Das Bild zeigt eine Frau, die sich an die Schläfen greift und die Backen aufbläst.
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Stress

Von: Dr. rer. nat. Geraldine Nagel (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 13.09.2021

Unter Stress versteht man ganz allgemein alle Belastungen oder Anforderungen, die bei Menschen zu einer Stressreaktion führen können. Hält der Stress ständig an, kann sich dies nachteilig auf die Gesundheit auswirken. Lassen Sie es nicht so weit kommen!

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Überblick

Dass es in bestimmten Situationen zu einer Stressreaktion des Körpers kommt, ist ganz natürlich und muss erstmal keine Besorgnis erregen. In Hinblick auf die Entwicklungsgeschichte des Menschen half die Stressreaktion vor allem in akuten Gefahren beim Überleben. Denn sie aktiviert den Körper und stellt möglichst viel Energie bereit, um für einen Angriff oder eine Flucht gewappnet zu sein. Durch diese Reaktion war es unseren Vorfahren möglich, etwa bei der Begegnung mit einem wilden Tier rasch genug zu reagieren – entweder durch Kampf oder Davonrennen.

Heutzutage mündet eine Situation, die Stress auslöst, jedoch selten in körperlicher Aktivität. Daher kann Stress, der dauerhaft anhält oder immer wiederkehrt, sich nachteilig auf die Gesundheit auswirken.

Der Begriff Stress ist eine Erfindung der Neuzeit und stammt ursprünglich aus der Materialwissenschaft. Man verstand darunter ein Ausmaß an Belastung, das in der Lage ist, feste Körper zu verformen. In den 1940er Jahren benutzte schließlich der Arzt und Biochemiker Hans Selye den Ausdruck Stress auch in Bezug auf Menschen. Er zeigte mit seinen Forschungen erstmals, dass Belastungen auch für den menschlichen Körper Folgen haben können. Mittlerweile beschäftigen Stress und dessen Auswirkung auf die Gesundheit viele verschiedene Forschungsbereiche und der Begriff hat Eingang in den allgemeinen Wortschatz gefunden.

Stress ist in allen Lebensbereichen möglich, egal, ob im Beruf oder in der Freizeit. Er ist auch nicht auf bestimmte Altersgruppen begrenzt oder nur Erwachsenen vorbehalten – bereits Kinder leiden unter Stress. Den meisten Stress erleben Menschen Untersuchungen zufolge in Zusammenhang mit ihrem Arbeitsplatz, vor allem Zeit- und Termindruck wirken als Stressoren (Stressauslöser) – aber auch zwischenmenschliche Probleme können zu Stress führen.

Stress ist für viele Menschen kein Ausnahmefall, sondern ein andauernder Zustand – und für manche sogar ein Lifestyle-Faktor: Nur wer Stress hat, kann von Bedeutung sein und Anerkennung verdienen, meinen sie.

Um gesundheitliche Folgen von fortwährendem Stress zu vermeiden, ist es wichtig, auf Phasen der Entspannung zu achten. Beide Anteile sollten sich in der Balance befinden. Außerdem hilft es, die individuelle Stresskompetenz – also die Fähigkeit, mit Stress umzugehen – zu verbessern. Mit einem guten Stressmanagement gelingt es,

  • Stressfaktoren besser zu erkennen,
  • diese zu verringern,
  • die körperlichen Stressreaktionen zu mildern und
  • manche Situationen anders zu bewerten.

Das bedeutet allerdings auch, dass man sich nicht nur mit den äußeren Anforderungen auseinandersetzt, sondern ebenso mit den Anforderungen und Ansprüchen an einen selbst, – also an sich und seinen individuellen Umständen zu arbeiten.

Stressoren (Stressauslöser, Stressfaktoren)

Unter Stressoren (Stressauslöser, Stressfaktoren) versteht man alle äußeren Belastungen oder Anforderungen, die zu einer Stressreaktion führen. Ob verpasster Bus, Naturkatastrophe oder Autounfall – wie genau Stressoren aussehen, ist ganz unterschiedlich.

Beispiele für Stressauslöser:

  • physikalische Umwelt: Reize wie Kälte, Hitze oder Lärm können Stress auslösen.
  • der eigene Körper: Auch innere Reize (z.B. Schmerzen, Hunger oder Durst) können eine Quelle für Stress sein.
  • mentale Stressoren: Viele Stressfaktoren haben mit der individuellen Situation zu tun, insbesondere mit den jeweiligen Leistungsanforderungen, denen man ausgesetzt ist. Zu den mentalen Stressauslösern zählen daher u.a. Prüfungssituationen, Zeitdruck, Überforderungsgefühle oder das Gefühl, eine große Verantwortung zu tragen.
  • soziale Stressoren: Im Alltag muss man mit anderen Menschen auskommen. Zwischenmenschliche Konflikte sind bei vielen die häufigsten Stressfaktoren. Ungelöste Probleme, Konkurrenz, Trennungen und Verlusterfahrungen, aber auch Vereinsamung können zu Stress führen.

Anforderungen können also Stressauslöser sein – müssen es aber nicht. Das heißt, Anforderungen lösen nicht zwangsläufig jedes Mal eine Stressreaktion aus. Zu Stressreaktionen kommt es vor allem bei Anforderungen, bei denen man nicht richtig einschätzen kann, ob man ihnen gewachsen ist. Hat man dagegen den Eindruck, dass man mit der Anforderung gut zurechtkommen wird, bleibt eine Stressreaktion aus, auch wenn man sich für das Erledigen der Aufgabe unter Umständen anstrengen muss.

Wichtig ist jedoch, dass es hierbei um die subjektive Einschätzung der eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten geht. Je nachdem, wie man persönlich die Situation erlebt, kann es zu dem Eindruck einer Überforderung kommen, selbst wenn andere von außen das ganz anders einschätzen würden. Das Stresserleben wird zudem umso stärker, je mehr Bedeutung es für einen persönlich hat, dass man die Anforderung bestehen kann. Eine große Abschlussprüfung wird daher bei den meisten mehr Stress auslösen als etwa ein Zwischentest.

Welche Bedeutung die jeweiligen Anforderungen für einen persönlich haben, hängt mit den eigenen Motiven und Zielen zusammen. Das Bestehen einer Prüfung zum Beispiel ist zwar für die persönlichen Ziele wichtig, gleichzeitig stärkt sie im Falle des Bestehens aber auch das Selbstwertgefühl und ermöglicht einem, von anderen Anerkennung zu bekommen.

Häufig verbinden sich mit dem Gerechtwerden einer Anforderung also noch viele andere Aspekte, die für den jeweils Betroffenen wichtig sind. Hat man das Gefühl, dass einige der für einen persönlich wichtigen Ziele oder Motive durch die Anforderung ins Wanken geraten, kann dies Stress auslösen.

Stressreaktion

Unter einer Stressreaktion versteht man Vorgänge, die bei einer Person als Folge von Stress ausgelöst werden. Stressreaktionen erfolgen dabei auf verschiedenen Ebenen gleichzeitig:

  • körperlich Ebene: Bei einer Stressreaktion reagiert der Körper mit vielen Veränderungen. Sie sollen den Körper aktivieren und handlungsbereit machen, deshalb wird Energie bereitgestellt. Als Reaktion auf Stress beschleunigt sich deshalb z.B. der Herzschlag, Muskeln spannen sich an, die Atmung wird schneller. Dies mag für einen kurzen Zeitraum gerechtfertigt sein. Hält die Stressreaktion jedoch längere Zeit an, kann sich das langfristig nachteilig auf die Gesundheit auswirken und z.B. zu Erschöpfungszuständen führen.
  • für andere sichtbare Ebene: Darunter fällt all das, was andere an einem beobachten können, wenn man unter Stress steht – also sowohl beim Verhalten als auch bei Äußerungen, z.B.:
    • Man wird hastig und ungeduldig, macht bei der Arbeit nur kurze oder gar keine Pausen, lässt sich keine Zeit mehr beim Essen, sondern schlingt es herunter, spricht schneller oder unterbricht andere.
    • Der Gebrauch von Rauschmitteln bzw. Versuchen, sich zu betäuben, nimmt zu – z.B. durch Zigaretten, Alkohol, Kaffee, Schmerz-, Beruhigungs- oder Aufputschmittel, aber auch durch Essen.
    • Die Arbeitsweise wird chaotischer; Planung und Ordnung leiden, alles wird gleichzeitig angepackt, Dinge werden nicht mehr wiedergefunden oder vergessen.
    • Der Körper wirkt unruhig, z.B. weil man mit den Füßen wippt oder mit den Fingern auf dem Tisch trommelt, im Gesicht oder in den Haaren rumnestelt oder an der Kleidung zupft.
    • Im Umgang mit anderen wird der Ton aggressiver und gereizter, Streitigkeiten und Vorwürfe häufen sich.
  • kognitiv-emotionale Ebene: Diese Ebene der Stressreaktion ist für andere nicht sichtbar. Man versteht darunter Gedanken und Gefühle, die während der Stressreaktion entstehen, wie z.B.
    • innere Unruhe, Nervosität
    • Unzufriedenheit, Ärger, Wut
    • Hilflosigkeit
    • Schuldgefühle, Selbstvorwürfe
    • Grübeln, kreisende Gedanken
    • Gefühl der Leere im Kopf (geistige Aussetzer, Blackout)
    • Konzentrationsprobleme
    • Denkblockade
    • keinen klaren Gedanken fassen können

Die verschiedenen Ebenen der Stressreaktion beeinflussen sich gegenseitig und können die Stressreaktion dadurch verstärken oder verlängern. Sie können zudem bewirken, dass man sich in den Stress weiter hineinsteigert. Stressreaktionen können bereits ausgelöst werden, wenn man nur an den Stressauslöser denkt.

Die Ebenen können sich jedoch auch günstig beeinflussen und die Stressreaktion abschwächen, zum Beispiel indem man mithilfe von Entspannungsübungen oder durch sportliche Aktivitäten körperlichen Stress abbaut. Als Folge setzt häufig auf kognitiv-emotionaler Ebene eine Beruhigung ein. Genauso kann ein Gespräch mit Freunden oder Kollegen auf der emotional-kognitiven Ebene entlasten und eine Beruhigung auf körperlicher Ebene nach sich ziehen.

Die körperliche Stressantwort: Vorbereitung zur Flucht

Entwicklungsgeschichtlich gesehen diente die körperliche Stressreaktion ursprünglich dazu, das Überleben zu sichern. Als Reaktion auf eine drohende Gefahr sollte sie den Körper darauf vorbereiten, gleich zu fliehen oder zu kämpfen. Deshalb musste der Körper aktiviert und Energie mobilisiert werden. Diese körperliche Stressantwort ist ganz natürlich und läuft auch noch heute ab, wenn wir uns bedroht fühlen.

Dabei sollte man sich darüber im Klaren sein, dass nicht jede Stressantwort des Körpers gleich ein Gesundheitsrisiko darstellt. Sie kann es jedoch werden, wenn die Stressauslöser dauerhaft vorhanden sind und die Stressreaktionen ständig ablaufen. Die körperliche Stressantwort hat Einfluss auf viele Bereiche des Körpers:

  • Atmung: Um dem Körper mehr Sauerstoff zuzuführen, weiten sich die Bronchien – man atmet schnell und flach. Außerdem wird weniger stark ausgeatmet, wichtiger ist das Einatmen.
  • Herz-Kreislauf-System: Die Herzleistung nimmt zu, damit Herz, Hirn und die großen Arbeitsmuskeln besser durchblutet werden. Deshalb schlägt das Herz schneller und stärker, der Blutdruck steigt. Blutgefäße der Haut, der Hände und Füße sowie des Magen-Darm-Trakts verengen sich.
  • Muskeln: Der Körper soll sich auf die Flucht und damit auf den Einsatz der großen Muskelgruppen vorbereiten. Insbesondere die Muskeln in Armen und Beinen werden besser durchblutet, um sie mit Sauerstoff und Energie zu versorgen. Die Muskelspannung erhöht sich, vor allem in Schulter, Nacken und Rücken. Reflexe laufen schneller ab.
  • Stoffwechsel: Der Körper stellt sich auf einen erhöhten Energieverbrauch ein. Die Leber gibt vermehrt Zucker ins Blut ab, welcher vor allem für das Gehirn bestimmt ist. Zudem setzt der Körper Fettsäuren frei, damit diese von den Muskeln verbrannt werden können. Die Verdauung wird weitestgehend eingestellt, die Darmmuskeln bewegen sich kaum noch, da die Muskelspannung hier stark nachlässt. Der Speichelfluss nimmt ab, der Mund wird trocken. Bei manchen entsteht ein starker Stuhl- und Harndrang – auch Durchfälle sind möglich. So entsorgt der Körper überflüssigen Ballast, der die Flucht behindern könnte.
  • Sexualität: Stress hemmt den Sexualtrieb, auch die Geschlechtsorgane werden nun schlechter durchblutet. Bei Frauen und Männern sinkt die Konzentration von Geschlechtshormonen im Blut. Bei Männern nimmt die Anzahl der Männliche Geschlechtsorgane – Anatomie des MannesSpermien in den Hoden ab. Bei Frauen kann es zu Zyklusstörungen kommen.
  • Immunsystem: Bei akutem Stress nimmt die Zahl bestimmter Immunzellen, der sog. natürlichen Killerzellen, zu. Drohende Infektionen durch Verletzungen werden so schneller erkannt und bekämpft. Diese akute Reaktion hält jedoch nur kurze Zeit an. Bereits nach 30 bis 60 Minuten ebbt sie wieder ab.
  • Blut: Blutungen kommen schneller zum Stillstand, da das Blut nun schneller gerinnt.
  • Schmerz: Um den Körper kurzfristig vor Schmerzen zu schützen, werden bestimmte körpereigene Botenstoffe (Endorphine) ausgeschüttet, die schmerzunempfindlicher machen. Endorphine können jedoch nicht unbegrenzt ausgeschüttet werden, der Effekt hält daher nur kurz an. Erstreckt sich der Stress über einen längeren Zeitraum, kehrt sich der Effekt ins Gegenteil um – die Schmerzempfindlichkeit nimmt zu.
  • Haut: Der Körper produziert mehr Schweiß, damit der Körper nicht überhitzt bzw. um rasch abzukühlen.

Die körperliche Stressreaktion wird zugleich von individuellen Faktoren beeinflusst, die dazu führen, dass manche unter Stress vielleicht vor allem Verdauungsprobleme bekommen, während andere eher mit dem Magen reagieren, Muskelverspannungen, Herzklopfen oder einen roten Kopf bekommen.

Wer seine Stressreaktionen gut kennt und diese nicht übergeht, kann rechtzeitig etwas tun, um den Stress zu bewältigen oder ihn gar nicht erst weiter aufkommen zu lassen.

Persönliche Stressverstärker

Zu den persönlichen Stressverstärkern zählt man all jene persönlichen Einstellungen, Motive, Vorerfahrungen, Bewertungen und Ansprüche an einen selbst, die dazu beitragen, dass eine Stressreaktion in Gang gesetzt oder stärker wird. Man könnte solche Stressverstärker deshalb auch als "hausgemachten Stress" bezeichnen.

Persönliche Stressverstärker sind individuell verschieden und mit ein Grund dafür, dass manche Menschen durch bestimmte Situationen stark gestresst sind, während andere davon kaum berührt werden. Die individuelle Bewertung macht den Unterschied aus, ob eine Situation Stress auslöst oder nicht.

Beispiele für persönliche Stressverstärker:

  • starkes Streben nach Perfektion
  • Ungeduld
  • Ignorieren oder Nicht-Akzeptieren eigener Leistungsgrenzen
  • Gefühl, unentbehrlich zu sein
  • alles allein machen/kontrollieren wollen
  • Hilfe nicht annehmen oder einfordern können
  • es allen Menschen recht machen wollen
  • starkes Harmoniebedürfnis
  • Abhängigkeit von der Zuwendung anderer Menschen

Stress kann auch zum "Werkzeug", zum "Vehikel" werden und so eine Art Selbstzweck bekommen. Manche Menschen benötigen den Stress, um unangenehmen psychischen Dingen aus dem Weg zu gehen und sich nicht damit beschäftigen zu müssen. So stressen sich manche Menschen selbst, weil sie auf diese Weise Gefühle der inneren Leere, Sinnlosigkeit, Einsamkeit oder sogar depressive Verstimmungen unterdrücken oder überspielen können.

Stressverstärkend kann es sich auch auswirken, wenn man ständig zu vielen Reizen ausgesetzt ist. Viele Menschen lassen fast den ganzen Tag den Fernseher oder das Radio oder sogar beides laufen und können Momente der Ruhe unter Umständen kaum noch aushalten. Die ständige Berieselung mit Geräuschen und Inhalten hält eine Daueranspannung aufrecht. Auch in der Freizeit fällt es vielen Menschen schwer, einfach mal nichts zu tun. Sie verfallen stattdessen in einen permanenten Aktionismus, bei dem sich eine Aktivität an die andere reiht. Auf lange Sicht gesünder ist sicher ein regelmäßiger Wechsel von aktiven und passiven Phasen.

Persönliche Stressverstärker sind ganz individuell und hängen eng mit der Lebensgeschichte des Einzelnen zusammen. Sie sind so sehr Teil des eigenen Selbst, dass ihre stressverstärkende Wirkung manchmal nicht leicht zu erkennen ist. Vielmehr kommt einem die eigene Sichtweise oft als die einzig richtige vor.

Beim individuellen Stresserleben ist es deshalb oft schwer zu unterscheiden, ob der Stress durch einen selbst entsteht oder durch die äußere Situation gegeben ist. Um persönliche Stressverstärker zu erkennen, ist es daher unausweichlich, sich zwar näher mit sich selbst zu beschäftigen, gleichzeitig aber zu versuchen, sich und die eigenen Verhaltensweisen einmal "neutral" zu betrachten. Wie sehr einen äußere Belastungen unter Stress setzen, hängt letztlich davon ab, wie man die Situation mitsamt den bestehende Möglichkeiten und den Wegen zur Bewältigung bewertet.

Gesundheitliche Folgen

Stress für sich genommen ist nicht gesundheitsschädlich, bedeutet er im Grunde doch nur eine körperliche Aktivierung. Sofern sich der Stress eher auf kurze Phasen beschränkt und immer wieder mit Phasen der Entspannung abwechselt, wird er daher auch von vielen Menschen als durchaus angenehm empfunden. Wann kann Stress gesundheitliche Folgen haben?

Risiken

Energieüberschuss

Im Rahmen der körperlichen Stressreaktion werden Energie bereitgestellt beziehungsweise Zucker und Fettsäuren ins Blut abgegeben, um für Flucht oder Kampf gewappnet zu sein. Heutzutage folgt auf eine Stressreaktion jedoch in den seltensten Fällen direkte körperliche Bewegung. Als mögliche Folge können sich auf Dauer Gefäße verengen (Arteriosklerose) oder sogar verschließen (Herzinfarkt, Lungenembolie, Schlaganfall). Um Stress zu bewältigen ist es deshalb sinnvoll, regelmäßig sportlich aktiv zu werden.

Dauerbelastung

Im Hinblick auf die Entwicklungsgeschichte des Menschen hat das Leben von heute wenig mit dem der Urzeit gemein. Nur selten hat Stress heutzutage etwas damit zu tun, dass man in eine lebensbedrohliche Situation kommt und sich nur mithilfe körperlicher Aktivität – Flucht oder Angriff – retten muss.

Vielmehr hat der moderne Mensch in der Regel mit Stressoren zu tun, die immer wieder auftauchen oder sogar ständig präsent sind. Oft kommen die Stressauslöser aus dem beruflichen oder zwischenmenschlichen Bereich. Phasen der Entspannung kommen gleichzeitig bei vielen zu kurz und der Körper wird durch den Dauerstress in einer ständigen Aktivierung gehalten. Das kann nur eine Zeit lang gut gehen – über kurz oder lang stellt sich Erschöpfung ein und funktionelle Beschwerden (z.B. Reizdarm-Syndrom) oder körperliche Erkrankungen können entstehen.

Auf Dauer verliert der Körper die Fähigkeit, sich selbst zu regulieren. Selbst wenn der Stress wegfällt, setzt dann keine Entspannung mehr ein. Diese permanente körperliche Aktivierung wirkt sich auf verschiedene Bereiche des Körpers aus:

  • Die Blutgefäße werden weniger elastisch, wodurch der Blutdruck weiterhin erhöht bleibt.
  • Angespannte Muskeln lassen nicht locker.
  • Schlafist nicht mehr so erholsam wie früher.
  • Das Stresshormon Kortisol wird dauerhaft vermehrt ausgeschüttet – dadurch steigt z.B. das Risiko, an Diabetes mellitus zu erkranken.

Wer viel Stress hat, sollte deshalb darauf achten, sich als Ausgleich genug Zeit zur Entspannung zu nehmen.

Immunsystem

Durch ständig andauernden Stress leidet auch das Immunsystem. Kurzzeitiger, akuter Stress aktiviert zwar das Immunsystem – dauert er länger an, kehrt sich der positive Effekt jedoch ins Gegenteil.

Das unter Dauerstress ständig vermehrt ausgeschüttete Hormon Kortisol schwächt auf Dauer die Abwehrkräfte und hat zur Folge, dass man anfälliger für Infektionskrankheiten (wie Erkältung  oder Lippenherpes) wird.

Dauergestresste Menschen erkranken durchschnittlich häufiger an Erkältungen als andere und benötigen mehr Zeit für die Heilung. Mitunter zieht sich eine Erkältung bei den Betroffenen sogar über Wochen hin, ohne dass sie richtig besser wird.

Bei Berufstätigen kommt es nicht selten zu dem Effekt, dass die Erkältung in der Woche zwar da ist, die Beschwerden aber auszuhalten sind. Kaum beginnt das Wochenende, scheint die Erkältung dagegen stärker zu werden. Ursache ist auch hier das Stresshormon Kortisol: Am Wochenende lässt bei vielen Betroffenen der Dauerstress etwas nach und damit sinkt auch der ständig erhöhte Kortisolspiegel im Blut ein wenig – das Immunsystem wird wieder aktiver.

Auch auf chronische Erkrankungen wie Schuppenflechte, multiple Sklerose oder rheumatoide Arthritis wirkt sich der höhere Kortisolspiegel nachteilig aus.

Damit Stress Ihr Immunsystem nicht dauerhaft beeinträchtigt, sollten Sie daher auch in stressigen Zeiten darauf achten, sich gesund zu ernähren, genug zu bewegen und ausreichend zu schlafen.

"Ungesundes" Verhalten

Wer permanent unter Stress steht, neigt häufig zu Verhaltensweisen, die sich zusätzlich ungünstig auf die Gesundheit auswirken, zum Beispiel:

  • steigt der Zigarettenkonsum.
  • nimmt der Alkoholkonsum zu.
  • isst man mehr, unregelmäßiger und ungesünder.

Körperliche Folgen von Stress

Auf Dauer kann sich Stress auf viele Bereiche des Körpers auswirken und unter Umständen zu körperlichen Erkrankungen oder Problemen führen, so zum Beispiel zu:

Psychische Folgen von Stress

Auch auf die Psyche hat andauernder oder immer wiederkehrender Stress ungünstige Auswirkungen, die die Betroffenen jedoch manchmal lange ignorieren. Häufig suchen sie sich erst dann ärztliche Hilfe, wenn körperliche Beschwerden auftreten. Diese kann der Arzt zwar behandeln, das beseitigt jedoch nicht die Ursache – den Stress.

Auf lange Sicht entwickeln viele Dauergestresste eine Depression – oder die wohl bekannteste "Stresserkrankung": das Burnout-Syndrom.

Stressmanagement: Stress bewältigen

Wie lässt sich Stress am besten bewältigen? Wie sollte man sich in stressigen Phasen am besten verhalten? Für ein gesundes Stressmanagement ist es wichtig, sich immer wieder mit den Dingen, die den Stress verursachen, näher auseinanderzusetzen und die individuellen Symptome der Stressreaktion bei sich gut zu kennen. So können Sie frühzeitig reagieren und gegensteuern.

Es gilt, die inneren und äußeren Ursachen zu analysieren. Entsteht der Stress tatsächlich nur durch äußere Anforderungen? Sind persönliche Stressverstärker mit im Spiel? Ziel ist es, die richtige Balance zwischen den Anforderungen und dem Raum für Entspannung zu finden, in welchem man Abstand von den Anforderungen gewinnen kann.

Klar muss auch sein: Was dem einen dabei hilft, Stress gut zu bewältigen, muss für den anderen nicht automatisch auch der beste Weg sein. Da die Ursachen von Stress auch immer mit der ganz persönlichen Lebenssituation und -geschichte zu tun haben, ist auch der persönlich beste Weg zum Stressmanagement immer sehr individuell. Prinzipiell kann man drei Punkte im Stressmanagement angehen, um die persönliche Stresskompetenz zu verbessern:

  • die Stressoren bzw. Stressauslöser
  • die persönliche Stressverarbeitung (mentale Ebene)
  • die Stressreaktion (körperliche Ebene)

Stressauslöser minimieren

Der beste Weg zu einem stressfreien Leben ist, Stress so wenig wie möglich aufkommen zu lassen. Bestehende Stressoren (Stressauslöser, Stressfaktoren) im Berufs- und Privatleben sollten Sie dagegen, soweit es geht, verringern, zum Beispiel indem Sie

  • sich fortbilden: Sofern der Stress durch Anforderungen entsteht, denen Sie sich fachlich nicht gewachsen fühlen, können Sie durch eine Fortbildung Ihre Kompetenzen erweitern, sich weiter qualifizieren, und den Stresslevel durch Überforderungsgefühle senken.
  • Arbeitsstrukturen besser organisieren: Lassen sich Aufgaben vielleicht anders verteilen? Lassen sich Arbeitsabläufe verbessern/ändern? Haben Sie ein geeignetes Ablagesystem?
  • sich selbst besser organisieren: Legen Sie z.B. fest, wo im Privaten und im Beruf Ihre Prioritäten liegen. Planen Sie Zeitabläufe realistisch. Versuchen Sie nicht, alles allein zu machen, sondern geben Sie Aufgaben auch mal an andere ab.
  • Ihre sozialen Fähigkeiten ausbauen: Sie dürfen auch mal nein sagen. Lernen Sie, Grenzen zu setzen, klärende Gespräche zu führen, anderen zuzuhören, ...
  • sich helfen lassen:Immer bleibt die ganze Arbeit an Ihnen hängen? Fordern Sie beim Chef Unterstützung ein. Fragen Sie Kollegen, ob Sie Ihnen unter die Arme greifen können.

Persönliche Stressverarbeitung verbessern

Eine wichtige Rolle bei der Stressverarbeitung spielen die persönlichen Stressverstärker. Denn wie sehr eine Situation stresst, hängt zu großen Teilen auch von subjektiven Einstellungen, persönlichen Zielen und Ansprüchen an einen selbst ab. Auch wenn es nicht immer leicht fällt, sollte man sich im Rahmen der Stressbewältigung regelmäßig selbst kritisch hinterfragen und mögliche Stressverstärker identifizieren.

Eingefahrene Denkmuster sind jedoch nicht leicht zu durchbrechen. Oftmals lassen sich Stressverstärker daher nicht von heute auf morgen abschalten. Vielmehr handelt es sich hier um einen Prozess der Zeit braucht. Sobald man sich jedoch einmal der Stressverstärker bewusst geworden ist, fällt es nach und nach leichter, Situationen anders zu bewerten – und fragt sich vielleicht plötzlich, weshalb man sich vorher eigentlich so aufgeregt hat.

Tipps:

  • Sind Sie sehr perfektionistisch? Möglicherweise erwartet niemand von Ihnen, dass Sie immer 150 Prozent geben. Schrauben Sie Ihre eigenen Ansprüche an sich selbst etwas zurück.
  • Jeder Mensch hat Leistungsgrenzen – versuchen Sie, Ihre zu akzeptieren. Niemand muss ständig über seine Grenzen hinausgehen.
  • Versuchen Sie, sich nicht so stark mit Ihren Aufgaben zu identifizieren bzw. diese persönlich zu nehmen.
  • Überlegen Sie, was Ihnen wirklich wichtig ist, und behalten Sie es im Blick. Verzetteln Sie sich nicht, indem Sie allem gleich viel Aufmerksamkeit schenken.
  • "Immer passiert mir sowas" – solche und ähnliche Sätze führen zu negativen Denkmustern. Versuchen Sie stattdessen, auch das Positive wahrzunehmen. Sie dürfen sich freuen, wenn Ihnen etwas gelungen ist!
  • Unangenehme Erlebnisse, Ärger, Verletzungen oder negative Gefühle kreisen einem gerade in Stressphasen immer wieder wie eine Endlosschleife durch den Kopf. Machen Sie sich frei davon. Versuchen Sie, an solchen unangenehmen Gedanken nicht festzuhalten, sondern sie loszulassen. Lernen Sie, anderen für absichtliche oder unabsichtliche Verletzungen zu vergeben – und auch sich selbst.

Die körperliche Stressreaktion runterfahren: Auf Entspannung achten

Gelingt es, die körperliche Stressreaktion zu mildern, setzt in der Regel auch Entspannung auf psychischer Ebene ein. Die verschiedenen Ebenen der Stressreaktion sind eng miteinander verflochten. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, zum Ausgleich für stressige Phasen auch immer darauf zu achten, dass man Wege findet, sich zu entspannen.

Stress und Entspannung sollten sich in der Balance befinden, damit man genügend Zeit findet, sich zu erholen und neue Kraft zu tanken. Nehmen Sie sich Zeit für sich selbst.

Tipps zum Stressabbau:

  • Erlernen Sie eine Entspannungstechnik (z.B. autogenes Training oder progressive Muskelentspannung) und wenden Sie diese regelmäßig an. Anfangs sollten Sie solche Entspannungstechniken am besten täglich praktizieren. Bei regelmäßiger Übung haben diese schnell eine positive Wirkung und Stress kommt gar nicht erst so schnell auf bzw. lässt sich schneller wieder abbauen.
  • Bewegen Sie sich regelmäßig. Da die körperliche Stressreaktion darauf ausgerichtet ist, den Körper zu aktivieren und ihn auf Bewegung vorzubereiten, ist es hilfreich, wenn man tatsächlich körperlich aktiv wird.
  • Ernähren Sie sich gesund und abwechslungsreich. Wer unter großem Stress steht, vernachlässigt häufig seine Ernährung, sodass zu den eigentlichen Stresswirkungen auch noch die ungünstigen Effekte einer einseitigen, unregelmäßigen Ernährung hinzukommen. Daher sollten Sie auch in stressigen Zeiten versuchen, Ihre Ernährung nicht zu vernachlässigen.
  • Pflegen Sie soziale Kontakte. Vor lauter beruflichem Stress vergisst man manchmal, dass es auch noch ein Privatleben gibt. Häufig leiden soziale Kontakte darunter. Versuchen Sie, Kontakte zu Freunden und Familie nicht einschlafen zu lassen. Soziale Kontakte sind in puncto Erholung ein wichtiger Faktor.
  • Hobbys und Freizeitaktivitäten kommen bei vielen Dauergestressten viel zu kurz oder werden ganz aufgegeben, weil man das Gefühl hat, keine Zeit mehr dafür zu haben. Dabei helfen solche außerberuflichen Aktivitäten, die einem Spaß machen und die man nur für sich selbst macht, die innere Balance zu halten. Überlegen Sie einmal, was Sie gerne machen. Wobei empfinden Sie Spaß? Was gibt Ihnen Zufriedenheit? Versuchen Sie, hin und wieder kleine Pausen vom Alltag in Ihr Leben einzubauen.
  • Schlafen Sie genug. Im Schlaf regenerieren sich Körper und Geist und sammeln Kräfte für den nächsten Tag. Zu wenig Schlaf kann daher zusätzlich stressen.
  • Wer permanent im Stress ist, dem fällt es häufig schwer, sich über Alltagsdinge oder Erlebnisse zu freuen bzw. positive Dinge auch als positiv wahrzunehmen. Oft bleiben einem dann nur die negativen Dinge des Tages in Erinnerung. Werden Sie daher wieder achtsamer für die positiven Dinge, die um Sie herum geschehen und lernen Sie, wieder zu genießen.

Vielseitig bleiben

Wenn Ihr einziger Weg zum Stressabbau darin besteht, berufliche oder private Anforderungen zu verringern, ist das zwar kurzfristig hilfreich. Es besteht jedoch die Gefahr, dass Sie sich ausschließlich auf diese Problemlösungen konzentrieren und dabei neuen Stress für sich schaffen. Deshalb sollten Sie auch die anderen Ebenen in Ihr Stressmanagement einbeziehen, also etwa Wege zur Entspannung finden.

Andersherum ist es auf Dauer genauso wenig hilfreich, sich ausschließlich auf Entspannungsübungen und Sport als Anti-Stress-Strategie zu beschränken, ohne sich mit den eigentlichen Ursachen des Stresses zu beschäftigen.

Für ein effektives Stressmanagement ist es wichtig, sich mit allen Ebenen der Stressentwicklung zu beschäftigen sowie mit Wegen, diese mit geeigneten Strategien zu verändern.