Olfaktometrie (Riechtest)
Die Olfaktometrie (Riechtest) dient dazu, den Geruchssinn (bzw. die olfaktorische Wahrnehmung) zu untersuchen: Normalerweise kann der Mensch bis zu mehrere Tausend Gerüche unterscheiden. Der Geruchssinn kann aber auch gestört sein oder ganz verloren gehen. Um das Ausmaß der Riechstörung zu bestimmen, stehen verschiedene Testverfahren zur Verfügung.
Allgemeines
Ab dem 40. Lebensjahr verschlechtert sich bei vielen Menschen der Geruchssinn. Die genauen Ursachen hierfür sind noch ungeklärt – vermutlich spielt der altersbedingte Verschleiß der Geruchszellen eine Rolle. Daneben können auch altersunabhängige Erkrankungen mit Riechstörungen oder Geruchsverlust einhergehen. In diesen Fällen bietet sich die Olfaktometrie als eine Diagnosemaßnahme an. Der Riechtest ermöglicht es, das Riechvermögen quantitativ und qualitativ zu beurteilen: Dabei hat sich gezeigt, dass die quantitative Geruchsstörung (d.h. eine verminderte oder verstärkte Geruchsempfindlichkeit) weiter verbreitet ist als qualitative Riechstörungen (d.h. veränderte oder falsche Wahrnehmungen bestimmter Duftstoffe).
- Ein quantitativer Riechtest kann folgende Ergebnisse zeigen:
- Normosmie: Die Geruchswahrnehmung ist normal.
- Hyposmie: Die Empfindlichkeit des Geruchssinns ist vermindert.
- Anosmie: Es ist gar kein Geruchssinn vorhanden. Betrifft dieser Riechverlust nur einen bestimmten Duftstoff oder eine Duftstoffgruppe, bezeichnet man dies als teilweise (partielle) Anosmie.
- Die qualitative Olfaktometrie kann folgende Riechstörungen aufdecken:
- Parosmie: Es liegt eine Sinnestäuschung vor, bei der die Betroffenen einen vorhandenen Geruchsstoff anders – oft als unangenehm – wahrnehmen. Eine solche Riechstörung kann beispielsweise bei einem Hirntumor, als Aura vor einem epileptischen Anfall oder in der Schwangerschaft auftreten.
- Phantosmie: Es findet eine Geruchswahrnehmung statt, obwohl die entsprechenden Duftstoffe nicht vorhanden sind.
- Pseudosmie: Die Betroffenen deuten einen Geruchseindruck einfallsreich um.
- Olfaktorische Intoleranz: Der Geruchssinn funktioniert normal, doch die Betroffenen reagieren auf bestimmte Duftstoffe mit überhöhter Empfindlichkeit.
Ergibt die Olfaktometrie einen gestörten oder fehlenden Geruchssinn, ist dies zwar nicht lebensbedrohlich, aber auch keineswegs ungefährlich: Schließlich fehlt ein wichtiges Alarmsystem, denn der Geruchssinn kann auf Gefahren wie Brände oder giftige Dämpfe aufmerksam machen. Ohne ihn würden wir auch nicht vor verdorbenen Lebensmitteln gewarnt. Langfristig kann der Geruchsverlust zu Appetitlosigkeit oder sogar zu Depressionen führen.
Der Geruchssinn des Menschen
Im Vergleich zu manchen Tieren hat der Mensch einen recht schwach ausgeprägten Geruchssinn. Dennoch zeigt die Olfaktometrie (Riechtest), dass der Geruchssinn des Menschen immerhin Tausende verschiedener Gerüche unterscheiden kann. Der Mensch riecht etwas, wenn Geruchsstoffe bestimmte Nervenzellen in der Nase aktivieren, die dann die Informationen über den Riechnerv (Nervus olfactorius) an das Gehirn weiterleiten:
Die menschliche Nase besitzt etwa 10 Millionen Riechzellen, die sich etwa alle ein bis zwei Monate erneuern (da sich Riechzellen im Gegensatz zu anderen Sinneszellen regenerieren können, bessert sich beispielsweise ein durch Rauchen gestörter Geruchssinn bei einem Rauchstopp wieder). Wenn die Riechzellen aktiviert sind, leiten sie die Informationen über den Riechnerv zum Riechkolben (Bulbus olfactorius) des Gehirns weiter, von wo sie zum Riechhirn (olfaktorischer Kortex) gelangen. Das Riechhirn verarbeitet die ankommenden Informationen und leitet sie an verschiedene andere Bereiche des Gehirns weiter, von denen einige jedoch nicht für die eigentliche Geruchswahrnehmung zuständig sind, sondern für emotionale und automatisch ablaufende körperliche Begleitreaktionen bei einer Geruchswahrnehmung – und zwar:
- der Hypothalamus, der über Hormone die vegetativen (d.h. nicht durch Willen und Bewusstsein beeinflussbaren) Funktionen des Körpers steuert (weshalb es bei Geruchswahrnehmungen zu entsprechenden Begleitreaktionen kommen kann), und
- die sogenannten Mandelkerne, die zum limbischen System gehören, das der Verarbeitung von Gefühlen und der Entstehung von Triebverhalten dient (weshalb Geruchswahrnehmungen auch heftige Gefühle auslösen können)
Die Olfaktometrie zeigt, dass die menschliche Riechschwelle sehr niedrig ist: Der Mensch kann schon geringste Spuren eines Dufts wahrnehmen. Um den Geruch auch identifizieren zu können, sind allerdings etwas höhere Duftstoffmengen nötig. Außerdem kann sich der Geruchssinn des Menschen schnell anpassen: Sind wir ständig von einem Geruch umgeben, nehmen wir ihn kaum noch wahr. In der Regel ist die Geruchswahrnehmung dann auf bis zu ein Viertel der sonstigen Riechleistung herabgesetzt.
Am Geruchssinn des Menschen sind jedoch nicht nur die Riechzellen der Nase beteiligt, sondern auch der fünfte Hirnnerv (Trigeminusnerv bzw. Nervus trigeminus): Manche Stoffe (sog. Trigeminusreizstoffe, z.B. Ammoniak) aktivieren nicht die Riechzellen, sondern reizen freie Nervenendigungen des Trigeminusnervs. Diese Gerüche kann der Mensch also auch dann noch wahrnehmen, wenn die Riechzellen zerstört sind. Daneben ist der Geruchssinn eng mit dem Geschmackssinn gekoppelt, sodass manche scheinbaren Geschmackseindrücke tatsächlich auf den Geruchssinn zurückzuführen sind: So reizt beispielsweise auch der Aromastoff Capsaicin aus der Paprika den Trigeminusnerv und löst eine scharfe Geschmacksempfindung aus. Entsprechend kommen bei der Olfaktometrie unterschiedliche Riechstoffe zum Einsatz, um die Wahrnehmung zu messen:
- reine Riechstoffe, die ausschließlich den Riechnerv reizen (z.B. Kaffee, Vanille, Wachs, Zimt, Lavendel, Terpentin, Birkenteer, Pfefferminzöl)
- Riechstoffe mit Trigeminusreizkomponente (z.B. Essigsäure, Ammoniak)
- Riechstoffe mit zusätzlicher Geschmackskomponente (z.B. Chloroform, Pyridin)
Ist der Geruchssinn des Menschen verloren gegangen, nehmen die Betroffenen reine Riechstoffe überhaupt nicht mehr wahr. Die bei der Olfaktometrie eingesetzten Riechstoffe aus den beiden anderen Gruppen können die Betroffenen aber zumindest spüren beziehungsweise schmecken.
Durchführung
Mithilfe der Olfaktometrie (Riechtest) ist es möglich, das Ausmaß einer Riechstörung zu bestimmen. Vor der Durchführung der Riechprüfung steht die sogenannte Anamnese: Hierbei erkundigt sich der Arzt ausführlich nach möglichen Gründen für die Geruchsstörung. So möchte er zum Beispiel wissen,
- ob Begleiterkrankungen (v.a. Virusinfektionen) vorliegen oder
- ob Sie einen Unfall hatten,
- welche Medikamente Sie einnehmen,
- ob Sie besondere Ess- und Trinkgewohnheiten haben oder
- ob Sie rauchen.
Für diese Anamnese und zur Dokumentation der Olfaktometrie stehen auch spezielle Fragebögen zur Verfügung. Neben der ausführlichen Befragung kann vor dem Riechtest eine HNO-Untersuchung erfolgen, bei welcher der Arzt das Innere der Nase mit dem Endoskop betrachtet.
Der Riechtest selbst kann subjektiv und objektiv erfolgen. In der Durchführung unterscheiden sich subjektive und objektive Olfaktometrie wie folgt:
Die subjektive Olfaktometrie ist ein Geruchstest, der Ihre aktive Mitarbeit notwendig macht. Es stehen verschiedene subjektive Testverfahren zur qualitativen und quantitativen Geruchsprüfung zur Verfügung:
- Der qualitative Riechtest besteht darin, dass Sie bestimmte Duftstoffe erkennen und benennen müssen: Dazu bekommen Sie verschiedene Riechstoffe geboten, die man Ihnen vor die Nase oder jeweils getrennt vor eines der beiden Nasenlöcher hält. Für die qualitative Olfaktometrie stehen unter anderem sogenannte Riechstifte oder Sniffin-Sticks in Form gewöhnlicher Filzstifte zur Verfügung, die zum Beispiel nach Zimt, Haushaltsreiniger, Terpentin oder Pfefferminz riechen: Aus diesen Sniffin-Sticks erschnüffeln Sie dann die Testsubstanz.
- Der quantitative Riechtest soll zeigen, in welcher Konzentration Sie einen Duftstoff noch wahrnehmen können. Als grob qualitatives Olfaktometrie-Verfahren kann eine definierte Verdünnungsreihe weniger Testsubstanzen zum Einsatz kommen.
Die objektive Olfaktometrie ermöglicht es, Ihre Reaktion auf Riechstoffe unabhängig von Ihren Aussagen zu erfassen – Ihre aktive Teilnahme ist also nicht nötig. Dazu bringt man Ihnen Duftstoffe in verschiedenen Konzentrationen dar. Ein objektiver Riechtest ist die Messung der Riechpotenziale: Hierbei misst man computergesteuert die durch einen Reiz ausgelösten Hirnströme (evozierte EEG-Potenziale) und wertet sie aus.
Die objektive Olfaktometrie hat eine besondere Bedeutung bei medizinischen Gutachten. Außerdem ist sie unentbehrlich, wenn jemand körperlich oder geistig nicht fähig ist, bei einem Riechtest aktiv mitzumachen: So ist die objektive Olfaktometrie zum Beispiel bei kleinen Kindern oder bei einer Demenz die einzige Möglichkeit, den Geruchssinn zu untersuchen.
Anwendungsgebiete
Die Olfaktometrie (Riechtest) bietet sich bei Riechstörungen zur Diagnose an, wobei die Anwendungsgebiete breit gefächert sind, denn: Eine Riechstörung kann viele Ursachen haben kann. Anhand der Gründe für ein schlechtes Riechvermögen kann man Geruchsstörungen in zwei Gruppen unterteilen:
- sinunasale Riechstörungen (d.h. Riechstörungen durch Erkrankungen der Nase und Nasennebenhöhlen),
- entweder infolge entzündlicher (infektiöser o. nicht-infektiöser) Vorgänge
- oder infolge nicht-entzündlicher Faktoren (z.B. anatomische Verengungen, operative Entfernung des Kehlkopfs, gestörter Hormonhaushalt)
- nicht-sinunasale Geruchsstörungen, häufig bei krankhaft verändertem Riechapparat (z.B. durch angeborenen Defekt, Unfallverletzung o. toxische Einflüsse)
Mögliche Anwendungsgebiete der Olfaktometrie sind demnach Erkältungen und Allergien (z.B. Heuschnupfen), bei denen der Geruchssinn – vor allem wegen der geschwollenen Schleimhäute – vermindert ist. Gleiches gilt bei Nasenpolypen oder Mandelentzündungen. Daneben kann ein Riechtest zeigen, ob bei Unfällen eingeatmete oder mit Medikamenten eingenommene Giftstoffe Verletzungen der Nase, des Riechnervs oder des Riechzentrums im Gehirn verursacht haben.
Durch manche Allgemeinerkrankungen können sich für die Olfaktometrie weitere Anwendungsgebiete ergeben: Zeigt der Riechtest einen schlechten oder fehlenden Geruchssinn, kann dies zum Beispiel möglicherweise auf Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), Bluthochdruck (Hypertonie) oder eine Mangelernährung beziehungsweise Fehlernährung hinweisen. Darüber hinaus bietet sich die Riechprüfung als eines von mehreren Testverfahren für die Frühdiagnose von Parkinson und Alzheimer an, da bei beiden Erkrankungen schon im sehr frühen Krankheitsverlauf der Geruchssinn gestört ist: Rund 80 Prozent aller Menschen mit Parkinson und Alzheimer haben Geruchsstörungen, da die Krankheiten Zellschäden im für das Riechen zuständigen Teil des Gehirns verursachen.