Frühgeburt
Von einer Frühgeburt spricht man, wenn das Baby vor Vollendung von 37 Schwangerschaftswochen lebend zur Welt kommt, also vor der 38. SSW. In Deutschland kommen etwa 7 von 100 Kindern als Frühchen zur Welt. Erfahren Sie alles über mögliche Anzeichen und Komplikationen.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Allgemeines
Das Frühgeburts-Risiko lässt sich mit einfachen Mitteln senken: Nehmen Sie als Schwangere die regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen wahr, verzichten Sie auf Nikotin, Alkohol und Drogen und versuchen Sie, Stress zu vermeiden.
Zeigen sich dennoch Anzeichen einer Frühgeburt, so muss die werdende Mutter im Krankenhaus überwacht und wenn nötig behandelt werden. Ob eine Entbindung eingeleitet oder therapeutisch hinausgezögert wird, hängt vom Gesundheitszustand von Mutter und Kind sowie von der Schwangerschaftswoche ab und wird individuell entschieden.
Eine drohende Frühgeburt kann sich unter anderem durch Beschwerden wie vorzeitiges Einsetzen der Wehentätigkeit, vorzeitigen Blasensprung sowie Blutungen bemerkbar machen. Die Ursachen für eine Frühgeburt sind vielfältig und können häufig nicht eindeutig geklärt werden. Mögliche Risikofaktoren beziehungsweise Auslöser sind zum Beispiel Infektionen der Geburtswege, chronische Erkrankungen der Mutter wie Diabetes mellitus, Störungen der Plazenta, Anomalien und Erkrankungen der Gebärmutter oder Fehlbildungen des Kindes.
Definition
Eine Frühgeburt ist laut Definition die vorzeitige Entbindung eines lebenden Kindes vor der 38. Schwangerschaftswoche (SSW), also bevor 37 Schwangerschaftswochen vollendet sind. Häufig wird bei dieser Definition auch das Geburtsgewicht mit 500 bis 2.500 Gramm genannt – diese Angabe ist aber variabel, da auch zum errechneten Zeitpunkt geborene Kinder ein niedriges Geburtsgewicht haben können.
Etwa 7 von 100 Kindern kommen in Deutschland als Frühchen zur Welt.
Außerdem unterscheidet man
Anzeichen
Einige Anzeichen einer Frühgeburt können Sie als werdende Mutter selber feststellen. Das deutlichste Anzeichen einer drohenden Frühgeburt ist das vorzeitige Einsetzen der Wehen. Hier sollte man jedoch bedenken, dass viele Frauen schon frühzeitig sogenannte Vorwehen verspüren. Beobachten Sie daher die Wehentätigkeit. Dauert diese länger als eine Stunde an, kommen die Wehen im Abstand von fünf bis zehn Minuten und dauert eine Wehe länger als 30 Sekunden an, sollten Sie Ihre Hebamme oder Ihren Arzt verständigen und eine Klinik aufsuchen.
Im unteren Teil des Rückens kann außerdem ein Ziehen zu spüren sein und das Gewicht des Kindes kann nach unten drücken. In etwa 30 Prozent der Fälle platzt die Fruchtblase (vorzeitiger Blasensprung). Auch Blutungen können auf eine beginnende Frühgeburt hindeuten.
Bei der Untersuchung durch Arzt oder Hebamme kann außerdem festgestellt werden, ob der Muttermund bereits geöffnet ist. Dies kann auf eine Zervixinsuffizienz hinweisen. Unter einer Zervixinsuffizienz versteht man die Eröffnung und Erweichung des Muttermunds bei gleichzeitiger Verkürzung des Gebärmutterhalses.
Suchen Sie bei den ersten Anzeichen einer drohenden Frühgeburt eine Klinik auf – häufig kann bei einer schnellen Behandlung die Geburt noch hinausgezögert werden!
Diagnose
Die Diagnose einer drohenden Frühgeburt ergibt sich aus Symptomen wie
- dem Einsetzen vorzeitiger Wehen,
- Springen der Fruchtblase oder
- Öffnung und Erweichung des Muttermunds bei gleichzeitiger
- Verkürzung des Gebärmutterhalses (Zervixinsuffizienz).
Oft ergeben sich aus dem Gespräch mit der Schwangeren und aus der Untersuchung auch Hinweise auf die auslösenden Faktoren.
Um die Diagnose zu stellen, wird die werdende Mutter zunächst gründlich untersucht. So prüfen Arzt oder Hebamme unter anderem die Weite des Muttermunds und ob die Fruchtblase bereits gesprungen ist.
Mithilfe einer Ultraschalluntersuchung werden die Lage des Kindes, die Fruchtwassermenge und der Sitz der Plazenta kontrolliert; treten Blutungen auf, kann man mithilfe des Ultraschalls möglicherweise die Ursache feststellen. Zudem gibt der Ultraschall Aufschluss über Größe und Gewicht des Ungeborenen. Mithilfe des CTG (Kardiotokographie bzw. Kardiotopographie) werden zudem die Häufigkeit der Wehen und die Herztöne des Babys kontrolliert.
Außerdem kann der Arzt einen Fibronektion-Test machen. Hierfür nimmt er einen vaginalen Abstrich und untersucht diesen auf fetales Fibronektin. Fetales Fibronektin ist ein Stoff, der sich zwischen Gebärmutter und Fruchtblase befindet. Wenn sich der Körper der Mutter auf die Geburt vorbereitet, wird das Fibronektin frei und gelangt in die Scheide. Wenn fetales Fibronektin im Abstrich nachgewiesen werden kann, ist das ein klares Zeichen für die bevorstehende Geburt. Wird andererseits kein fetales Fibronektin nachgewiesen, kann eine Frühgeburt mit 99,2-prozentiger Sicherheit ausgeschlossen werden.
Der Fibronektin-Test kann also ...
- bei positivem Ergebnis eine Fehlgeburt nachweisen, auch wenn keine weiteren Symptome bestehen.
- bei negativem Ergebnis eine Fehlgeburt ausschließen, auch wenn andere Symptome dafür sprechen würden.
Ursachen
Grundsätzlich kann man zwischen zwei Arten der Frühgeburt unterscheiden:
- spontane Frühgeburt aufgrund vorzeitiger Wehen oder Blasensprung
- medizinisch eingeleitete Frühgeburt (z.B. Aufgrund von Komplikationen in der Schwangerschaft)
Die Ursachen für eine spontane Frühgeburt sind vielfältig. In etwa 40 Prozent der Fälle kann nicht eindeutig geklärt werden, aus welchem Grund eine Frühgeburt erfolgte. Vielmehr liegt häufig eine Kombination mehrerer Faktoren vor.
Erkrankungen der Mutter oder des Kindes können ebenso Ursache einer Frühgeburt sein wie Veränderungen der Gebärmutter oder der Plazenta sowie ungünstige äußere Einflüsse.
Ursachen beziehungsweise Risikofaktoren für eine Frühgeburt können zum Beispiel sein:
- akute aufsteigende (aszendierende) Infektionen der Geburtswege
- schwangerschaftsbedingte, mit hohem Blutdruck einhergehende (hypertensive) Erkrankungen (Gestose)
- Anomalien und Erkrankungen der Gebärmutter (uterine Ursachen) wie gutartige Tumore (Myome) oder Fehlbildungen, Eröffnung und Erweichung des Muttermunds bei gleichzeitiger Verkürzung des Gebärmutterhalses (Zervixinsuffizienz)
- Plazentainsuffizienz: Störung des Stoffaustauschs zwischen Mutter und Kind, z.B. durch vorzeitige Ablösung oder falsche Lage der Plazenta
- Komplikationen von Seiten des Kindes wie z.B. Infektionen, Fehlbildungen, Chromosomenanomalien oder eine verzögerte Entwicklung
- Mehrlingsschwangerschaften
- vorausgegangene Fehlgeburt bzw. Frühgeburten oder Schwangerschaftsabbrüche
- chronische Erkrankungen der werdenden Mutter wie Diabetes mellitus, Nierenerkrankungen, Schilddrüsenunterfunktion oder -überfunktion u.a.
- ungünstige gesundheitsschädigende Lebensgewohnheiten der werdenden Mutter wie übermäßiger Konsum von Nikotin, Alkohol oder Drogen
Darüber hinaus können auch sozioökonomische Faktoren eine Rolle spielen. So kommt es bei werdenden Müttern unter 18 Jahrensowie über 35 Jahren eher zu einer Frühgeburt. Psychischer Stress kann ebenfalls eine Frühgeburt begünstigen.
Was kann man tun?
Das Vorgehen bei einer drohenden Frühgeburt hängt im Wesentlichen von dem gesundheitlichen Zustand von Mutter und Kind ab. Daher wird im Einzelfall entschieden, ob die Schwangerschaft erhalten oder die Geburt eingeleitet beziehungsweise zugelassen wird.
Suchen Sie bei den ersten Anzeichen einer drohenden Frühgeburt eine Klinik auf – häufig kann bei einer schnellen Behandlung die Geburt noch hinausgezögert werden!
Ist das Kind bereits so weit entwickelt, dass es gute Überlebenschancen hat, kann die Geburt zugelassen werden. Eine Geburtseinleitung ist unter bestimmten Umständen, zum Beispiel bei frühzeitigem Blasensprung, notwendig.
Schwangerschaft erhalten
Wird versucht, eine Frühgeburt zu vermeiden und die Schwangerschaft zu erhalten, muss sich die werdende Mutter unbedingt schonen und Bettruhe einhalten. Zusätzlich wird Magnesium verabreicht, um die Wehen abzuschwächen oder ganz einzudämmen. Erkrankungen der Mutter, die möglicherweise das Frühgeburtsrisiko erhöhen, müssen behandelt werden.
Lassen die Wehen nicht nach, werden wehenhemmende Wirkstoffe, wie zum Beispiel Beta-Sympathomimetika (u.a. Fenoterol) oder Oxytocin-Antagonisten (u.a. Atosiban), eingesetzt.
Um die Lungenreife beim Kind zu beschleunigen, wird häufig das Glukokortikoid Betamethason verabreicht.
Ist der Muttermund bereits geöffnet und liegt zugleich eine Verkürzung des Gebärmutterhalses (Zervixinsuffizienz) vor, kann der Muttermund bis zur 28. Schwangerschaftswoche (SSW) mithilfe einer so genannten Cerclage mechanisch verschlossen werden. Hierbei wird der Muttermund mit einer Fadenschlinge verschlossen, die bei der Geburt wieder geöffnet wird.
Ab der 35. SSW wird in der Regel nicht mehr versucht, die Schwangerschaft zu erhalten, da das Baby nun weit genug entwickelt ist, um zur Welt zu kommen.
Frühgeburt zulassen / einleiten
Wenn das Baby bereits weit genug entwickelt ist (spätestens ab der 35. SSW), kann bei einer drohenden Frühgeburt die Geburt zugelassen beziehungsweise eingeleitet werden. Letzteres ist beispielsweise nötig, wenn die Fruchtblase bereits geplatzt ist, der Muttermund sich aber nicht öffnet oder die Wehen nicht einsetzen. Auch bei einer Plazentaablösung, einer schweren Präeklampsie oder bereits weit geöffnetem Muttermund wird die Geburt zugelassen oder eingeleitet beziehungsweise wenn nötig ein Kaiserschnitt vorgenommen.
Wenn die Geburt eingeleitet werden muss, wird Oxytocin verabreicht, um die Wehen zu fördern.
Der Kopf eines Frühchens ist noch sehr weich, daher wird bei einer Frühgeburt häufig ein Dammschnitt durchgeführt, um den Druck auf den Kopf möglichst gering zu halten.
Wie geht es weiter?
Nach der Frühgeburt kann sich das Frühchen im Brutkasten (Inkubator) von den Strapazen erholen. Im Brutkasten werden Temperatur und Luftfeuchtigkeit konstant gehalten und die Luft mit Sauerstoff angereichert. Außerdem ist das noch anfällige Immunsystem des Neugeborenen hier gut geschützt. Durch spezielle Eingriffe ist es möglich, Körperkontakt zum Frühchen aufzunehmen.
Frühchen, die vor der 32. Schwangerschaftswoche (SSW) zur Welt kommen, können Milch häufig noch nicht richtig verdauen. Daher werden sie zunächst mit einer Mischung aus Zucker und Wasser ernährt. Da die Muttermilch wichtige Nährstoffe in hoher Konzentration enthält, bekommt das Frühchen diese, sobald es sie gut vertragen kann.
Eine Frühgeburt ist immer mit einer hohen Belastung für Mutter und Kind verbunden. Um die emotionale Bindung zwischen Baby und Eltern zu unterstützen und dem Frühchen bei der Stressbewältigung zu helfen, wird in vielen Kliniken der Körperkontakt gefördert, indem das Neugeborene für einige Stunden am Tag nur mit einer Windel bekleidet oder von Decken umhüllt auf die unbekleidete Brust oder den Bauch von Mutter oder Vater gelegt wird (sog. Känguru-Methode).
Wann das Baby nach Hause darf, hängt davon ab, wie es sich entwickelt, ob es selbstständig trinken kann und ob Komplikationen bestehen.
In der Regel gilt sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt der Mutterschutz. Bei einer Frühgeburt verlängert sich die Zeit nach der Geburt auf zwölf Wochen. Außerdem wird die Zeit, die vor der Geburt nicht in Anspruch genommen werden konnte, hinzu gerechnet.
Komplikationen
Eine Frühgeburt kann Komplikationen für Mutter und Kind mit sich bringen. Je nach Alter des Neugeborenen sind seine Organe möglicherweise nicht vollständig ausgereift. Insbesondere die Lungen und das zentrale Nervensystem (ZNS) sind häufig noch nicht voll entwickelt.
Etwa ab der 35. Schwangerschaftswoche (SSW) wird Surfactant gebildet, eine Substanz im Lungengewebe des Ungeborenen, welche die Entfaltung der Lunge nach der Geburt erleichtert und den Schutz und die Reinigung der Atemwege unterstützt. Bei Frühchen ist diese Substanz häufig noch nicht oder in zu geringer Menge vorhanden. Daher wird bei einer drohenden Frühgeburt häufig die Bildung von Surfactant durch Glukokortikoide gefördert, um die Lungenreifung zu beschleunigen.
Mithilfe des Brutkastens können nach der Frühgeburt Störungen der Temperaturregulation, Infektionen und Unterkühlung (Hypothermie) vermieden beziehungsweise eingedämmt werden.
Häufig sind auch die Nieren des Frühchens nicht ausreichend entwickelt. Dies kann zu einer Störung im Elektrolyt-Haushalt führen, wodurch wiederum verschiedene Stoffwechsel-Vorgänge beeinträchtigt werden können. Der Elektrolyt-Haushalt des Frühchens wird daher genau beobachtet.
Da der Magen-Darm-Trakt häufig noch nicht vollständig entwickelt ist und der Saug- und Schluckreflex oft noch nicht eingesetzt haben, haben einige Frühchen Probleme mit der Ernährung und der Verdauung. Es kann daher nötig sein, das Neugeborene mithilfe einer Sonde zu ernähren und ihm zunächst eine Mischung aus Zucker und Wasser anstelle von Muttermilch oder Flaschenmilch zu geben. Sobald es die Muttermilch verträgt sollte es diese aber auch erhalten, da sie wichtige Nährstoffe enthält und das Immunsystem unterstützt.
Bei Frühchen kommt es außerdem, wie bei einigen Normalgeborenen auch, häufig zu einer Neugeborenen-Gelbsucht. Es handelt sich dabei um eine meist harmlose Gelbfärbung der Haut, die dadurch zustande kommt, dass Bilirubin, ein Abbauprodukt von Hämoglobin, in der Haut eingelagert wird. Die Neugeborenen-Gelbsucht lässt nach einigen Tagen von selber nach, wenn das Enzym, das Bilirubin abbaut, in ausreichender Menge produziert wird. Durch eine Phototherapie kann dieser Vorgang beschleunigt werden.