Das Bild zeigt Nervenfasern.
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Das vegetative Nervensystem

Von: Till von Bracht (Medizinredakteur, M.A. Sportwissenschaften), Jasmin Krsteski (Biologin und Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 07.01.2022

Ob Atmung, Verdauung, Stoffwechsel oder Wasserhaushalt – das vegetative Nervensystem steuert rund um die Uhr alle lebenswichtigen Grundfunktionen des menschlichen Körpers.

Allgemeines

Dies geschieht weitgehend ohne unseren Willen. Deshalb kann man zum Beispiel nicht nach Belieben die Verdauung stoppen oder die Blutgefäße weiten. Selbst bei Bewusstlosigkeit übt das vegetative Nervensystem noch seine Funktionen aus.

Neben den überlebenswichtigen Vitalfunktionen kontrolliert das vegetative Nervensystem auch einzelne Organe und Organsystem, wie zum Beispiel

Da sich das vegetative Nervensystem nicht bewusst steuern lässt, – es verhält sich sozusagen "autonom" – wird es häufig auch als autonomes Nervensystem bezeichnet.

Das vegetative Nervensystem sorgt dafür, dass sich die Organe und Drüsen des Menschen sehr schnell an äußere Bedingungen anpassen. Ist einem Menschen beispielsweise warm, erhöht das vegetative System die Durchblutung der Haut und regt die Schweißdrüsen an, um den Körper abzukühlen.

Das vegetative Nervensystem stellt sozusagen den "Vermittler" zwischen den nicht-steuerbaren Körperfunktionen und dem Gehirn dar: Auf der einen Seite empfängt es Signale aus dem Gehirn und leitet sie an die entsprechenden Organe weiter – andererseits kann es auch Meldungen des Körpers erfassen und an das Gehirn übertragen.

Ein Beispiel: Das vegetative Nervensystem überwacht ständig den Zustand der Harnblase. Sobald die Harnblase mit rund 300 bis 500 Milliliter Urin gefüllt ist, schickt das vegetative Nervensystem die Information an das Gehirn. Die Folge: Man verspürt das Bedürfnis, die Blase zu entleeren.

Auch emotionale Zustände wie etwa Trauer, Wut oder Angst beeinflussen das vegetative Nervensystem und führen dementsprechend zu einer Reaktion des Körpers. Verschiedene Einflüsse oder Krankheiten können das vegetative Nervensystem stören und in der Folge zu körperlichen Symptomen führen, die nicht auf organische Ursachen zurückzuführen sind. Störungen des vegetativen Nervensystems äußern sich zum Beispiel in Schlafstörungen, Appetitstörungen oder Störungen der Schweißbildung

Grundsätzlich lässt sich das vegetative Nervensystem in drei verschiedene Nervensysteme unterteilen – in

Das enterische Nervensystem reguliert weitgehend unabhängig vom Gehirn die Bewegung des Darmes bei der Verdauung.

Der Sympathikus und der Parasympathikus wirken im Körper meist als Gegenspieler: Der Sympathikus versetzt den Körper in einen Zustand höherer Aufmerksamkeit und Fluchtbereitschaft, der Parasympathikus hingegen bringt den Menschen in einen Ruhezustand.

In einer gefährlichen Situation setzt das sympathische Nervensystem den Körper in Alarmbereitschaft. Die Folge: Das Herz schlägt schneller, die Pupillen weiten sich und der Blutdruck steigt.

Besteht keine Gefahr mehr, setzen die Funktionen des Parasympathikus ein: Der Mensch beruhigt sich, seine Herzfrequenz sinkt, seine Schweißdrüsen arbeiten nicht mehr verstärkt und auch seine Lungen benötigen weniger Sauerstoff.

Neben dem vegetativen Nervensystem besitzt der menschliche Körper noch ein zweites Nervensystem – das sogenannte somatische Nervensystem.

Das somatische Nervensystem unterliegt größtenteils der willkürlichen Kontrolle des Menschen – man kann es also bewusst steuern. Mithilfe des somatischen Nervensystems koordiniert der Mensch beispielsweise Bewegungen (Motorik), so etwa das Heben der Hand oder die Krümmung des kleinen Zehs. Darüber hinaus verarbeitet das somatische Nervensystem sensorische Informationen wie Berührungen oder die Temperatur und leitet sie an das Gehirn weiter.

Bestandteile des vegetativen Nervensystems

Der menschliche Körper muss sich ständig an wechselnde Bedingungen anpassen: erhöht sich zum Beispiel die Umgebungstemperatur, aktivieren sich die Schweißdrüsen – strengt man sich körperlich an, steigt auch die Herzfrequenz.

Verantwortlich für diese lebenswichtigen Anpassungen ist das sogenannte vegetative Nervensystem. Es untergliedert sich in drei verschiedene Nervensysteme: Man unterscheidet

Funktionell kann man Sympathikus und Parasympathikus als sogenannte Antagonisten verstehen, das heißt ihre Wirkungen auf die verschiedensten Organe sind meist gegensätzlich.

Wirkung von Sympathikus und Parasympathikus auf verschiedene Organe

OrganSympathikusParasympathikus
HerzHerzfrequenz steigt, Herzkranzgefäße weiten sichHerzfrequenz sinkt, Herzkranzgefäße verengen sich
BlutgefäßeVerengungErweiterung
BlutdruckSteigt (durch die Verengung der Blutgefäße)Sinkt (durch die Erweiterung der Blutgefäße)
LungeEntspannung: die Bronchien erweitern sichKontraktion: die Bronchien verengen sich
Magen/DarmVerdauung wird gehemmtVerdauung wird gefördert
Niereverminderte Harnausscheidung (Antidiurese)Harnausscheidung (Diurese)
AugePupillen weiten sichPupillen verengen sich
HarnblaseHarnverhaltenHarnentleerung

Sympathikus

Der Sympathikus versetzt den Körper in einen Zustand höherer Aufmerksamkeit und Fluchtbereitschaft.

Ein Mensch, der einer unmittelbaren Stresssituation oder Gefahrenquelle ausgesetzt ist (zum Beispiel durch ein wildes Tier), wird versuchen, die Flucht zu ergreifen. Dafür benötigt er mehr Blut in den Muskeln, um flüchten zu können. Das Herz muss demnach mit einer höheren Pumpfrequenz arbeiten.

Sein Sympathikus arbeitet in höchster Aktivität. Der Mensch beginnt zu schwitzen, da der Sympathikus auch die Schweißdrüsen aktiviert. Seine Lunge arbeitet stärker, um mehr Sauerstoff ins Blut zu schaffen.

In diesem Beispiel bedeutet die Aktivierung des Sympathikus also erhöhte Aufmerksamkeit. Der Körper und die Psyche werden durch den Sympathikus in Alarmbereitschaft gesetzt.

Der Sympathikus ist kein Organ, das sich wie zum Beispiel das Herz oder die Leber an einem bestimmten Ort im Körper befindet. Vielmehr ist der Sympathikus im ganzen Körper verteilt.

Die Nervenzellen des Sympathikus entspringen im Brust- und Lendenrückenmark. Ihre Fortsätze münden zum Teil in benachbarte Zellansammlungen, den sogenannten Ganglien. Die Ganglien sind untereinander nach oben und unten verbunden, sodass rechts und links vom Rückenmark ein perlschnurartiges Gebilde entsteht. Der aktivierte Sympathikus setzt in den Ganglien den Neurotransmitter Noradrenalin frei und schickt ihn zu den Zielorganen. Dort angekommen bindet sich Noradrenalin an bestimmte Andockstellen (Alpha- und Betarezeptoren) und stimuliert so die Organe.

Parasympathikus

Der Parasympathikus bringt den Menschen in einen Ruhezustand – er sorgt zum Beispiel dafür, dass die Herzfrequenz und der Blutdruck sinken und die Verdauungsaktivität steigt.

Wie der Sympathikus befindet sich auch der Parasympathikus nicht an einer bestimmten Stelle im Körper, sondern ist im ganzen Körper verteilt.

Die Ursprungsneurone des Parasympathikus liegen entweder im Hirnstamm oder im sakralen Rückenmark (das heißt im unteren Bereich der Wirbelsäule). Etwa 75 Prozent aller Nervenfasern des Parasympathikus entspringen im Hirnstamm. Sie regulieren die Funktion

  • der Augen,
  • der Drüsen,
  • des Herzens,
  • der Bronchien,
  • der Nieren und
  • des Magen-Darm-Trakts.

Die parasympathischen Nervenfasern, die ihren Ursprung im sakralen Rückenmark haben, steuern den Dickdarm, die Genitalien und die Harnblase.

Sobald höheren Zentren (z.B. der Hypothalamus) den Parasympathikus aktivieren, setzen die Nervenzellen im Hirnstamm und im Sakralmark den Neurotransmitter Acetylcholin frei und schicken ihn zu den Ganglien in Richtung der Zielorgane.

Beim Parasympathikus befinden sich die Ganglien in der Nähe oder sogar innerhalb der Organe. Das ankommende Acetylcholin regt die Ganglien wiederum dazu an, ebenfalls Acetylcholin freizusetzen. Dieser Neurotransmitter wirkt dann direkt auf das Organ und führt zum Beispiel dazu, dass sich die Pupillen verengen.

Enterisches Nervensystem

Das enterische Nervensystem ist ein kompliziertes Geflecht aus Nervenzellen, das nahezu den gesamten Magen-Darm-Trakt durchzieht. Man kann das enterische Nervensystem als "Gehirn des Verdauungskanals" ansehen, da es völlig unabhängig vom zentralen Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) funktioniert.

Wird zum Beispiel ein Teil des Darms durch den Darminhalt gedehnt, nimmt das enterische Nervensystem diese Informationen auf. Anschließend leitet es die Signale an die Muskulatur des Darms weiter, der sich daraufhin abwechselnd zusammenzieht und wieder entspannt. Durch diese Darmbewegungen wird der Speisebrei durchmischt und weiterbefördert. Der medizinische Fachausdruck dafür lautet Darmperistaltik.

Das enterische Nervensystem reguliert sich zwar unabhängig von äußeren Einflüssen – der Sympathikus und der Parasympathikus können es allerdings beeinflussen. Der Sympathikus hemmt die Verdauung, der Parasympathikus regt sie an.