Procain

Von: Andrea Lubliner (Pharmazeutin und Fachtexterin für medizinische Fachtexte)
Letzte Aktualisierung: 16.02.2011

Allgemeines

Procain wird örtlich angewendet zur Schmerztherapie, beispielsweise um Nerven zu blockieren und damit Schmerzen zu lindern. Zu dieser so genannten Lokalanästhesie wird Procain heute nur noch selten verwendet. Hierfür stehen jetzt wirksamere Stoffe wie beispielsweise Lidocain zur Verfügung, die besser in das Gewebe eindringen und dazu weniger allergische Reaktionen hervorrufen.

 

Welchen Zwecken dient dieser Wirkstoff?

  • Nerven bei Schmerzen blockieren
  • Störfelder im Rahmen der Neuraltherapie "entstören"
  • Schmerzen im Rahmen der Schmerztherapie lindern
  • Alterungsprozesse verzögern (Anti-Ageing)

Gegenanzeigen

Im Folgenden erhalten Sie Informationen über Gegenanzeigen bei der Anwendung von Procain im Allgemeinen, bei Schwangerschaft & Stillzeit sowie bei Kindern. Bitte beachten Sie, dass die Gegenanzeigen je nach Arzneiform eines Medikaments (beispielsweise Tablette, Spritze, Salbe) unterschiedlich sein können.

Wann darf Procain nicht verwendet werden?

Procain darf nicht angewendet werden

  • bei Überempfindlichkeit gegen Mittel zur örtliche Betäubung vom Ester-Typ (wie Procain) oder gegen Benzoesäure (Ausgangssubstanz von Procain bei dessen Herstellung) sowie gegen den Wirkstoff selbst. Gleiches gilt, wenn eine Unverträglichkeit gegen Sulfonamide (Gruppe von Antibiotika) besteht. Mit Sulfonamiden darf Procain grundsätzlich nicht kombiniert werden.
  • bei Pseudocholinesterase-Mangel. Die Pseudocholinesterase ist ein körpereigenes Enzym, das zum Abbau des Procains erforderlich ist. Ist dieses Enzym nicht in ausreichendem Maße vorhanden oder wird es durch andere Wirkstoffe gehemmt, kann die Wirkung von Procain erheblich verlängert werden. Eine solche Hemmung wird beispielsweise von den Cholinesterasehemmern ausgeübt, zu denen viele Mittel zur Behandlung der Parkinson-Krankheit gehören.
  • zu Injektionen in die Arterien, zur Injektion im Bereich des Rückenmarks oder den Rückenmarkskanal, um eine entsprechende Schmerzhemmung (Anästhesie) herbeizuführen
  • zu Spritzen in die Venen, wenn Herzrhythmusstörungen, Herzinfarkt oder eine fortgeschrittene Herzmuskelschwäche besteht.

Nur wenn der Arzt es für notwendig hält und unter seiner Aufsicht darf Procain zur Injektion unter die Haut und an Nervenknotenpunkte sowie zur Einnahme eingesetzt werden bei

  • Myasthenia gravis
  • Herzrhythmusstörungen, Herzinfarkt und fortgeschrittener Herzmuskelschwäche
  • Spitzen in entzündetes (infiziertes) Gewebe
  • Spritzen im Kopf-Hals-Bereich
  • Blutgerinnungsstörung oder gleichzeitiger Behandlung mit Wirkstoffen wie Antikoagulanzien, die die Blutungsgefahr erhöhen.

Bei einem geringen Blutvolumen durch Flüssigkeitsmangel muss dieser vor Behandlungsbeginn behoben werden.
 

 

Was müssen Sie bei Schwangerschaft und Stillzeit beachten?

In der Schwangerschaft soll Procain nur unter sorgfältiger ärztlicher Abwägung von Nutzen und Risiko angewendet werden, da eine erhöhte Gefährdung des Ungeborenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann.

Procain tritt in die Muttermilch über. Nebenwirkungen beim Säugling wurden aber bisher nicht nachgewiesen. Eine kurzzeitige Behandlung kann daher in der Stillzeit erfolgen.

Was ist bei Kindern zu berücksichtigen?

Procain sollte bei Kindern nicht angewendet werden, da es keine Untersuchungen in ausreichender Zahl bezüglich Nutzen und Risiko gibt.

Welche Nebenwirkungen kann Procain haben?

Im Folgenden erfahren Sie das Wichtigste zu möglichen, bekannten Nebenwirkungen von Procain. Diese Nebenwirkungen müssen nicht auftreten, können aber. Denn jeder Mensch reagiert unterschiedlich auf Medikamente. Bitte beachten Sie außerdem, dass die Nebenwirkungen in Art und Häufigkeit je nach Arzneiform eines Medikaments (beispielsweise Tablette, Spritze, Salbe) unterschiedlich sein können.

Seltene Nebenwirkungen bei Anwendung als Spritze oder Lösung:
Schleimhautschwellungen, Nesselsucht, Schwellungen, Gewebswassereinlagerungen (Ödeme), Bronchienverengung, Atemnot.

Nebenwirkungen ohne Angabe der Häufigkeit bei Anwendung als Spritze oder Lösung:
allergische Hautreaktionen wie Blasenbildungen, Hautausschlag, Juckreiz, EKG-Veränderungen, Missempfindungen im Mundbereich, Erregungszustände, Unruhe, Krämpfe, Muskelzittern, Blutergüsse, Blutdruckabfall.

Seltene Nebenwirkungen bei Einnahme:
Schwindel, Unruhe (Delir), Magen-Darm-Störungen wie Übelkeit und Erbrechen, Magenschmerzen, Durchfall, allergische Reaktionen.

Vereinzelte Nebenwirkungen bei Einnahme:
Regelblutungen während der Wechseljahre.

Besonderheiten:
Grundsätzlich kann Procain lebensbedrohliche Reaktionen (wie Schock und Atemnot) hervorrufen, die ein sofortiges Eingreifen des Arzutes notwendig machen.

 

Welche Wechselwirkungen zeigt Procain?

Bitte beachten Sie, dass die Wechselwirkungen je nach Arzneiform eines Medikaments (beispielsweise Tablette, Spritze, Salbe) unterschiedlich sein können.

Die Wirkung von Procain wird verlängert durch bestimmte muskelentspannende Wirkstoffe (nicht-depolarisierende Muskelrelaxanzien).

Ferner kann durch Zugabe kleiner Mengen Atropin (ein Anticholinergikum) in die Injektionsflüssigkeit die betäubende Wirkung von Procain verlängert werden.

Die Nebenwirkungen von Procain können durch geringe Dosen von Physostigmin (Wirkstoff, der bei Vergiftungen zum Beispiel mit Muskelrelaxanzien zum Einsatz kommt), gelindert werden.

Procain sollte nicht zusammen mit Cholinesterase-Hemmstoffen (beispielsweise den Wirkstoffen gegen die Parkinson-Krankheit Biperiden und Benzatropin) eingesetzt werden, da diese den Procain-Abbau hemmen. So kann es zu einer Verstärkung und Verlängerung von Wirkung und Nebenwirkungen kommen.

Procain vermindert die Wirkung von Sulfonamiden (Gruppe von Antibiotika).

 

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen

  • Das Medikament darf nur bei normaler Kreislaufsituation (Puls, Blutdruck) angewendet werden.
  • Das Medikament kann, insbesondere bei Gerinnungsstörungen oder unter Einnahme gerinnungshemmender Wirkstoffe, Blutungen verursachen.
  • Es besteht ein höheres Risiko für Nebenwirkungen und Vergiftungserscheinungen bei Anwendung im Hals-Kopf-Bereich.
  • Bei Leberfunktionsstörung ist gegebenenfalls eine Dosisverminderung notwendig.
  • Bei Nierenfunktionsstörungen ist gegebenenfalls eine Dosisverminderung notwendig.
  • Bei Zeichen eines allergischen Schocks (Blutdruckabfall, Schwellungen, Rötungen) ist sofort der Arzt aufzusuchen.
  • Das Medikament sollte nicht im Auge oder auf verletzter Haut angewendet werden.
  • Vor kosmetischen Eingriffen ist das Medikament mit einem Wattestäbchen aufzubringen, wobei bis zur vollen Wirkung einige Minuten gewartet werden muss.
  • Eine Beeinträchtigung der aktiven Teilnahme am Straßenverkehr, der Bedienung von Maschinen sowie der Arbeit ohne sicheren Halt ist möglich.

Manchmal lösen arzneiliche Wirkstoffe allergische Reaktionen aus. Sollten Sie Anzeichen einer allergischen Reaktion wahrnehmen, so informieren Sie umgehend Ihren Arzt oder Apotheker.

 

Welche Medikamente beinhalten Procain?

Folgende Tabelle zeigt alle erfassten Medikamente, in welchen Procain enthalten ist.In der letzten Spalte finden Sie die Links zu den verfügbaren Anwendungsgebieten, bei denen das jeweilige Medikamente eingesetzt werden kann.

 
Medikament
Darreichungsform
Procain 0,5%-Steigerwald
Injektionslösung
Injektionslösung

 

So wirkt Procain

Im Folgenden erfahren Sie mehr zu den Anwendungsgebieten und der Wirkungsweise von Procain. Lesen Sie dazu auch die Informationen zur Wirkstoffgruppe Mittel zur örtlichen Betäubung, zu welcher der Wirkstoff Procain gehört.

Anwendungsgebiet des Wirkstoffs Procain

Procain wird örtlich angewendet zur Schmerztherapie, beispielsweise um Nerven zu blockieren und damit Schmerzen zu lindern. Zu dieser so genannten Lokalanästhesie wird Procain heute nur noch selten verwendet. Hierfür stehen jetzt wirksamere Stoffe wie beispielsweise Lidocain zur Verfügung, die besser in das Gewebe eindringen und dazu weniger allergische Reaktionen hervorrufen.

Allerdings wird Procain weiterhin in der "Neuraltherapie" verwendet, einer Behandlungsform aus dem Bereich der Alternativmedizin. Hierbei werden Procain-haltige Spritzen in "Störfelder" (beispielsweise Narben) gespritzt, um so eine "Entstörung" und damit eine Schmerzlinderung zu erzielen.

Ein drittes, allerdings umstrittenes Einsatzgebiet für Procain ist die Einnahme zur Alterungsverzögerung (Anti-Ageing).

Procain ist je nach Anwendungsgebiet als Lösung zum Eintropfen in die Ohren, als Spritzen zur Injektion oder in Kombination mit anderen Wirkstoffen als Dragees, Kapseln und Tabletten zur Einnahme erhältlich.

Im kosmetischen Bereich wird Procain zur örtlichen Betäubung vor der Anbringung von Tattoos und Permanent-Make-up verwendet.

 

Zu folgenden Anwendungsgebieten von Procain sind vertiefende Informationen verfügbar:

Wirkungsweise von Procain

Procain bewirkt nach dem gleichen Wirkmechanismus wie alle Mittel zur örtlichen Betäubung eine Hemmung der Reizweiterleitung an den Nerven. Die Schmerzwahrnehmung am Wirkort wird so blockiert. Diese Wirkung tritt ein, sobald der Wirkstoff in die Zellen eingedrungen ist, und hält circa ein bis zwei Stunden an.

In entzündetem Gewebe kann keine ausreichende Betäubung erreicht werden, da aufgrund von pH-Wert-Veränderungen die Wirkung von Procain deutlich abgeschwächt ist.

Die Anwendung als Mittel zur Alterungsverzögerung ist auf zwei Stoffwechselprodukte des Procains zurückzuführen: Para-Aminobenzoesäure und Diäthylaminoäthanol. Beide haben eine Herz-, Kreislauf- und Nervenwirkung, die sich in einer deutlichen Vitalisierung bemerkbar macht. Außerdem wurde festgestellt, dass Procain selbst eine zellaktive Substanz ist, die teilweise die Reparatur von Zellen fördern kann. So besteht die Vermutung, dass Procain zum Beispiel Zellschädigungen durch Kortison aufzufangen vermag.

 

Disclaimer:
Bitte beachten: Die Angaben zu Wirkung, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen sowie zu Gegenanzeigen und Warnhinweisen beziehen sich allgemein auf den Wirkstoff des Medikaments und können daher von den Herstellerangaben zu Ihrem Medikament abweichen. Bitte fragen Sie im Zweifel Ihre*n Arzt*Ärztin oder Apotheker*in oder ziehen Sie den Beipackzettel Ihres Medikaments zurate.