Tiaprid
Allgemeines
Tiaprid zählt zu den nervendämpfenden Wirkstoffen und wird bei nervenbedingten Störungen der Bewegungsabläufe eingesetzt. Dabei handelt es sich beispielsweise um die unwillkürlichen Muskelbewegungen (Tics), die als Nebenwirkung bei der Behandlung mit Neuroleptika auftreten. In einigen wenigen Anwendungsbeobachtungen konnten mit dem Wirkstoff auch Bewegungsstörungen gelindert werden wie sie bei der Nervenerkrankung Chorea Huntington auftreten.
Welchen Zwecken dient dieser Wirkstoff?
- Bewegungsstörungen bei Chorea Huntington verringern
- Bewegungsstörungen behandeln, die als Nebenwirkung von Neuroleptika auftreten
Gegenanzeigen
Im Folgenden erhalten Sie Informationen über Gegenanzeigen bei der Anwendung von Tiaprid im Allgemeinen, bei Schwangerschaft & Stillzeit sowie bei Kindern. Bitte beachten Sie, dass die Gegenanzeigen je nach Arzneiform eines Medikaments (beispielsweise Tablette, Spritze, Salbe) unterschiedlich sein können.
Wann darf Tiaprid nicht verwendet werden?
Der Wirkstoff darf nicht angewendet werden bei- Überempfindlichkeit gegen Tiaprid
- Tumoren des Nebennierenmarks (Phäochromozytom)
- Krebsformen, die von dem milchbildenden Hormon
Brustkrebs und Tumoren der Hirnanhangdrüse - einem bösartigen neuroleptischen Syndrom, einer seltenen Nebenwirkung von Neuroleptika, die unter anderem mit Muskelsteifigkeit, Blick-Krämpfen, Schwitzen, Fieber und Verwirrtheit einhergeht.
Nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung durch den Arzt darf der Wirkstoff verordnet werden bei
- Patienten mit Risikofaktoren für Herzrhythmusstörungen wie Herzschlagverlangsamung unter 55 Schläge/Minute, Blut-Kaliummangel, Verlängerung des QT-Intervalls im EKG oder Behandlung mit Medikamenten, die solche Nebenwirkungen haben
- Parkinson-Krankheit
- Risikofaktoren für einen Schlaganfall wie beispielsweise Bluthochdruck und beschleunigter Blutgerinnung
- Patienten mit Epilepsie, weil Neuroleptika die Krampfbereitschaft des Gehirns erhöhen
- eingeschränkter Nierenfunktion (Niereninsuffizienz), weil Tiaprid vorwiegend über die Nieren ausgeschieden wird
- Kindern, Jugendlichen und älteren Patienten. Hier sollte die Entscheidung zur Therapie aufgrund bestehender Risiken vom Arzt gut überdacht werden.
Was müssen Sie bei Schwangerschaft und Stillzeit beachten?
Bisher wurden keine ausreichenden Studien für die Verwendung von Tiaprid bei Schwangeren durchgeführt. Die hoch dosierte Einnahme von Tiaprid während der Schwangerschaft kann zu Bewegungsstörungen beim Neugeborenen führen. Im Tierexperiment haben sich auch schädliche Wirkungen bei den Ungeborenen gezeigt. Eine Behandlung mit Tiaprid während der Schwangerschaft sollte deshalb nur nach strenger Nutzen-Risiko-Abwägung durch den Arzt erfolgen.
Mütter, die im letzten Schwangerschaftsdrittel den Wirkstoff einnehmen, gefährden ihre Neugeborenen durch Nebenwirkungen wie Bewegungsstörungen und Entzugserscheinungen. Diese können sich in Aufregung, Muskelverspannungen oder -schlaffheit, Zittern, Schläfrigkeit, Atemnot oder Störungen bei der Nahrungsaufnahme äußern. Solche Neugeborene müssen sorgfältig ärztlich überwacht werden.
Da der Wirkstoff in die Muttermilch übergeht, muss die Mutter abstillen, wenn der Arzt eine Behandlung mit Tiaprid für notwendig hält.
Was ist bei Kindern zu berücksichtigen?
Kinder und Jugendliche dürfen nur nach Nutzen-Risiko-Abwägung durch einen Facharzt (Psychiater) mit Tiaprid in Tablettenform behandelt werden. Da es für die Anwendung als Spritze keine Erfahrungen mit Kindern und Jugendlichen gibt, wird die Injektion des Wirkstoffes bei dieser Altersgruppe nicht empfohlen.
Die Tabletten müssen bei Kindern und Jugendlichen besonders langsam (einschleichend) und vorsichtig dosiert werden. Der Erfolg und die Nebenwirkungen der Behandlung sind in kurzen Abständen vom Arzt sorgfältig zu kontrollieren.
Welche Nebenwirkungen kann Tiaprid haben?
Im Folgenden erfahren Sie das Wichtigste zu möglichen, bekannten Nebenwirkungen von Tiaprid. Diese Nebenwirkungen müssen nicht auftreten, können aber. Denn jeder Mensch reagiert unterschiedlich auf Medikamente. Bitte beachten Sie außerdem, dass die Nebenwirkungen in Art und Häufigkeit je nach Arzneiform eines Medikaments (beispielsweise Tablette, Spritze, Salbe) unterschiedlich sein können.
Häufige Nebenwirkungen:
Schwindel, Kopfschmerzen, Benommenheit, Schläfrigkeit, Unruhe, Teilnahmslosigkeit, Schlaflosigkeit, Schwäche, Müdigkeit, Blutdruckabfall bei Körperlageveränderung.
Zu Beginn einer Behandlung:
Parkinson-ähnliche Beschwerden wie Zittern, Muskelsteife, Bewegungsarmut und vermehrter Speichelfluss. Diese Symptome bilden sich in der Regel nach Gabe eines Muskarinrezeptor-Antagonisten wie beispielsweise Biperiden zurück.
Gelegentliche Nebenwirkungen:
Erhöhung der Blutkonzentration an dem Hormon Prolaktin, Brustvergrößerung, krankhafter Milchfluss, Regelschmerzen, Regelausfall, Orgasmusstörungen und Potenzstörungen beim Mann, Gewichtszunahme, Bewegungsstörungen wie Muskelkrämpfe, Schiefhals, Blickkrämpfe, Kiefersperre, Sitzunruhe. Die Bewegungsstörungen bilden sich in der Regel nach Gabe eines Anticholinergikums wie beispielsweise Biperiden zurück.
Nebenwirkungen mit unbekannter Häufigkeit:
Blutdrucksenkung (geringfügig), Störungen des Nervensystems, Herzrhythmusstörungen.
Nach einer längeren Behandlungsdauer (mehr als 3 Monate):
unwillkürliche Bewegungen vornehmlich der Zunge und/oder der Gesichtsmuskulatur.
Wie bei allen Neuroleptika kann - allerdings sehr selten - ein malignes neuroleptisches Syndrom auftreten, welches eine Komplikation darstellt, die möglicherweise tödlich ist. Das maligne neuroleptische Syndrom ist gekennzeichnet durch hohes Fieber, Muskelsteife, Fehlfunktion des unbewußten Nervensystems, Bewusstseinstrübung und einen erhöhten Kreatinphosphokinase-Wert (deutet auf Muskelschäden hin). Deshalb soll, insbesondere bei hohem Fieber oder einer der anderen genannten Beschwerden sofort der Arzt verständigt werden, der die Therapie mit Tiaprid gegebenenfalls absetzt.
Welche Wechselwirkungen zeigt Tiaprid?
Bitte beachten Sie, dass die Wechselwirkungen je nach Arzneiform eines Medikaments (beispielsweise Tablette, Spritze, Salbe) unterschiedlich sein können.
Die gleichzeitige Gabe des Parkinson-MittelsLevodopa und Tiaprid ist verboten, da sich die Medikamente in ihrer Wirkung gegenseitig aufheben.Tiaprid verstärkt die Wirkung anderer auf das Gehirn dämpfend wirkenden Medikamente. Hierzu gehören opioide Schmerzmittel, Barbiturate, Benzodiazepine, angstlösende Medikamente, H1-Antihistaminika (gegen Allergie) sowie manche Blutdrucksenker wie beispielsweise Clonidin.
Die Wirkung anderer Neuroleptika kann durch Tiaprid verstärkt werden.
Die beruhigende Wirkung von Tiaprid wird durch Alkohol verstärkt. Der Genuss von alkoholischen Getränken sowie die Einnahme von Alkohol enthaltenden Nehrungsmitteln oder Medikamenten sollte daher vermieden werden.
Muskarinrezeptor-Antagonisten wie Biperiden können die Wirkung von Tiaprid abschwächen.
Tiaprid sollte nicht mit Medikamenten kombiniert werden, die schwerwiegende Herzrhythmusstörungen (Torsade de pointes) auslösen können. Daher wird die Einnahme zusammen mit folgenden Wirkstoffen nicht empfohlen:
- Betablocker, Herzschlag-verlangsamende Calciumkanalblocker (Diltiazem und Verapamil), die Blutdrucksenker Clonidin und Guanfacin, Herzglykoside
- Medikamente, die einen Blut-Kaliummangel auslösen können wie beispielsweise Entwässerungsmittel, Abführmittel, das AntibiotikumAmphotericin B (in die Vene gespritzt), Glukokortikoide und die Hormon-ähnlichen Tetracosactide, die die Freisetzung weiterer Hormone beeinflussen. Besteht ein Blutkaliummangel, muss ihn der Arzt vor Beginn der Behandlung mit Tiaprid behandeln.
- Antiarrhythmika der Klasse I a (wie Chinidin und Disopyramid) und Antiarrhythmika der Klasse III (wie Amiodaron und Sotalol)
- die PsychopharmakaPimozid, Haloperidol, Sultoprid, Thioridazin
- das Drogen-Ersatzmittel Methadon
- trizyklische Antidepressiva und das ebenfalls gegen Depressionen wirksame Lithium
- der Blutdrucksenker Bepridil und das durchblutungsfördernde Vincamin
- das Magenmittel Cisaprid
- die Antibiotika Erythromycin (in die Vene gespritzt) und Sparfloxazin sowie Halofantrin (gegen Malaria) und Pentamidin (gegen Protozoen).
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen
- Bei Auftreten von Fieber und plötzlicher Muskelsteifigkeit im Kopf-Hals-Schulter-Bereich während der Behandlung ist der Arzt zu befragen, um ein malignes neuroleptisches Syndrom auszuschließen.
- Die gleichzeitige Einnahme von L-Dopa (Parkinsonmittel) ist nicht gestattet.
- Da das Medikament bei älteren Patienten verstärkt müde machend wirken kann, ist Vorsicht geboten.
- Das Trinken von Alkohol während der Behandlung ist verboten, da es Wirkung und Nebenwirkungen des Medikaments verstärken kann.
- Das Reaktionsvermögen kann durch das Medikament so weit vermindert werden, dass Autofahren und das Bedienung von Maschinen gefährlich sind. Dies gilt in verstärktem Maße im Zusammenwirken mit Alkohol.
Manchmal lösen arzneiliche Wirkstoffe allergische Reaktionen aus. Sollten Sie Anzeichen einer allergischen Reaktion wahrnehmen, so informieren Sie umgehend Ihren Arzt oder Apotheker.
Welche Medikamente beinhalten Tiaprid?
Folgende Tabelle zeigt alle erfassten Medikamente, in welchen Tiaprid enthalten ist.In der letzten Spalte finden Sie die Links zu den verfügbaren Anwendungsgebieten, bei denen das jeweilige Medikamente eingesetzt werden kann.
So wirkt Tiaprid
Im Folgenden erfahren Sie mehr zu den Anwendungsgebieten und der Wirkungsweise von Tiaprid. Lesen Sie dazu auch die Informationen zur Wirkstoffgruppe Neuroleptika, zu welcher der Wirkstoff Tiaprid gehört.
Anwendungsgebiet des Wirkstoffs Tiaprid
Tiaprid zählt zu den nervendämpfenden Wirkstoffen und wird bei nervenbedingten Störungen der Bewegungsabläufe eingesetzt. Dabei handelt es sich beispielsweise um die unwillkürlichen Muskelbewegungen (Tics), die als Nebenwirkung bei der Behandlung mit Neuroleptika auftreten. In einigen wenigen Anwendungsbeobachtungen konnten mit dem Wirkstoff auch Bewegungsstörungen gelindert werden wie sie bei der Nervenerkrankung Chorea Huntington auftreten.
Am häufigsten zeigen sich Tics als plötzlich einsetzende, nicht vom Willen gesteuerte, zwecklose, abrupte, kurze Bewegungen, die auf einige Muskelgruppen beschränkt sind. Sie äußern sich zum Beispiel als Augenzwinkern, Nasehochziehen, Mund- oder Schulterzucken und Zurückwerfen des Kopfes. Die nervenbedingten Störungen können aber auch die Muskulatur von Nase, Mund oder Hals betreffen, so dass der Patient unwillkürlich bedeutungslose Töne und Geräusche ausstößt, Zungen- oder Kieferkrämpfe bekommt und nicht kontrollierbare Schmatz-, Schluck- und Kaubewegungen ausführt.
Untersuchungen der Tic-Ursachen deuten darauf hin, dass Stoffwechselvorgänge im Gehirn aus dem Gleichgewicht geraten. Sei es durch den Eingriff von Medikamenten wie den Neuroleptika oder auch bei der Erkrankung Chorea Huntington. Bei der Huntington-Krankheit, auch "Veitstanz" genannt, handelt es sich um eine seltene erbliche Erkrankung des Gehirns, bei der es zum einen zu Bewegungsstörungen und zum anderen zu Wesensänderungen bis hin zur Demenz kommt.
Zu folgenden Anwendungsgebieten von Tiaprid sind vertiefende Informationen verfügbar:
Wirkungsweise von Tiaprid
Tiaprid zählt zu den nervendämpfenden Wirkstoffen (Neuroleptika) aus der chemischen Gruppe der Benzamide.
Als Gegenspieler des Nervenbotenstoffes Dopamin verhindert der Wirkstoff in bestimmten Hirnregionen das Andocken von Dopamin an seine Bindungsstellen (Rezeptoren). Tiaprid wird als sogenanntes typisches Neuroleptikum bezeichnet, da der Wirkstoff ausschließlich an den D2- und D3-Bindungsstellen des Dopamin wirksam wird. Die Rezeptoren für andere Nervenbotenstoffe wie Serotonin, Noradrenalin und Histamin werden dagegen nicht besetzt. Tiaprid wirkt daher ausschließlich auf die Steuerung der Bewegung, ohne müde zu machen, Schlafanfälle auszulösen oder das Denkvermögen einzuschränken.
Tiaprid unterdrückt durch die gezielte Bindung an D2- und D3-Dopamin-Rezeptoren die nervenbedingten Störungen der Bewegungsabläufe (Tics), wie sie für Nebenwirkungen der Neuroleptika, aber auch die angeborene Krankheit Chorea Huntington typisch sind.
Disclaimer:
Bitte beachten: Die Angaben zu Wirkung, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen sowie zu Gegenanzeigen und Warnhinweisen beziehen sich allgemein auf den Wirkstoff des Medikaments und können daher von den Herstellerangaben zu Ihrem Medikament abweichen. Bitte fragen Sie im Zweifel Ihre*n Arzt*Ärztin oder Apotheker*in oder ziehen Sie den Beipackzettel Ihres Medikaments zurate.