabnahme, Verdauungsbeschwerden, Blähungen, körperlicher Abgeschlagenheit, einer Zunahme des Bauchumfangs oder Schmerzen beim Geschlechtsverkehr. Auch Frau Krull bestätigte, dass sie unter derartigen unspezifischen Symptomen litt. „Das hätte mich stutzig machen sollen, aber ich habe das im Alltag nicht gesehen.“
Doch Eierstockkrebs sei nicht nur aufgrund der unspezifischen Beschwerden "heimtückisch". Die Diagnose sei durch zusätzliche Faktoren erschwert. „Man sieht diesen Krebs beim Ultraschall schlecht, da er oft nicht so große Tumoren macht, sondern ganz kleine punktförmige Absiedelungen.“ Zwar gibt es die Möglichkeit einer Früherkennungsuntersuchung mit Ultraschall. Diese habe aber wenig Nutzen und sei nicht vergleichbar mit der Mammographie, welche bei der Früherkennung von Brustkrebs eine entscheidende Rolle spielt, so die Expertin.
Die Empfehlung der Expertinnen ist daher bereits zu Beginn der Veranstaltung klar: Wer selbst an derartigen Beschwerden leidet, sollte diese frühzeitig abklären lassen.
Früherkennung erhöht die Heilungschancen
Mit 7.000 Neuerkrankungen pro Jahr ist Eierstockkrebs zwar selten, aber für Betroffene ein schweres Schicksal. Frau Krull gilt heute als vollständig geheilt. Doch generell sind die Chancen auf Heilung gering, wie Prof. Dr. Schmalfeldt ausführte. „Nach fünf Jahren sind nur noch 44 Prozent der Patientinnen, die eine fortgeschrittene Erkrankung haben, am Leben.“
Die 5-Jahre-Überlebensrate kann jedoch laut der Expertin drastisch erhöht werden, wenn Eierstockkrebs in einem frühen Stadium entdeckt wird. „Doch das ist mit den bildgebenden Verfahren, die wir haben, schwierig. 73 Prozent der Diagnosen werden daher erst im späten Stadium gestellt.“
Eine Möglichkeit, um ein erhöhtes Risiko für Eierstockkrebs festzustellen, kann ein Gentest sein. Denn neben Risikofaktoren wie einem zunehmenden Lebensalter, Unfruchtbarkeit oder einem frühen Eintritt der Wechseljahre spielt eine erbliche Veranlagung eine große Rolle bei der Entstehung der Krankheit.
[Anzeige] Was heißt es, eine genetische Veranlagung für Eierstockkrebs zu haben und warum kann es sinnvoll sein, sich testen zu lassen? Diesen Fragen widmete sich Prof. Dr. Schmalfeldt im Hauptteil der Veranstaltung anschaulich mit Hilfe der Webseite www.wegweiser-eierstockkrebs.de.
Genetische Veranlagung als Risikofaktor
Eine genetische Veranlagung, wie Mutationen in den BRCA1- oder BRCA2-Genen, erhöht das Risiko, an Eierstockkrebs zu erkranken. „Nicht jede Frau mit einer solchen Mutation wird zwangsläufig erkranken, aber das Risiko ist erhöht.“ Besonders bei familiärer Vorbelastung kann ein Gentest in einem spezialisierten Zentrum helfen, mögliche Risiken frühzeitig zu erkennen.
Im Zusammenhang damit erklärte Prof. Dr. Schmalfeldt auch die homologe Rekombinationsdefizienz (HRD), eine Schwäche im DNA-Reparaturmechanismus der Zellen, die eng mit genetischen Veranlagungen wie BRCA-Mutationen verbunden ist. Dieser Defekt erhöht das Risiko, dass sich Krebszellen entwickeln.
HRD kann Schwachstelle des Tumors sein
Prof. Dr. Schmalfeldt führte aus, dass etwa die Hälfte aller Patientinnen eine HRD haben. Diese fördert aber nicht nur die Entstehung einer Krebserkrankung. Sie kann zugleich eine Schwachstelle des Tumors sein, an der eine individuelle zielgerichtete Therapie ansetzen kann.
Die zielgerichtete Therapie stellt neben Operationen und Chemotherapie eine dritte Säule der Behandlung dar, wie die Expertin erläuterte. Die Behandlung nutzt gezielt die Schwachstelle der Krebszellen aus, indem weitere DNA-Schäden provoziert und die ohnehin schon beeinträchtigte Reparaturfähigkeit der Zellen überfordert werden. Das führt dazu, dass die Krebszellen absterben, während gesunde Zellen, die diesen Defekt nicht haben, weitgehend unbeschadet bleiben. Die abschließende Empfehlung der Expertin lautet daher: „Sprechen Sie Ihre Ärztin oder Ihren Arzt auf eine HRD-Testung an.“
Hilfe in Anspruch nehmen
Die Ausführungen der Expertin wurden an passenden Stellen durch Frau Krull ergänzt, die von ihren Erfahrungen mit der Krankheit berichtete. Darauf angesprochen, was ihr als erstes durch den Kopf geschossen war, als sie die Diagnose erhalten hat, antwortete sie: „Damals war die Forschung noch nicht so weit und ich dachte, ich muss sterben.“ Schwierig war für sie auch der Umstand, dass es keine Selbsthilfegruppen zu der Zeit gab. Kraft habe ihr ihr damaliger Arzt gegeben, der sie gut durch die Behandlung begleitet hätte – und auch ihr Einsatz für andere betroffene Frauen.
Hervorgehoben wurde diesbezüglich die von ihr ins Leben gerufene Aktion "Grüne Socken". Die Strickaktion ist eine dauerhafte Initiative ihres Vereins und soll Aufmerksamkeit für die Krankheit schaffen und betroffene Frauen unterstützen.
Frau Krull ist es ein besonderes Anliegen, anderen Frauen und Angehörigen Mut zu machen. Ihr Rat: Sich mit anderen Menschen offen über unspezifische persönliche Beschwerden austauschen, rechtzeitig ärztlichen Rat einholen und auch eine Selbsthilfegruppe aufsuchen oder psychologische Hilfe in Anspruch nehmen.
Denn die Diagnose Eierstockkrebs geht in der Regel mit einem starken seelischen Druck einher. Psychoonkologische Unterstützung kann daher bei der Bewältigung der Krankheit eine entscheidende Stütze sein. Viele Betroffene wüssten nicht, dass sie ein Anrecht auf eine psychoonkologische Betreuung haben.
Abschlussdiskussion rundete den Nachmittag ab
Im Anschluss an die Ausführungen der Expertinnen hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, Fragen zu stellen und miteinander ins Gespräch zu kommen. Insbesondere der Umstand, dass es trotz vielen Fortschritten in der Forschung bislang nach wie vor keine gesetzlich vorgeschriebene Früherkennung für Eierstockkrebs gibt, wurde rege diskutiert.
Es bleibt daher entscheidend, das Bewusstsein für diese Erkrankung in der Bevölkerung weiter zu schärfen. Die Health Academy konnte dazu einen wertvollen Beitrag leisten.