Penicilline

Von: Andrea Lubliner (Pharmazeutin und Fachtexterin für medizinische Fachtexte)
Letzte Aktualisierung: 25.09.2007

Wirkstoffe

Folgende Wirkstoffe sind der Wirkstoffgruppe "Penicilline" zugeordnet

Anwendungsgebiete dieser Wirkstoffgruppe

Penicilline sind Antibiotika, also Substanzen, die Bakterien abtöten und an der Vermehrung hindern. Sofern keine Überempfindlichkeit gegen diese Wirkstoffgruppe besteht, sind Penicilline Mittel der Wahl bei vielen bakteriellen Infektionen. Allerdings dürfen die Erreger gegen Penicilline nicht resistent sein.

Aufgrund ihrer verschiedenen Eigenschaften werden folgende Untergruppen von Penicillinen unterschieden:
  • Benzylpenicillin (Penicillin G) war das erste der therapeutisch genutzten Penicilline. Es ist nicht säurefest, sodass es im Magen bei oraler Gabe einen deutlichen Wirkungsverlust erleidet. Benzylpenicillin muss daher stets als Spritze oder Infusion gegeben werden. Des Weiteren hat Benzylpenicillin den Nachteil, dass es leicht von Bakterien abgebaut wird. Bilden die Erreger das Enzym Penicillinase (auch Beta-Lactamase genannt), so können sie Benzylpenicillin leicht spalten und unwirksam machen. Deshalb umfasst Benzylpenicillin kein sehr breites Keimspektrum.
    Trotz der geschilderten Nachteile wird Benzylpenicillin wegen seiner guten Verträglichkeit und starken Wirkung gegen empfindliche Keime gerne eingesetzt. Es ist immer noch gebräuchlich bei folgenden Erregern und Infektionen: Bei Infektionen mit Streptokokken (Hautinfektionen) und Pneumokokken (Erregern von Lungenentzündung), Diphtherie-Bakterien, Clostridien und Milzbrandkeimen, Gonokokken (Tripper-Erreger) und Meningokokken (Hirnhautentzündung) sowie gegen Spirochäten (Erreger der durch Zecken übertragenen Borreliose).
  • Oralpenicilline wie Phenoxymethylpenicillin (Penicillin V) und Propicillin sind in ihrem Wirkspektrum mit Benzylpenicillin vergleichbar. Beide Penicilline haben den Vorteil, dass sie über den Mund gegeben werden können. Allerdings haben sie nur die Hälfte bis ein Viertel der Wirkstärke des Benzylpenicillins und werden ebenfalls leicht von Penicillinase gespalten. Das neuere Pivecillinam zum Einnehmen wird weniger von Beta-Lactamasen angegriffen, hat aber auch ein nur schmales Wirkspektrum vor allem gegen gram-negative Bakterien.
  • Penicillinase-feste Penicilline sind, wie die Bezeichnung besagt, stabiler gegen die Penicillinase als die vorgenannten Penicilline. Zu dieser Wirkstoffgruppe gehören Oxacillin, Dicloxacillin und Flucloxacillin. Sie sind ausschließlich gegen Staphylokokken wie zum Beispiel Staphylokokkus aureus wirksam. Leider ist dieser sehr zähe Keim oft auch resistent gegen Penicillinase-stabile Penicilline und viele weitere Antibiotika. Das stellt vor allem in den Krankenhäusern ein ernstes Problem dar.
  • Aminopenicilline sind die modernsten Penicilline. Es gehören dazu Ampicillin, Amoxicillin, Mezlocillin und Piperacillin. Nur Amoxicillin und Ampicillin kann man einnehmen - alle anderen müssen als Spritzen oder Infusionen gegeben werden. Ampicillin wird vor allem bei Infektionen der Atem-, Harn- und Gallenwege, bei Mittelohrentzündung, Keuchhusten und Blutvergiftung eingesetzt. Amoxicillin dient der Behandlung der gleichen Infektionen. Mezlocillin ist besonders gut gegen Enterokokken wirksam, die Eingeweideinfektionen verursachen. Piperacillin wirkt besonders stark gegen Pseudomonas aeruginosa, einen ähnlichen Problemkeim wie Staphylokokkus aureus.
Um die verschiedenen Probleme bei den Penicillinen zu umgehen, gibt es vielfältige Kombinationen. So erweitert man die Wirkungsspektren der Einzelpenicilline, indem man oft eines, das gegen die Penicillinase unempfindlich ist, mit einem Penicillinase-empfindlichen kombiniert. Oder man gibt ein Penicillinase (Beta-Lactamase)-festes Penicillin mit einem zusätzlichen Wirkstoff, der das Enzym Beta-Lactamase hemmt. So werden die Bakterien nicht dazu gereizt, Penicillinase (Beta-Lactamase) zu bilden. Entsprechende Beta-Lactamase-Hemmer sind Clavulansäure, Sulbactam und Tazobactam.

Die Dosierung der Penicilline und der Kombinationen richtet sich nach der Schwere der Infektion und den verwendeten Wirkstoffen.

Wirkung

Penicilline gehören zu der großen Gruppe der Beta-Lactam-Antibiotika und haben deren Wirkmechanismus. Beta-Lactam-Antibiotika schwächen den Zellwandaufbau der Bakterien durch Blockierung des dafür wichtigen Enzyms Transpeptidase. Beim Wachstum und der Vermehrung der Krankheitskeime führen die so entstandenen Schwachstellen in der Zellhülle zum Einreißen der Bakterienwand und zum Tod des Erregers. Die Penicilline wirken also bakterizid. Allerdings sind sie nur gegen Bakterien im Wachstums- und Vermehrungsstadium wirksam, so lange die Erreger Zellwände aufbauen müssen. Ruheformen wie zum Beispiel Bakteriensporen werden von den Penicillinen nicht erfasst.

Resistenz gegen die Penicilline bildet sich vor allem, wenn es den Bakterien gelingt, das Enzym Beta-Lactamase herzustellen. Dann können sie die Grundstruktur des Penicillinmoleküls zerstören, was zu Wirkungslosigkeit führt. Eine andere Form der Resistenz entsteht, wenn das Bakterium die Eiweiß-Strukturen seiner Oberfläche so verändert, dass sich das Penicillin nicht mehr daran binden kann.

Penicilline sind sehr wenig giftig. Nur bei extrem hohen Dosen oder bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion, Epilepsie und Hirnhautentzündung werden manchmal Störungen der Nerven beobachtet. Die weitaus wichtigste Nebenwirkung der Penicilline ist die Ausbildung einer Allergie. Hier kann es bis zum tödlichen Schock kommen. Vorsicht ist auch bei der Gabe anderer Beta-Lactam-Antibiotika wie Cephalosporine, Carbapeneme und dem Aztreonam geboten, bei denen es zu einer Reaktion aufgrund einer Kreuzallergie kommen kann.

Interessant ist die Geschichte der Penicilline: Das allererste Antibiotikum wurde 1928 zufällig von einem Bakteriologie-Professor entdeckt, Alexander Fleming. Er bemerkte, dass ein Schimmelpilz eine seiner Kulturschalen mit dem Bakterium Staphylokokkus aureus befallen und die Bakterien darin vernichtet hatte. Es war der Schimmelpilz Penicillium notatum, der der ganzen Wirkstoffgruppe später ihren Namen gab. Viele andere Forscher arbeiteten in den Folgejahren daran, die vom Schimmelpilz abgesonderten bakterienhemmenden Stoffe in Medikamente umzusetzen, die auch dem Menschen nützlich sein konnten. Die Penicilline waren die ersten Antibiotika, die jemals therapeutisch genutzt wurden.