Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) in der Gynäkologie
Wer beim Frauenarzt zum ersten Mal mit dem Begriff individuelle Gesundheitsleistungen (kurz IGeL) konfrontiert wird, ist meist überfordert. Denn die IGeL in der Gynäkologie umfassen eine Reihe von Untersuchungen und Diagnosen, die man als medizinischer Laie oft gar nicht kennt. Auch Untersuchungen zur Krebsvorsorge sind dabei.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Überblick
Doch was sind individuelle Gesundheitsleistungen genau? Sind sie für die Krebsvorsorge wichtig, und wenn ja, warum werden die Kosten nicht von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen? Kann man mit den IGeL noch besser gegen Krebs vorsorgen?
Zu den individuellen Gesundheitsleistungen zählen Untersuchungen und Diagnosen, deren Kosten Ihre Krankenkasse nicht übernimmt, wenn sie gesetzlich versichert sind – Sie müssen also selbst dafür aufkommen.
Gesetzliche Krankenkassen übernehmen Kosten für medizinische Maßnahmen nur, wenn sie bestimmte, per Gesetz definierte Bedingungen erfüllen: Sie müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein. Untersuchungen und Diagnosen, die "darüber hinausgehen", also das Maß des Notwendigen überschreiten, fallen nicht in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen und werden als individuelle Gesundheitsleistungen abgerechnet.
Dabei handelt es sich zum einen um Zusatzuntersuchungen, die weder der Krankenbehandlung noch der Früherkennung dienen: spezielle Impfungen vor Urlaubsreisen oder kosmetische Operationen, wie das Entfernen einer Alterswarze, sind Beispiele für IGeL. Zum anderen gehören aber auch Maßnahmen zur Früherkennung und Krebsvorsorge dazu, die bislang vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) nicht positiv bewertet wurden. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist das oberste Bundesgremium aus Vertretern von Ärzten, Zahnärzten, Kliniken und Krankenkassen, das über die Aufnahme von medizinischen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung entscheidet.
Für eine negative Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss kann es verschiedene Gründe geben:
- Es gibt Studien, die zeigen, dass eine Untersuchung keinen medizinischen Nutzen hat.
- Es gibt keine aussagekräftigen Studien, die die Wirksamkeit einer Maßnahme belegen.
- Eine Bewertung von individuellen Gesundheitsleitungen durch den Gemeinsamen Bundesausschuss wurde nicht beantragt.
Bei einem Großteil der Leistungen, die zu den IGeL gehören, steht eine Bewertung durch den G-BA noch aus.
Zusätzliche Krebsvorsorge beim Frauenarzt
Neben einigen Krebsfrüherkennungsuntersuchungen, deren Kosten von den Krankenkassen übernommen werden, gibt es zusätzliche Untersuchungen zur Krebsvorsorge, die vom Frauenarzt als individuelle Gesundheitsleistungen angeboten werden.
In solchen Fällen ist die Entscheidung nicht immer leicht: Soll man die zusätzliche Krebsvorsorge in Anspruch nehmen und die anfallenden Kosten aus eigener Tasche zahlen? Oder hat man nicht mit den Vorsorgeuntersuchungen, die im Leistungspaket der gesetzlichen Krankenkassen enthalten sind, genügend vorgesorgt? Oft sind es Argumente wie "auf Nummer sicher gehen" oder "der Gesundheit zuliebe", die Frauen dazu bewegen, zusätzliche Vorsorgeuntersuchungen beim Frauenarzt in Anspruch zu nehmen – auch wenn sie selbst dafür aufkommen müssen.
Die Notwendigkeit von individuellen Gesundheitsleistungen ist für den Laien nicht immer leicht abzuwägen: Den gesetzlichen Krankenkassen zufolge sind alle notwendigen Untersuchungen zur Krebsvorsorge mit ihrem Leistungskatalog abgedeckt. Laut Bundesärztekammer gehören individuelle Gesundheitsleistungen trotz Kostenübernahme durch den Patienten jedoch zu Leistungen, die aus Sicht des Arztes medizinisch erforderlich oder empfehlenswert sein können. Und je früher Krebs entdeckt und behandelt wird, desto größer sind auch die Chancen, wieder vollkommen gesund zu werden. Da stellt sich die Frage, ob man noch besser gegen Krebs vorsorgen kann, wenn man alle Möglichkeiten der Krebsvorsorge – auch die, die man selbst zahlen muss – ausschöpft.
Allein beim Frauenarzt gibt es etliche IGeL zur Krebsvorsorge. Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) bietet für jede Frau ab 20 Jahren Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung an, deren Kosten die GKV trägt. Abhängig vom Alter der Patientin gehören folgende Untersuchungen dazu:
- Der Zellabstrich am Muttermund (Pap-Abstrich)
- Die Tastuntersuchung des Beckens, der Brust und der Achselhöhlen
- Die Mammographie (Röntgenuntersuchung der Brust) für Frauen zwischen 50 und 69 Jahren
Darüber hinaus bieten die Frauenärzte weitere Krebsfrüherkennungsuntersuchungen an, die die gesetzlichen Krankenkassen nicht übernehmen. Bei diesen IGeL handelt sich zum Beispiel um
- die Ultraschalluntersuchung der Gebärmutter und der Eierstöcke zur Früherkennung von Krebs,
- ein HPV-Test zur Vorsorge von Gebärmutterhalskrebs oder
- eine routinemäßige Ultraschalluntersuchung der Brust.
Ultraschalluntersuchung zur gynäkologischen Krebsfrüherkennung
Normalerweise wird beim Frauenarzt ein Abstrich am Gebärmutterhals genommen, um Zellveränderungen und mögliche Hinweise auf Gebärmutterhalskrebs festzustellen. Für diese Maßnahme kommen die gesetzlichen Krankenkassen auf. Als IGeL bieten Frauenärzte eine Ultraschalluntersuchung von Gebärmutter und Eierstöcken an. Durch diese Untersuchung sollen Gebärmutterkrebs und Eierstockkrebs frühzeitig entdeckt werden.
Der Nachteil der Maßnahme ist, dass die beiden Krebsarten nicht mit 100prozentiger Sicherheit entdeckt und auch nicht ausgeschlossen werden können. Aus diesem Grund wird die Ultraschalluntersuchung nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.
HPV-Test
Zusätzlich zum normalen Zellabstrich (Pap-Abstrich), mit dessen Hilfe sich krankhaft veränderte Zellen aufspüren lassen, bieten Frauenärzte einen HPV-Test an. Humane Papillomviren (HPV) gelten als Hauptrisikofaktor für Gebärmutterhalskrebs. Der HPV-Test wird von den Kassen nur übernommen, wenn der Pap-Abstrich Auffälligkeiten ergeben hat.
Mithilfe des HPV-Tests ist es möglich, HPV im Gewebe des Gebärmutterhalses nachzuweisen. Der Nachweis dieser Viren bedeutet allerdings nicht, dass sich zwangsläufig Gebärmutterhalskrebs daraus entwickelt. Oft werden die Viren auch erfolgreich von der körpereigenen Abwehr bekämpft und verschwinden von selbst wieder. Bislang ist der Nutzen des HPV-Tests für die Früherkennung noch unklar – deshalb gehört er zu den individuellen Gesundheitsleistungen.
Dünnschichtzytologie
Als Dünnschichtzytologie wird ein Abstrich von Zellen aus der Scheide bezeichnet. Im Gegensatz zum herkömmlichen Pap-Abstrich werden die entnommenen Zellen im Rahmen dieses Abstrichs vor der mikroskopischen Untersuchung aus dem Zellverband gelöst und von Blut- und Schleimhautbeimengungen getrennt. Danach werden die Zellen in einer dünnen Schicht mikroskopisch untersucht.
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat befunden, dass dieses Verfahren Zellveränderungen nicht besser aufdecken kann als der klassische Pap-Abstrich. Die Dünnschichtzytologie fällt deshalb unter die individuellen Gesundheitsleistungen.
Zusatzuntersuchungen in der Schwangerschaft
Bei einer normal verlaufenden Schwangerschaft sind bestimmte Untersuchungen vorgesehen, die von der gesetzlichen Krankenkasse bezahlt werden. Diese Kassenleistungen zur ärztlichen Betreuung von Schwangeren legt der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in sogenannten Mutterschafts-Richtilinien fest. Die Kosten für weitere Zusatzuntersuchungen werden nur übernommen, wenn es während der Schwangerschaft zu Auffälligkeiten kommt.
Zu den individuellen Gesundheitsleistungen in der Schwangerschaft zählen zum Beispiel zusätzliche Ultraschalluntersuchungen oder ein Toxoplasmose-Test.
Zusätzliche Ultraschalluntersuchungen
Bei einer Schwangerschaft ohne Auffälligkeiten sind während der gesamten neun Monate drei große Ultraschalluntersuchungen in den Mutterschafts-Richtlinien vorgesehen – eine Ultraschalluntersuchung in jedem Schwangerschaftsdrittel.
Zusätzliche Ultraschalluntersuchungen erfolgen nur bei auftretenden Auffälligkeiten wie etwa unklaren vaginalen Blutungen oder unklaren Unterbauchschmerzen.
Die drei regulären Ultraschalluntersuchungen dienen unter anderem dazu, die kindliche Entwicklung zu beurteilen, angeborene Fehlbildungen frühzeitig zu erkennen oder im letzten Schwangerschaftsdrittel ungünstige Kindslagen oder Plazentalokalisationen festzustellen. Die Kosten für diese drei Untersuchungen werden von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen.
Wünscht die gesetzlich versicherte Schwangere weitere Ultraschalluntersuchungen ohne, dass Auffälligkeiten im Schwangerschaftsverlauf vorliegen, muss sie die anfallenden Kosten dafür selbst übernehmen, da diese unter die individuellen Gesundheitsleistungen fallen.
Toxoplasmose-Test in der Schwangerschaft
Der Toxoplasmose-Test ist eine Blutuntersuchung, die nicht zum Leistungspaket der gesetzlichen Krankenkassen gehört. Toxoplasmose ist eine Infektionskrankheit, die durch Parasiten (Toxoplasmo gondii) verursacht wird. Der Erreger wird vorwiegend über den Kontakt mit Katzen (Katzenkot) oder durch Nahrungsmittel wie ungenügend erhitztem oder rohem Fleisch, ungewaschenem Obst, Gemüse und Salat übertragen. Die Erkrankung ruft Beschwerden wie geschwollene Lymphknoten, Kopfschmerzen und grippeähnliche Symptome hervor.
Bei Erwachsenen verläuft eine Toxoplasmose meistens harmlos. Wenn sich jedoch eine Frau während der Schwangerschaft mit dem Erreger infiziert, kann sie ihn auf ihr ungeborenes Kind übertragen. Durch die Infektion kann es beim Kind zu einer konnatalen (bei der Geburt bereits bestehenden) Toxoplasmose kommen. Eine Toxoplasmose bei Neugeborenen kann Beschwerden am Auge auslösen. Im schlimmsten Fall kann sie zur Erblindung oder Fehlbildungen des frühkindlichen Nervensystems und geistigen und körperlichen Behinderungen führen.
Die Kosten für einen Toxoplasmose-Test werden lediglich von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen, wenn der Verdacht auf eine Infektion mit dem Erreger besteht. Derzeit betrachtet es der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen als sinnvolle Vorsorgemaßnahme, den Kontakt mit dem Krankheitserreger zu meiden.
IGeL – ja oder nein?
Die Frage, welche IGeL sinnvoll ist und welche nur zusätzliche Kosten bedeutet, lässt sich nicht allgemein beantworten. Deshalb muss jede Frau individuell abwägen, welche medizinische Maßnahme in ihrem speziellen Fall über die Kassenleistungen hinaus infrage kommt. Wichtig ist in jedem Fall eine gute, offene und vertrauensvolle Beratung durch den Arzt. Darüber hinaus sollte man sich vorab über mögliche Zusatzleistungen informieren.
Wir haben einige Fragen und Tipps zusammengestellt, um Ihnen die Entscheidung "IGeL – ja oder nein?" etwas zu erleichtern.
Hat Ihnen Ihr Arzt erklärt, warum eine individuelle Gesundheitsleitung gerade für Sie wichtig ist und welche Vorteile sie bringt?
Ein verantwortungsvoller Arzt sollte in der Lage sein, Ihnen den konkreten Nutzen einer vorgeschlagenen IGeL für Ihre Gesundheit ausführlich und auch verständlich zu erklären. Er sollte Ihnen die Vorteile der Leistung aufzeigen können und es anstandslos akzeptieren, wenn Sie die IGeL trotzdem ablehnen.
Hat Sie der Arzt ausführlich über mögliche Risiken und Nebenwirkungen der IGeL aufgeklärt?
Da jede medizinische Maßnahme ein gewisses Risiko birgt, ist es bei einer IGeL (wie bei allen anderen Untersuchungen auch) wichtig, über Risiken und Nebenwirkungen informiert zu sein.
Kann Sie der Arzt darüber informieren, wie gut der Nutzen einer IGeL durch wissenschaftliche Studien nachgewiesen ist?
Die Wirksamkeit und der Nutzen von medizinischen Untersuchungen werden in wissenschaftlichen Studien untersucht. Informieren Sie sich bei Ihrem Arzt, ob solche Studien vorliegen und inwieweit diese den Nutzen einer Maßnahme belegen können.
Wenn Ihr Arzt Ihnen eine IGeL ans Herz legt, fragen Sie:
- warum die Kosten dieser Maßnahme nicht von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen werden,
- ob es andere Maßnahmen für Ihr gesundheitliches Anliegen gibt, deren Kosten von der Krankenkasse bezahlt werden,
- welche Vorteile diese medizinische Untersuchung für Ihr gesundheitliches Anliegen hat,
- welche Risiken und Nebenwirkungen es gibt.
Sind Sie von Ihrem Arzt über die Kosten einer Untersuchung informiert worden?
Hat Ihr Arzt einen Vertrag mit Ihnen über die IGeL abgeschlossen?
Eine geplante IGeL muss immer schriftlich fixiert werden. Das heißt, Ihr Arzt muss mit Ihnen einen Vertrag schließen, in dem folgende Dinge festgehalten werden:
- Eine genaue Beschreibung der Untersuchung/Diagnose
- Die voraussichtlichen Kosten, die auf Sie zukommen werden und zusätzlich die entsprechende Ziffer der Gebührenordnung für Ärzte (GoÄ)
- Eine Erklärung darüber, dass Sie der medizinischen Maßnahme ausdrücklich zustimmen und darüber informiert sind, dass die Kosten von Ihnen selber zu tragen sind
Haben Sie das Gefühl, dass Sie sich völlig frei und ohne Druck für oder gegen eine vorgeschlagene IGeL entscheiden können und sich mit Ihrer Entscheidung auch wohl fühlen?
- Konnten Sie sich mit all Ihren Fragen, Sorgen und Ängsten an Ihren Arzt wenden?
- Wurden Ihnen alle Fragen sachlich, verständlich und ausführlich beantwortet?
- Entscheiden Sie sich in aller Ruhe. Wenn Sie sich unsicher sind, vertagen Sie Ihre Entscheidung. Holen Sie sich gegebenenfalls eine weitere Meinung ein.
Haben Sie eine schlüssige Rechnung bekommen?
- Die Rechnung sollte die medizinische Leistung enthalten, für die Kosten erhoben werden, das Datum der Leistungserbringung und die einschlägige Ziffer der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ).
Achten Sie darauf, ob Sie Ihr Arzt sachlich und neutral über die IGeL aufklärt. Er sollte eine IGeL nicht bewerben – das Gespräch sollte also nicht den Charakter eines Verkaufsgesprächs annehmen.
Wenn Sie die Fragen in der Mehrheit mit "Ja" beantworten konnten, können Sie von einer guten Beratung durch Ihren Frauenarzt ausgehen.
Mit diesen Informationen und Tipps können Sie gut gewappnet zu Ihrem nächsten Besuch beim Frauenarzt starten und die richtige Entscheidung treffen.