Lumbalpunktion: Eingriff, um Liquor zu entnehmen
© GettyImages/ChaNaWiT

Liquor: Aufgaben und Diagnostik der Körperflüssigkeit

Von: Brit Weirich (Medizinautorin, M.A. Mehrsprachige Kommunikation)
Letzte Aktualisierung: 12.11.2024

Als Liquor bezeichnen Fachleute eine Körperflüssigkeit, die das zentrale Nervensystem – also Gehirn und Rückenmark – schützt und mit Nährstoffen versorgt. Lesen Sie, wie das Nervenwasser zu diagnostischen Zwecken untersucht wird und welche Bedeutung Liquor für den menschlichen Körper hat.

FAQ: Häufige Fragen und Antworten zu Liquor

Umgangssprachlich wird Liquor oft als Hirnwasser bezeichnet. Der Begriff kann jedoch missverständlich sein, da die Flüssigkeit das gesamte zentrale Nervensystem umgibt, nicht nur das Gehirn.

Im Nervenwasser lassen sich unter anderem entzündliche Erkrankungen (z. B. Meningitis, Enzephalitis), Multiple Sklerose und bestimmte Krebserkrankungen diagnostizieren.

Ein Liquorleck ist ein Riss in den Häuten, die das Hirnwasser umgeben, wodurch Flüssigkeit austreten kann. Das führt oft zu Kopfschmerzen und kann das Risiko für Infektionen erhöhen.

Normalerweise ist sie klar und farblos. Farbveränderungen können Hinweise auf bestimmte Erkrankungen geben. Eine gelblich-trübe Färbung spricht etwa für eine Infektion, eine rötliche Verfärbung deutet womöglich auf eine Blutung hin. Sehr selten tritt eine grünliche Tönung auf, die auf eine hohe Eiweißkonzentration hinweist.

Liquor: Was ist das?

Liquor cerebrospinalis, kurz Liquor, ist eine klare Körperflüssigkeit, die das Zentralnervensystem (ZNS) – also Hirn und Rückenmark – umgibt und schützt. Andere Begriffe sind:

  • Cerebrospinalflüssigkeit
  • Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit
  • Nervenwasser
  • Hirnwasser

Die Flüssigkeit wird an verschiedenen Orten (sog. Liquorräumen) gebildet, die sich vom Gehirn bis zum unteren Ende der Wirbelsäule erstrecken:

  • Hirnventrikel (Hirnkammern): Das sind Hohlräume tief im Gehirn, in denen die Flüssigkeit gebildet und gespeichert wird. Es gibt vier dieser Ventrikel, die durch Kanäle miteinander verbunden sind.

  • Subarachnoidalraum: Nachdem der Liquor die Hirnventrikel verlässt, fließt er in den Subarachnoidalraum. Dieser Raum liegt zwischen zwei dünnen Hirnhäuten – der Pia mater (weiche Hirnhaut) und der Arachnoidea (Spinngewebshaut) – und umgibt sowohl das Gehirn als auch das Rückenmark.

So verteilt sich der Liquor im gesamten zentralen Nervensystem und legt sich schützend um Gehirn und Rückenmark.

Liquor: Zusammensetzung und Entstehung

Der Liquor besteht hauptsächlich aus Wasser, enthält aber auch wichtige Stoffe wie:

Der Großteil des Nervenwassers wird im Plexus choroideus, einem speziellen Geflecht in den Hirnventrikeln, gebildet. Nach seiner Produktion fließt der Liquor durch das Liquorsystem, das aus mehreren Liquorräumen besteht. Pro Stunde entstehen circa 30 Milliliter der klaren Flüssigkeit – pro Tag kommen dabei etwa 500 bis 700 Milliliter Liquor zusammen. 

Da ständig neuer Liquor produziert wird, muss die Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit ebenso gleichmäßig wieder abfließen. Denn sonst würde ein Überdruck im Liquorraum entstehen, der wiederum einen erhöhten Hirndruck zur Folge hätte. Spezielle Ausbuchtungen in der Arachnoidea (Arachnoidalzotten oder Granulationen) unterhalb der Schädeldecke ermöglichen, dass der Liquor entweichen kann. 

Durch die ständige Neuproduktion fließt das Hirnwasser mit einem gewissen Druck durch und wird wieder ins Blut aufgenommen. Die sogenannte Blut-Liquor-Schranke verhindert dabei, dass umgekehrt Blut in den Liquorraum gelangen kann.

Welche Funktionen hat Liquor?

Liquor erfüllt mehrere zentrale Aufgaben im Körper und ist essenziell für das reibungslose Funktionieren des Zentralnervensystems. Die wichtigsten Funktionen der Cerebrospinalflüssigkeit umfassen:

  • Schutzfunktion: Der Liquor bildet eine Art "Polster" um das Gehirn und Rückenmark und sorgt so für einen Auftrieb, der das Gewicht dieser Organe verringert und sie entlastet. Dadurch werden Gehirn und Rückenmark vor Erschütterungen, Stößen und Druck geschützt. Die Flüssigkeit dämpft also Bewegungen und verhindert so Schäden an den empfindlichen Strukturen des ZNS.

  • Versorgung des zentralen Nervensystems: Der Liquor transportiert Nährstoffe wie Glukose, die das Gehirn und Rückenmark zur Energiegewinnung benötigen, sowie Elektrolyte, die wichtig für die Funktion der Nervenzellen sind. Durch die Zirkulation des Nervenwassers wird das ZNS gleichmäßig mit diesen Stoffen versorgt.

  • Abtransport von Abfallstoffen: Beim Zellstoffwechsel entstehen Abfallprodukte im Zentralnervensystem, die mit der Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit abtransportiert und über das Venensystem in den Blutkreislauf geleitet und ausgeschieden werden.

Lumbalpunktion und Liquordiagnostik

Der Liquor enthält wichtige Hinweise auf den Gesundheitszustand des zentralen Nervensystems. Die Untersuchung des Nervenwassers – auch Liquordiagnostik genannt – kann Veränderungen in der Zusammensetzung, Zellzahl oder bestimmten Proteinen aufspüren. 

Welche Krankheiten lassen sich erkennen?

Eine Liquordiagnostik wird zum Beispiel bei Verdacht auf neurologische Erkrankungen wie Entzündungen, Blutungen, Tumore oder Infektionen des zentralen Nervensystems durchgeführt. Die Untersuchung kann unter anderem zur Diagnostik folgender Krankheiten beitragen: 

  • entzündliche Krankheiten: Erkrankungen wie eine Hirnhautentzündung (Meningitis) und Enzephalitis zeigen sich durch einen erhöhten Zellzahlgehalt und bestimmte Eiweiße.

  • Liquorzirkulationsstörungen: Ist das Gleichgewicht zwischen Produktion und Resorption des Liquors gestört, kann das zu erheblichen Funktionsstörungen des Gehirns führen. Ein Beispiel ist der sogenannte Hydrocephalus (Wasserkopf). Dabei staut sich Liquor in den Hirnkammern an, was zu einer Ausdehnung der Ventrikel und dadurch zu einem erhöhten Hirndruck führt.

  • Tumore: Veränderungen in der Zellzahl und bestimmte Marker weisen auf Tumore hin.

  • Liquorblockaden: Blockaden im Zentralkanal oder anderen Liquorräumen (Liquorstau) können die normale Liquorzirkulation behindern und Symptome wie starke Kopfschmerzen verursachen. Möglich ist etwa eine angeborene Verengung des Liquorsystems.

Zur Untersuchung des Liquors wird eine Liquorprobe über eine sogenannte Lumbalpunktion entnommen. Dabei führt die*der Ärztin*Arzt eine Nadel in den Liquorraum des Rückenmarks im unteren Rückenbereich (Lumbalbereich) ein. Alternativ kann eine Ventrikelpunktion durchgeführt werden, um Liquor direkt aus einem Hirnventrikel zu gewinnen. Diese Methode kommt auch zum Einsatz, um einen zu hohen Druck im Kopf kontrolliert abzubauen. Da der Eingriff invasiv ist, erfolgt er unter Bildgebung (z. B. Ultraschall oder CT), um die Nadel präzise zu positionieren und die umliegenden Strukturen im Gehirn nicht zu gefährden.

Behandlung von Liquorfluss- oder Liquorresorptionsstörungen

Bei einer Störung der Liquorzirkulation oder -resorption, etwa durch eine Liquorblockade, richtet sich die Behandlung nach der Ursache:

  • Hydrocephalus: Oft wird ein flexibles Schlauchsystem mit Ventil (Shunt) eingesetzt, um den Liquor in einen anderen Körperbereich, meist den Bauchraum, abzuleiten. Ein Shunt kann bei chronischen Hydrocephalus-Formen langfristig im Körper verbleiben, muss jedoch regelmäßig kontrolliert und gelegentlich angepasst oder ausgetauscht werden, da Komplikationen wie Infektionen oder Verstopfungen auftreten können.

  • Infektionen und Entzündungen: Diese werden in der Regel mit Medikamenten behandelt, die sich je nach Art der Erreger und Entzündungen unterscheiden. Möglich sind etwa Antibiotika, Mittel gegen Pilze (Antimyotika), Kortikosteroide, Immunsuppressiva oder antivirale Arzneimittel.

Liquorleck: Mögliches Risiko einer Lumbalpunktion

Ein seltenes, aber mögliches Risiko der Untersuchungsmethode ist das Auftreten eines Liquorlecks, auch Liquorverlustsyndrom genannt. Dieses entsteht, wenn die Nadel während der Punktion eine kleine Öffnung im Bereich der Rückenmarkshäute hinterlässt, durch die der Liquor entweichen kann. Ein solcher Verlust von Flüssigkeit führt zu einem unterbrochenen Druck im Liquorsystem. Kommt es in Folge des Eingriffs zu einem Leck, entwickeln die meisten Betroffenen innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Punktion Beschwerden.

Das Liquorverlustsyndrom kann jedoch auch ohne diagnostischen Eingriff auftreten – etwa durch einen sogenannten Knochensporn. Dabei handelt es sich um eine spitze Kante der Wirbelsäule, die durch Verschleiß entsteht. Bohrt sich diese Kante in die Rückenmarkshaut, kann ein Leck entstehen und das Hirnwasser tritt aus.

Weiterhin kann es durch Verletzungen wie einen Schädelbasisbruch zu einem äußeren, unkontrollierten Austritt von Liquor durch Nase und Ohr kommen. Fachleute sprechen dann von Liquorrhoe.

Diese Symptome können in Folge eines Liquorleckes auftreten:

In der Regel heilen die Symptome innerhalb weniger Tage von selbst, da der fehlende Liquor wieder nachproduziert wird. Bei schwereren Fällen kann jedoch eine Blutpatch-Therapie notwendig sein, bei der eine kleine Menge Blut an der Einstichstelle injiziert wird, um das Leck zu verschließen.