Eklige Angelegenheit: Was der Chlorgeruch im Schwimmbad verrät
Je stärker das Schwimmbad den typischen Chlorgeruch ausströmt, desto hygienischer ist es? Ein Trugschluss. Denn der penetrante Geruch ist nichts anderes als ein Anzeichen dafür, dass sich eine größere Menge Urin (genauer: Harnstoff) im Becken befindet.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Eklige Angelegenheit: Was der Chlorgeruch im Schwimmbad verrät
Die einen tun es aus Bequemlichkeit, anderen ist es einfach egal und wieder andere haben eine schwache Blase: Gründe für das Ins-Wasser-Pinkeln gibt es viele. Und so verwundert es nicht, dass sich in ausnahmelos jedem Schwimmbecken immer eine gewisse Menge Urin befindet.
Gut zu wissen, dass sich öffentliche Bäder an Hygienevorschriften halten müssen, damit eventuelle Keime keine Chance haben. Was den meisten Badegästen allerdings nicht klar ist: Ein starker Chlorgeruch steht nicht etwa für die besondere Sauberkeit des Wassers. Vielmehr ist er ein Anzeichen dafür, dass das Wasser viel Harnstoff enthält.
Das chlorhaltige Desinfektionsmittel ist geruchlos. Der stechende Schwimmbadgeruch entsteht erst, wenn es mit Harnstoff aus dem Badewasser reagiert.
Je mehr Harnstoff, desto stärker der Chlorgeruch
Neben Mikroorganismen befinden sich auch Verunreinigungen im Badewasser. Sie bestehen vor allem aus
- Hautschuppen,
- Schweiß,
- Harnstoff,
- Speichel sowie
- Resten von Make-up, Cremes und Lotionen.
Das eigentlich geruchlose chlorhaltige Desinfektionsmittel reagiert mit diesen Verunreinigungen. Dabei entstehen neue chemische Verbindungen aus Kohlenstoff und Stickstoff, die als Desinfektionsnebenprodukte bezeichnet werden.
Eines dieser Nebenprodukte ist Trichloramin. Es bildet sich, wenn das Chlor mit Harnstoff eine Verbindung eingeht. Unangenehmer Nebeneffekt ist der stechende Schwimmbadgeruch.
Je mehr Harnstoff, desto mehr Trichloramin – und desto stärker der Geruch.
Einmal ins Wasser pinkeln = 6 Gramm Harnstoff
Auch wenn niemand ins Becken uriniert hat, befindet sich darin eine gewisse Menge Harnstoff. Der Grund: Harnstoff ist nicht nur in Urin, sondern in kleineren Mengen auch auf der Haut und im Schweiß enthalten und geht beim Schwimmen ins Wasser über. Darüber hinaus kann die Blase auch dann ein wenig Urin verlieren, wenn man nicht bewusst Wasser lässt.
Im Vergleich zu diesem natürlich abgehenden Harnstoff ist die Menge, die bei einer mehr oder weniger gewollten "Pinkelpause" ins Wasser übergeht, jedoch ziemlich groß:
- Nichtpinkler geben über die Haut im Durchschnitt 0,16 Gramm Harnstoff ins Wasser ab.
- Einmal Pinkeln entspricht dagegen einer Harnstoffmenge von ca. 6 Gramm.
Das bedeutet: Wer einmal ins Becken macht, produziert so viel Harnstoff wie 38 Nichtpinkler. Der Löwenanteil des Harnstoffs im Wasser ist also zweifellos auf das Urinieren zurückzuführen.
Wie viel Urin ist tatsächlich in einem Durchschnittsbecken?
Dieser Frage sind Forscher der kanadischen Universität Alberta nachgegangen. Sie konnten indirekt in jedem von ihnen untersuchtem Schwimmbecken Urin nachweisen, indem sie die Konzentration des Stoffs Acesulfam im Wasser maßen. Acesulfam ist ein weit verbreiteter Süßstoff. Er wird mit dem Urin ausgeschieden und kann nur durch Urinieren ins Badewasser gelangt sein.
Die Forscher fanden heraus: In einem typischen 25-Meter-Schwimmbecken, das circa 840.000 Liter fasst, befinden sich rund 75 Liter Urin. In kleineren Becken ist es entsprechend weniger.
Wie ungesund ist Trichloramin?
Bei einem starken Chlorgeruch dürfte dem einen oder anderen Wissenden wohl die Lust auf das Schwimmbad vergangen sein – spätestens, wenn er sich ausmalt, wie viele Menschen als "Wildpinkler" unterwegs waren.
Jenseits des Ekelfaktors stellt sich aber auch die Frage, inwieweit es für die Mitmenschen gesundheitsgefährdend ist, wenn man ins Becken uriniert.
Durch den Harnstoff selbst besteht keine Gefahr, zumal das Desinfektionsmittel eventuell im Urin enthaltene Keime eliminiert. Aber: Das streng riechende Trichloramin, das bei der Verbindung von Chlor und Harnstoff entsteht, kann die Atemwege und die Schleimhäute in Nase und Rachen reizen. Trichloramin ist auch der Grund, warum manche Schwimmer Probleme mit roten, gereizten Augen haben. Möglicherweise kann es auch bei allergiegefährdeten Babys Asthma begünstigen.
Um größere Auswirkungen auf die Gesundheit zu verhindern, ist strikt geregelt, wie viel Trichloramin pro Kubikmeter Luft zulässig sind. Durch entsprechende Maßnahmen (z.B. kontinuierliche Zugabe von Frischwasser, ausreichende Belüftung) bleibt der Trichloraminwert immer in einem festgelegten Bereich. Ohne das Chlor würde es zwar nicht riechen, die gesundheitlichen Gefahren wären jedoch um einiges größer, denn Keime könnten sich schnell vermehren.
Fazit: Ein öffentliches Schwimmbecken ohne Urin werden Sie kaum finden. Wenn es jedoch stark nach Chlor riecht, spricht das für ein besonders schlechtes Benehmen der Gäste – und für einen hohen Trichloramingehalt.