Gyrasehemmer (Chinolone)
auch bezeichnet als:
antibakterielle Chinoloncarbonsäuren; Chinolonantibiotika; Chinolone; DNA-Gyrase-Hemmer ; Fluorchinolone; Mittel zur Gyrase-Enzym-Hemmung; Quinolone
Wirkstoffe
Folgende Wirkstoffe sind der Wirkstoffgruppe "Gyrasehemmer (Chinolone)" zugeordnet
Anwendungsgebiete dieser Wirkstoffgruppe
Gyrasehemmer sind Antibiotika und werden bei bakteriellen Infektionen eingesetzt. Je nach verwendetem Arzneistoff werden unterschiedliche Bakterien erfasst. Hieraus erklären sich auch die unterschiedlichen Einsatzgebiete. Normalerweise werden die Medikamente in Form von Tabletten, Kapseln oder Säften eingenommen, können aber ebenso als Spritzen oder Infusionen zur Anwendung kommen. Einzelne Wirkstoffe sind auch in Ohrentropfen oder Augentropfen verarbeitet.
Jeder Anwendung von Gyrasehemmern muss eine strenge ärztliche Nutzen-Risiko-Abwägung vorausgehen. Es können nämlich schwere und auch langanhaltende Nebenwirkungen auftreten, die möglicherweise bleibende Schäden am Bewegungsapparat oder dem Nervensystem bedingen.
Fast alle Gyrasehemmer eignen sich zur Anwendung gegen Niereninfektionen und schweren Harnwegsinfektionen. Ausschließlich bei diesen Erkrankungen wirkt Norfloxacin. Norfloxacin kann auch gegen Geschlechtskrankheiten (wie Gonorrhöe also Tripper) angewendet werden. Dort darf es aber nur eingesetzt werden, wenn andere Antibiotika nicht wirksam sind.
Levofloxacin, das auch in Augentropfen oder Infusionen gegeben wird, erfasst Infektionen der Niere, Harnwege, Haut, Weichteile und Augen.
Moxifloxacin wird, was eine Ausnahme darstellt, nur bei Infektionen der Bronchien und der Nasennebenhöhlen angewendet. Als Infusionslösung dient es zur Behandlung einer schweren Lungenentzündung.
Ein wesentlich größeres Anwendungsgebiet decken die beiden Arzneistoffe Ofloxacin und Ciprofloxacin ab. Beide können nicht nur eingenommen, sondern auch als Infusion oder Augentropfen, (Ciprofloxacin zudem als Ohrentropfen) gegeben werden. Hier sind die Einsatzgebiete Niereninfektionen, schwere Harnwegsinfektionen und Hautinfektionen, Infektionen der Weichteile und Knocheninfektionen sowie Gelenksinfektionen. Weiterhin werden Infektionen des Magen-Darm-Traktes (wie Bauchfellentzündungen), Gallenwegsinfektionen, Infektionen des Hals-Nasen-Ohren-Bereichs und Infektionen am Auge behandelt. Ofloxacin wie Ciprofloxacin dienen auch zur Vorbeugung von Infektionen bei Patienten mit verminderter Immunabwehr (zum Beispiel bei Anwendung von Immunsuppressiva).
Verboten ist der Einsatz aller Gyrasehemmer zur Vorbeugung von Reisedurchfall oder gegen häufige Harnwegsinfektionen.
Ciprofloxacin kann bei einigen weiteren speziellen Erkrankungen angewendet werden. Hierzu zählen die Blutvergiftung (auch Sepsis genannt), die Cystische Fibrose bei Kindern sowie die Soforttherapie und Behandlung bei Milzbrand.
Generell wirken Gyrasehemmer nicht gegen Pilze oder Viren und nur unzureichend gegen so genannte Anaerobier.
Wirkung
Gyrasehemmer sind antibiotisch wirkende Substanzen. Sie werden vollständig synthetisch hergestellt. Gyrasehemmer werden nach einem Teil ihrer chemischen Struktur auch häufig als Chinolone bezeichnet.
Die Wirkung der Gyrasehemmer setzt am Erbgut der Bakterien an. In diesem Erbgut sind die Baupläne aller für die Erreger wichtigen Eiweiße gespeichert. Die Masse der Informationen ist in einem langen, strickleiterförmigen Molekül, der DNA-Kette enthalten, welche im Zellkern der Bakterien aus Platzgründen verdreht untergebracht ist. Soll ein Eiweiß hergestellt werden, muss zunächst der Bauplan dazu von dem entdrillten DNA-Molekül abgelesen werden. Diese Aufdrehung und später wieder die Verdrillung bewirkt das spezielle und nur bei Bakterien vorkommende EnzymDNA-Gyrase. Dieses Enzym wird von den Gyrasehemmern blockiert. Damit unterbinden sie die Herstellung von Eiweißen, die für die Erreger lebenswichtig sind und bewirken die Abtötung der Keime. Diese abtötende Wirkung wird auch als Bakterizidie bezeichnet. Bei den Wirkstoffen Ofloxacin und Ciprofloxacin lassen Versuche allerdings eine weitere bisher nicht bekannte Wirkkomponente vermuten.
Die älteren Wirkstoffe aus der Gyrasehemmer-Gruppe werden als Gyrasehemmer der 1. Generation bezeichnet. Sie besaßen nur eine geringe Wirkung gegen wenige Keime und wirkten ausschließlich im Harnwegsbereich. Daher ist von diesen Substanzen nur noch gelegentlich die Pipemidsäure im Einsatz. Die weiterentwickelten Gyrasehemmer der 2. Generation haben ein deutlich größeres Wirkspektrum als die Gyrasehemmer der ersten Generation. Das heißt, sie wirken gegen viele verschiedene Keime und das praktisch überall im Körper. Allein das Norfloxacin kommt ausschließlich bei Harnwegsinfektionen zur Anwendung.
Gyrasehemmer werden gerne im ambulanten Bereich eingesetzt, weil sie auch bei der Einnahme über den Mund sehr wirksam sind. Aus dem Darm werden sie in hohem Maße in das Blut aufgenommen und gelangen auf diesem Wege in die verschiedensten Körpergewebe (wie Lunge, Knochen, Knorpel, Hirnwasser). Dort erreichen sie ausreichend hohe Konzentrationen, um Bakterien abzutöten.
Als Nebenwirkungen treten bei den Gyrasehemmern häufig (wie auch bei anderen Antibiotika) Magen-Darm-Beschwerden auf. Schwer wiegender sind mögliche Knorpelschäden mit dem Risiko eines Risses der Achillessehne. Diese Nebenwirkung tritt besonders bei Kombination mit Glukokortikoiden auf. Ebenso schwer wiegend sind das Gehirn betreffende Nebenwirkungen der Gyrasehemmer. Diese können von Kopfschmerzen und Schwindel bis hin zu Depressionen, Erregungszuständen und Psychosen reichen. Außerdem könnnen Gyrasehemmer den Blutzuckerspiegel senken und damit in seltenen Fällen zu so genannten Unterzuckerungen (Hypoglykämien) führen. Diese treten typischerweise in den ersten drei Tagen nach Therapiebeginn auf. Vor allem ältere Patienten mit Diabetes mellitus vom Typ 2 und darunter besonders diejenigen, die als Blutzuckersenker Sulfonylharnstoffe einnehmen, scheinen gefährdet zu sein. Die Anzeichen einer Unterzuckerung sind Nervosität, kalter Schweiß, Bewusststeinstrübungen und manchmal auch Fieber.
Aufgrund der beschriebenen möglichen Knorpelschädigungen sollen Gyrasehemmer möglichst nicht während der Schwangerschaft und nicht bei Kindern vor Abschluss der Wachstumsphase (Ausnahme: bei cystischer Fibrose) gegeben werden. Da Gyrasehemmer auch die zentrale Erregbarkeit des Gehirns erhöhen, dürfen sie nicht bei Epilepsie-Patienten eingesetzt werden. Die Krampfbereitschaft und Bereitschaft zu epileptischen Anfällen wird durch die Kombination von Gyrasehemmern mit nicht-steroidalen Antiphlogistika oder nicht-opioiden Schmerzmitteln (mit Ausnahme der Acetylsalicylsäure) noch verstärkt.
Da von einigen Gyrasehemmern der Patentschutz abgelaufen ist und Nachahmerpräparate existieren, werden sie heute recht häufig eingesetzt. Dies führt leider vermehrt zur Resistenzentwicklung der Keime.