Biperiden

Von: Andrea Lubliner (Pharmazeutin und Fachtexterin für medizinische Fachtexte)
Letzte Aktualisierung: 02.09.2007

Allgemeines

Im Allgemeinen wird Biperiden als Tabletten gegeben, für den schnellen Wirkungseintritt in Notfällen wie zum Beispiel Vergiftungen steht der Wirkstoff auch in Form von Injektionslösungen zur Verfügung.

Welchen Zwecken dient dieser Wirkstoff?

  • Bewegungsstarre bei Parkinson-Krankheit verringern
  • Zittern bei Parkinson-Krankheit mindern
  • Nebenwirkungen von Neuroleptika abschwächen
  • Vergiftungen mit Pflanzenschutzmitteln behandeln
  • Vergiftungen mit Nikotin behandeln

Gegenanzeigen

Im Folgenden erhalten Sie Informationen über Gegenanzeigen bei der Anwendung von Biperiden im Allgemeinen, bei Schwangerschaft & Stillzeit sowie bei Kindern. Bitte beachten Sie, dass die Gegenanzeigen je nach Arzneiform eines Medikaments (beispielsweise Tablette, Spritze, Salbe) unterschiedlich sein können.

Wann darf Biperiden nicht verwendet werden?

Der Wirkstoff sollte nicht bei unbehandeltem Engwinkelglaukom (grüner Star), Verengungen im Magen-Darm-Bereich, Dickdarmvergrößerung (Megakolon) und Darmverschluss eingenommen werden.

Nur unter größter ärztlicher Vorsicht darf der Wirkstoff verwendet werden bei:
  • Blasenentleerungsstörungen und gutartiger Prostatavergrößerung mit Restharnbildung
  • Muskelschwäche (Myasthenia gravis)
  • Erkrankungen, die mit schnellen Herzrhythmusstörungen (Herzrasen) einhergehen
  • älteren Patienten, besonders wenn eine Störung der Hirnfunktion besteht. Diese benötigen eine besonders vorsichtige Dosierung unter ärztlicher Aufsicht.

Was müssen Sie bei Schwangerschaft und Stillzeit beachten?

In der Schwangerschaft sollte der Wirkstoff nur nach strenger ärztlicher Abwägung von Nutzen und Risiko eingenommen werden. Es gibt bisher nur wenige Erfahrungen mit der Anwendung in dieser Zeit.

In der Stillzeit sollte Biperiden nicht eingenommen werden. Der Wirkstoff verringert die Muttermilchmenge und tritt zudem in der gleichen Konzentration in der Milch auf, wie im mütterlichen Blut. So kann es zu Vergiftungserscheinungen beim Säugling kommen.

Was ist bei Kindern zu berücksichtigen?

In der richtigen Dosierung kann der Wirkstoff auch bei Kindern ab drei Jahren zur Behandlung von Medikamenten-bedingten Bewegungsstörungen verwendet werden.

Welche Nebenwirkungen kann Biperiden haben?

Im Folgenden erfahren Sie das Wichtigste zu möglichen, bekannten Nebenwirkungen von Biperiden. Diese Nebenwirkungen müssen nicht auftreten, können aber. Denn jeder Mensch reagiert unterschiedlich auf Medikamente. Bitte beachten Sie außerdem, dass die Nebenwirkungen in Art und Häufigkeit je nach Arzneiform eines Medikaments (beispielsweise Tablette, Spritze, Salbe) unterschiedlich sein können.

Gelegentliche Nebenwirkungen:
Gedächtnisstörungen, Blasenentleerungsstörungen, Stimmungsaufhellung und Euphorie.

Seltene Nebenwirkungen:
Delirium, Wahnvorstellungen, Nervosität, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Mundtrockenheit mit Ohrspeicheldrüsenentzündung, Störung des Scharfsehens, Pupillenweitung mit erhöhter Lichtempfindlichkeit der Augen, Schweißabsonderungshemmung, Verstopfung, Magenbeschwerden, Übelkeit, Herzrasen, Harnverhaltung.

Sehr seltene Nebenwirkungen:
Muskelzuckungen, Sprachstörungen, unkontrollierte Bewegungen, Bewegungsunfähigkeit, Herzschlagverlangsamung, allergische Hautausschläge.

Nebenwirkungen ohne Angabe der Häufigkeit:
Überempfindlichkeitsreaktionen (Hautrötungen), Engwinkelglaukomentstehung.

Besonderheiten:
Biperiden kann zu einer erhöhten Bereitschaft zu Krampfanfällen des Gehirns führen. Bei empfindlichen Patienten muss der Wirkstoff entsprechend vorsichtig vom Arzt dosiert werden.

Die stimmungsaufhellende Wirkung von Biperiden kann zu Abhängigkeit und Missbrauch des Wirkstoffes führen.

Welche Wechselwirkungen zeigt Biperiden?

Bitte beachten Sie, dass die Wechselwirkungen je nach Arzneiform eines Medikaments (beispielsweise Tablette, Spritze, Salbe) unterschiedlich sein können.

In Kombination mit anderen auf Acetylcholin und seine Rezeptoren wirksamen Medikamenten besteht ein erhöhtes Risiko für Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Verwirrtheit oder Sprachstörungen.

Biperiden verstärkt die Nebenwirkungen des Schmerzmittels Pethidin, von Neuroleptika, Antidepressiva und von Parkinson-Mitteln wie Amantadin und Levodopa. Bekommt der Patient gleichzeitig Levodopa, besteht ein erhöhtes Risiko für unkontrollierte Bewegungen, vor allem im Mund-, Zungen- und Kopfbereich. Gesteigert wird auch der muskelentspannende Effekt anderer Wirkstoffe, wie etwa von antiallergischen H1-Antihistaminika oder krampflösenden Wirkstoffen. Die Wirkung von Alkohol kann verstärkt werden.

Zusammen mit Chinidin kann Biperiden Herzrhythmusstörungen auslösen.

Die Wirkungen von Biperiden und dem Magenmittel Metoclopramid schwächen sich gegenseitig ab.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen

  • Bei gleichzeitiger Gabe von Parkinsonmitteln wie Levodopa zusätzlich zu Biperiden verstärkt sich die Alkoholwirkung. Auf Alkohol ist deshalb zu verzichten.
  • Bei Harnverhaltung ist vor Einnahme des Medikaments die Blase zu entleeren.
  • Wegen der Gefahr der Entwicklung eines Engwinkelglaukoms sollte der Arzt während der Behandlung mit dem Medikament den Augendruck regelmäßig kontrollieren.
  • Bei Patienten mit Neigung zu epileptischen Anfällen muss der Arzt das Medikament besonders vorsichtig dosieren.
  • Das Medikament kann das Reaktionsvermögen derart beeinflussen, dass die aktive Teilnahme am Straßenverkehr und das Bedienen von Maschinen gefährlich sind.

Manchmal lösen arzneiliche Wirkstoffe allergische Reaktionen aus. Sollten Sie Anzeichen einer allergischen Reaktion wahrnehmen, so informieren Sie umgehend Ihren Arzt oder Apotheker.

Welche Medikamente beinhalten Biperiden?

Folgende Tabelle zeigt alle erfassten Medikamente, in welchen Biperiden enthalten ist.In der letzten Spalte finden Sie die Links zu den verfügbaren Anwendungsgebieten, bei denen das jeweilige Medikamente eingesetzt werden kann.

Medikament
Darreichungsform

So wirkt Biperiden

Im Folgenden erfahren Sie mehr zu den Anwendungsgebieten und der Wirkungsweise von Biperiden. Lesen Sie dazu auch die Informationen zu den Wirkstoffgruppen Muscarinrezeptor-Antagonisten, Parkinson-Mittel, zu welcher der Wirkstoff Biperiden gehört.

Anwendungsgebiet des Wirkstoffs Biperiden

Im Allgemeinen wird Biperiden als Tabletten gegeben, für den schnellen Wirkungseintritt in Notfällen wie zum Beispiel Vergiftungen steht der Wirkstoff auch in Form von Injektionslösungen zur Verfügung.

Der Wirkstoff lindert die Symptome der Bewegungsstarre (Rigor) und der Bewegungsunfähigkeit (Akinesie) des Parkinsonpatienten. Auch das typische anfängliche Zittern in der Bewegung (wie etwa bei dem Versuch, eine Tasse zum Mund zu führen) lässt nach.

Unkontrollierbare Bewegungen des Gesichts, der Arme und Beine, Zungen- und Schlundkrämpfe, die als Nebenwirkungen einer Therapie mit Neuroleptika auftreten können, werden durch das muskelentspannende Biperiden gelindert. Gelegentlich wird daher zu einem Neuroleptikum Biperiden verordnet.

Bei Vergiftungserscheinungen durch Nikotin und organische Phosphorverbindungen (Pflanzenschutzgifte) ist Biperiden ein Gegengift. Bei Nikotinvergiftungen wird Biperiden in den Muskel gespritzt, kann aber in bedrohlichen Fällen auch in die Vene gegeben werden. Die Therapie wird dann gegebenenfalls mit Tabletten weitergeführt.

Bei Vergiftungen durch organische Phosphorverbindungen dosiert der Arzt Biperiden individuell je nach Vergiftungsbild. Im Allgemeinen werden bis zum Abklingen der Vergiftungszeichen mehrmals Einzeldosen des Wirkstoffes in die Vene injiziert oder als Infusion gegeben.

Zu folgenden Anwendungsgebieten von Biperiden sind vertiefende Informationen verfügbar:

Wirkungsweise von Biperiden

Biperiden zählt zur Wirkstoffgruppe der Muscarinrezeptor-Antagonisten. Wie alle Wirkstoffe dieser Gruppe konkurriert es mit dem Nervenbotenstoff Acetylcholin um die Bindung an so genannte Muskarin-Rezeptoren im Gehirn und im übrigen Körper. Biperiden besitzt vorwiegend eine Gehirn-Wirkung. Erst in höheren Dosen vermag der Wirkstoff wie andere so genannte Anticholinergika (bekanntestes: Atropin) die Pupillen zu weiten sowie den Speichelfluss und die Magensaftproduktion zu hemmen. Biperiden besitzt darüber hinaus schwach muskelentspannende Eigenschaften.

Gibt man Tieren Substanzen, die parkinsonähnliche Zustände wie Zittern und Steifigkeit hervorrufen, werden diese durch Biperiden günstig beeinflusst. So wird der Wirkstoff vor allem zur Behandlung der Parkinson-Krankheit genutzt. Bei dieser Erkrankung ist die Bewegungsfähigkeit des Patienten stark eingeschränkt. Einerseits kann er sich schwer bewegen, andererseits führt er oft unwillkürliche Bewegungen wie Zuckungen oder Zittern aus. Für die ungewollte Anspannung der Muskeln und die Erregung von Nervenzellen ist das Acetylcholin verantwortlich. Biperiden blockiert diejenigen Bindungsstellen (Rezeptoren), an denen Acetylcholin seine Wirkung entfaltet. Dadurch können diese Bindungsstellen nicht durch Acetylcholin aktiviert werden und die Parkinsonsymptome bleiben aus.

Ähnliche Symptome, ungewollte Bewegungen, die denen bei Parkinson gleichen, werden durch Neuroleptika hervorgerufen. Neuroleptika sind Psychopharmaka, die beispielsweise bei Schizophrenie eingesetzt werden. Genau wie die Parkinson-Krankheit können auch die geschilderten Nebenwirkungen der Neuroleptika mit Biperiden behandelt werden.

Auch die Wirkung des Biperiden als Gegengift von Nikotin und Pflanzenschutzmitteln beruht auf der Hemmung von Acetylcholin-Effekten:

Nikotin, der Hauptinhaltsstoff des Tabaks, erregt im Gehirn wie im übrigen Körper die selben Rezeptoren wie Acetylcholin. So verursacht es eine Blutdrucksteigerung und verstärkt die Tätigkeit des Verdauungstraktes. Die Nikotin-Wirkung im Gehirn zeigt sich in einem feinem Zittern der Hände und als Anregung der Atmung. Bei höheren Dosen kommt es nach anfänglichem Blutdruckanstieg durch Nervenblockade zum Blutdruckabfall und zur Erschlaffung des Magen-Darm-Bereiches. Zeichen einer Nikotinvergiftung sind Kopfschmerzen, Erbrechen, Durchfall, Schwächegefühl, Muskelkrämpfe, Schock, Koma, Atemlähmung und Herzstillstand. Biperiden hebt die Nikotinwirkung an den Nervenknoten auf und kann so die Vergiftungszeichen beseitigen.

Bestimmte Pflanzenschutzmittel wie etwa das E605 (Parathion) wirken, indem sie den Abbau des Acetylcholins hemmen. Dadurch sammelt sich eine sehr große Menge des Botenstoffs an. Da Acetylcholin Muskeln erregt, kommt es zu lebensgefährlichen Krämpfen. Biperiden hebt die Wirkung des Pflanzenschutzmittels auf, indem es Acetylcholin von seinen Bindungsstellen an den Muskelfasern verdrängt.

Disclaimer:
Bitte beachten: Die Angaben zu Wirkung, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen sowie zu Gegenanzeigen und Warnhinweisen beziehen sich allgemein auf den Wirkstoff des Medikaments und können daher von den Herstellerangaben zu Ihrem Medikament abweichen. Bitte fragen Sie im Zweifel Ihre*n Arzt*Ärztin oder Apotheker*in oder ziehen Sie den Beipackzettel Ihres Medikaments zurate.