Glitazone

Von: Andrea Lubliner (Pharmazeutin und Fachtexterin für medizinische Fachtexte)
Letzte Aktualisierung: 29.10.2007

auch bezeichnet als:
Insulinsensitizer; PPAR-gamma-Agonisten; Thiazolidindione

Wirkstoffe

Folgende Wirkstoffe sind der Wirkstoffgruppe "Glitazone" zugeordnet

Anwendungsgebiete dieser Wirkstoffgruppe

Zucker ist einer der wichtigen Energielieferanten für den Körper. Er wird von der Leber selbst produziert, der Hauptanteil stammt aber aus der Nahrung. Mit ihr nehmen wir große Mengen an Zucker, aber auch andere Nahrungsstoffe wie Mehrfachzucker und Stärke zu uns. Leztere werden vom Körper zu einfachem Zucker ab- oder umgebaut. Zucker gelangt schnell ins Blut und der Blutzuckerspiegel steigt. Das löst die Ausschüttung des HormonsInsulin aus, das in den so genannten Langerhans‘schen Inselzellen der Bauchspeicheldrüse produziert wird. Es sorgt dafür, dass die Körperzellen den Zucker aus dem Blut aufnehmen. Insbesondere an Fettzellen, aber auch an Leber- und Muskelzellen befinden sich die Insulinrezeptoren, in die das Insulin wie ein Schlüssel zu einem Schloss passt. Die Bindung des Insulins an die Zelle veranlasst sie, Zucker aus dem Blut aufzunehmen. So normalisiert sich der Blutzuckergehalt nach einer Mahlzeit bei Gesunden rasch wieder.

Bei Zuckerkranken (Diabetikern) ist dieses Zusammenspiel durcheinander geraten:
  • Beim Diabetes mellitus Typ 1 funktioniert die Insulinproduktion in den Langerhans‘schen Inselzellen der Bauchspeicheldrüse nicht mehr. Sie wurden allmählich durch einen Angriff des körpereigenen Immunsystems zerstört. So steht nicht mehr genügend Insulin für die Zuckeraufnahme aus dem Blut zur Verfügung.
  • Bei Diabetes mellitus Typ 2 haben sich die Langerhans‘schen Inseln durch eine jahrelange Fehlernährung erschöpft. Zusätzlich funktioniert allerdings auch das Insulin-Signal an die Körperzellen nicht mehr. Entweder fehlt ein Großteil der entsprechenden Rezeptoren an den Zellen oder sie reagieren weniger empfindlich. Dann spricht der Arzt von einer Insulinresistenz. Auch wenn die Bauchspeicheldrüse noch etwas Insulin produziert, wird dennoch in einem solchen Fall nicht mehr genügend Zucker in die Zellen aufgenommen.
Der Blutzuckerspiegel bleibt bei Zuckerkranken nach der Nahrungsaufnahme dauerhaft erhöht. Das aber führt zu Schäden an den Blutgefäßen und Durchblutungsstörungen. Diese können Erblindung, Amputationen, Herzinfarkt und Schlaganfall zur Folge haben.

Glitazone werden zur Behandlung eines Diabetes mellitus vom Typ 2 eingesetzt, wenn Ernährungsumstellung und vermehrte körperliche Aktivität keine Besserung herbeiführen konnten. Ziel der Behandlung ist es, die Insulinrezeptoren der Körperzellen gegenüber Insulin wieder empfindlicher zu machen. Als Folge der Behandlung mit Glitazonen sinkt der Blutzuckerspiegel. Auch Blutfette und Blutdruck werden günstig beeinflusst.

Patienten, die hochgefährdet sind, eine Zuckerkrankheit zu entwickeln oder schon grenzwertige Blutzuckerkonzentrationen haben, können durch Gabe von Glitazonen möglicherweise vor dem Ausbruch der Krankheit beschützt werden. In einer großen Studie mit Rosiglitazon verminderte der Wirkstoff das Risiko für die Entstehung eines Diabetes mellitus vom Typ 2 um 62 Prozent.

Zur Behandlung des Diabetes mellitus vom Typ 2 sind die noch recht neuen Arzneistoffe der Gruppe der Glitazone, Rosiglitazon und Pioglitazon, bisher nicht als Monotherapie, sondern nur zusammen mit Metformin oder Sulfonylharnstoffen und Abkömmlingen zugelassen. Auch die Dreifachkombination von Sulfonylharnstoffen und Metformin mit Glitazonen ist möglich.

Wann welche Kombination eingesetzt wird, zeigt folgende Übersicht:
  • In der Kombination mit Metformin werden Glitazone dann eingesetzt, wenn eine vorherige Metformin-Behandlung nicht zu einer ausreichenden Besserung der Stoffwechselsituation geführt hat.
  • In der Kombination mit Sulfonylharnstoffen und Abkömmlingen sind Glitazone zugelassen, wenn Metformin wegen einer Unverträglichkeit oder Gegenanzeige nicht genommen werden darf und eine vorherige alleinige Behandlung mit Sulfonylharnstoffen keinen ausreichenden Erfolg hatte.
  • Eher selten werden Glitazone in einer Dreifach-Kombination mit Sulfonylharnstoffen und Metformin eingesetzt. Zugelassen ist die Behandlung nur, wenn eine vorherige Kombination von Sulfonylharnstoffen und Metformin den Blutzucker nicht ausreichend senken konnte. Allerdings kommt es recht häufig zu Nebenwirkungen. Daher sollte vielleicht eher einer Umstellung der Behandlung auf Insuline der Vorzug gegeben werden.

Wirkung

Glitazone haben keinen Einfluss auf die Insulinproduktion in der Bauchspeicheldrüse. Nachdem sie in die Körperzellen gelangt sind, aktivieren Glitazone am Zellkern den so genannten PPAR-Gamma-Rezeptor (peroxisomal proliferator activated gamma receptor). Dieser Rezeptor spielt eine zentrale Rolle in der Steuerung des Zucker-, aber auch des Fettstoffwechsels. Seine Aktivierung bewirkt eine vermehrte Bildung von Eiweißstoffen, die dem Zuckertransport in die Zellen dienen. Damit wirken Glitazone einer Insulinresistenz entgegen. In der Leber wird zudem der Zuckeraufbau vermindert und der Zuckerabbau gefördert.

Im Fettgewebe werden durch die Einwirkung der Glitazone freie Fettsäuren vermehrt in die Zellen aufgenommen. Dadurch sinkt als zusätzlicher Effekt dieser Wirkstoffgruppe der Blutfettspiegel, was bei Diabetikern sehr erwünscht ist.

Beide Glitazone, Rosiglitazon wie Pioglitazon, scheinen nach bisherigem Kenntnisstand keine schädlichen Auswirkungen auf die Leber zu besitzen. Bei einem ähnlichen Wirkstoff (der deswegen gar nicht erst auf den Markt gelangte) kam es allerdings zu schweren Leberfunktionsstörungen. Daher sollten auch bei der Anwendung von Rosiglitazon und Pioglitazon die Leberfunktion und die Leberwerte streng überwacht werden.

Eventuell können Glitazone eine vermehrte Wassereinlagerung ins Gewebe (Ödeme) bewirken. Die Konzentration an Hämoglobin (roter Blutfarbstoff) im Blut kann bei Behandlung mit Glitazonen abnehmen, was möglicherweise eine Folge der durch Wassereinlagerungen bewirkten Blutverdünnung ist. Auf jeden Fall können Wassereinlagerungen die Pumpfunktion des Herzens nachhaltig stören. Deshalb sollten Patienten mit Herzmuskelschwäche nicht mit Glitazonen behandelt werden.

Zu beachten ist, dass durch die verbesserte Insulinwirkung bei der Kombinationsbehandlung mit Glitazonen und Sulfonylharnstoffen Unterzuckerungen auftreten können. Die Dosis der Sulfonylharnstoffe muss dann reduziert werden.