Eine Frau mit Stuhlinkontinenz steht vor der Toilette und hält Toilettenpapier in der Hand.
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Stuhlinkontinenz: Auslöser, Therapie und Hilfsmittel

Von: Jessica Rothberg (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 30.04.2024 - 13:45 Uhr

Unkontrollierter Abgang von Darminhalt und Darmgasen: Viele Menschen jeden Alters sind von einer Stuhlinkontinenz betroffen. Aus falschem Schamgefühl suchen viele jedoch keine ärztliche Hilfe. Doch die Ursachen lassen sich meist gut behandeln und so die Lebensqualität wieder steigern. Was hilft Betroffenen mit Stuhlinkontinenz?

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

FAQ: Häufige Fragen und Antworten zum Thema Stuhlinkontinez

Eine anorektale Inkontinenz kann sich durch den unfreiwilligen Abgang von Darminhalt und Darmgasen äußern. Betroffene können den Stuhlgang nicht kontrollieren, was auch mit Stuhldrang verbunden sein kann. Oft finden sich Verschmutzungen in der Kleidung.

Bei einer Darmschwäche können Beckenbodentraining, eine Ernährungsumstellung, die Einnahme von Medikamenten zur Stuhlregulierung und in ausgeprägten Fällen ein chirurgischer Eingriff helfen.

Betroffene sollten Lebensmittel meiden, die den Darm reizen oder abführend wirken können. Dazu zählen sehr fetthaltige oder scharfe Lebensmittel, Getränke mit Koffein oder Alkohol und blähende Lebensmittel wie Zwiebeln, Kohl oder Hülsenfrüchte.

Was ist Stuhlinkontinenz?

Als Stuhlinkontinenz bezeichnen Fachleute die Unfähigkeit, Darminhalte wie Darmgase, Darmschleim und/oder Stuhl zurückzuhalten. Es kann dazu kommen, dass sich der Darm ungewollt von selbst entleert. Weitere Bezeichnungen sind zudem eine Darmschwäche oder anorektale Inkontinenz. Eine Darminkontinenz ist keine eigenständige Erkrankung, sondern ein Symptom.

Rund zwei bis fünf Prozent der erwachsenen Personen leiden darunter, somit ist eine Stuhlinkontinenz keine Seltenheit. Grundsätzlich kann eine Darmschwäche in jedem Alter auftreten, oft sind jedoch ältere Menschen und insbesondere Frauen betroffen.

Schweregrade einer Stuhlinkontinenz

Fachleute unterscheiden bei einer Stuhlinkontinenz drei verschiedene Grade:

  • Schweregrad 1: Bei einer leichten Inkontinenz gehen Darmgase unkontrolliert ab.

  • Schweregrad 2: Betroffene mit mittlerer Stuhlinkontinenz können zudem flüssigen Stuhl nicht halten.

  • Schweregrad 3: Eine schwere anorektale Inkontinenz ist mit vollständigem Kontrollverlust der Darmentleerung verbunden. Auch fester Stuhl kann nicht mehr willentlich oder reflektorisch zurückgehalten werden.

Stuhlinkontinenz: Ursachen und Risikofaktoren

Eine Stuhlinkontinenz kann aufgrund vieler Ursachen entstehen. Je nach Auslöser unterscheiden Fachleute zwischen einer primären (neurogenen) und einer sekundären Inkontinenz.

Ursachen einer neurogenen Stuhlinkontinenz

Eine neurogene Darmschwäche geht direkt auf Schädigungen oder Störungen der Nerven zurück, welche die Darmentleerung steuern. Ursachen können sein: 

Auslöser einer sekundären Stuhlinkontinenz 

Die sekundäre Stuhlinkontinenz geht auf andere Ursachen als eine Nervenschädigung zurück. Mögliche Auslöser können sein: 

  • Verletzung des Schließmuskels: beispielsweise aufgrund einer Geburt mit Dammriss, operativer Entfernung von Analfisteln, Hämorrhoiden oder eines Analprolaps

  • Alter: im Alter lässt die Muskelkraft nach, auch die des Schließmuskels

  • Magen-Darm-Erkrankungen: vor allem bei Erkrankungen mit häufigem Durchfall wie chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa) oder Reizdarmsyndrom

  • chronische Verstopfung: festsitzender Stuhl kann den Darm blockieren und nur flüssigen Stuhl passieren lassen, weshalb der Darm vermehrt Flüssigkeit produziert (sogenannte Überlaufinkontinenz)

  • schwache Beckenbodenmuskulatur: etwa durch Geburten, Übergewicht oder durch Muskel- und Bindegewebsschwäche aufgrund zunehmenden Alters

  • psychische Ursachen: zum Beispiel als Folge traumatischer Erfahrungen oder durch Psychosen

  • Krebserkrankungen: Tumoren, die zum Beispiel nahe am After sitzen, können zu einem ungewollten Stuhlabgang führen

  • Medikamente: missbräuchliche Einnahme von Abführmitteln oder durch bestimmte Antidepressiva

Wichtig: Vielen Betroffenen mit Stuhlinkontinenz ist es unangenehm, ärztlichen Rat einzuholen. Wer unter derartigen Beschwerden leidet, sollte jedoch nicht aus falschem Schamgefühl zögern: Denn häufig lässt sich die Ursache einer Stuhlinkontinenz gut behandeln und die Beschwerden langfristig lindern.

Stuhlinkontinenz: Therapie und Hilfsmittel

Welche Therapie bei einer Stuhlinkontinenz hilft, hängt von der zugrundeliegenden Ursache und dem Schweregrad ab. Behandlungsmaßnahmen können sein:

  • Stuhlregulierung: Das erste Ziel der Behandlung ist zunächst, den Stuhlgang zu regulieren. Hilfreich kann bereits eine ballaststoffreiche Ernährung mit viel Gemüse, Obst und Vollkornprodukten sowie eine erhöhte Flüssigkeitszufuhr sein. Auch regelmäßige Bewegung ist wichtig.

  • Medikamente: In manchen Fällen erhalten Betroffene zudem Medikamente zur Stuhlregulierung oder können nach ärztlicher Rücksprache Flohsamen einnehmen. 

  • Beckenbodentraining: Ist eine Beckenbodenschwäche Ursache der anorektalen Inkontinenz, kann ein gezieltes Beckenbodentraining hilfreich sein. Betroffene erhalten hierfür eine Überweisung zur Physiotherapie.

  • sakrale Nervenstimulation: Bei Nervenschäden kann eine sakrale Nervenstimulation (SNS) helfen. Dabei wird ein winziger Schrittmacher in das Gesäß implantiert, der elektrische Impulse an noch intakte Nervenende des Schließmuskels sendet. So wird die Muskulatur des Beckenbodens und des Schließmuskels angeregt und Stuhl zurückgehalten.

  • Elektrostimulation: Dabei werden Nerven des Rückenmarks mit elektrischen Impulsen stimuliert, was die Anspannung des Schließmuskels anregen soll. Ein Nutzen ist noch nicht abschließend geklärt.

  • Biofeedback: Eine Analsonde mit Messgerät nimmt die Spannung des Beckenbodens und Schließmuskels wahr und kann so dabei helfen, die Muskelsteuerung gezielt zu trainieren.

Operative Behandlung bei Stuhlinkontinenz

In manchen Fällen raten Fachleute zu einer Injektion von Silikon oder Kollagen in den Schließmuskel. Dadurch soll das Volumen des Schließmuskels erhöht werden, was bei einer leichten Stuhlinkontinenz sinnvoll sein kann.

Helfen keine anderen Maßnahmen, um die Funktion des Schließmuskels wiederherzustellen, kann eine Operation notwendig sein. Dabei wird der Schließmuskel durch ein Stück Muskel aus dem Oberschenkel oder einen künstlichen Schließmuskel ersetzt (Sphinkterplastik). Ein solcher Eingriff hat eine Erfolgsquote von etwa 50 Prozent. In sehr schweren Fällen einer Darmschwäche kann ein künstlicher Darmausgang eine mögliche Option sein.

Stuhlinkontinenz: Diese Hilfsmittel können den Alltag erleichtern

Betroffene mit Stuhlinkontinenz können auf einige Hilfsmittel zurückgreifen, die den Alltag erleichtern. Diese verhindern insbesondere, dass abgehender Stuhl die Kleidung beschmutzt. Hilfsmittel sind zum Beispiel: 

  • Analtampons aus Schaumstoff
  • Inkontinenzhosen oder -windeln
  • Inkontinenzvorlagen
  • Netzhosen für Inkontinenzvorlagen
  • Stuhlauffangbeutel

Stuhlinkontinenz: Diagnose und Untersuchungen

Erster Schritt der Diagnose ist ein ärztliches Gespräch, bei dem die genauen Beschwerden, mögliche Vorerkrankungen und Einnahme von Medikamenten abgeklärt werden. Danach schließt sich eine körperliche Untersuchung an, bei der gegebenenfalls der Enddarm vorsichtig nach möglichen Veränderungen abgetastet wird. 

Zudem ordnet die*der Ärztin*Arzt weitere Untersuchungen an, um die Ursache der Darminkontinenz zu diagnostizieren:

  • Spiegelung des Analkanals (Proktoskopie) und Mastdarms (Rektoskopie)
  • Spiegelung des Dickdarms (Koloskopie)
  • Entnahme von Gewebeproben aus dem Darm (Biopsie)
  • Ultraschall (Sonographie)
  • Funktionsprüfung und Druckmessung des Schließmuskels (anorektale Manometrie)
  • Röntgenuntersuchung des Enddarms mit Kontrastmittel (Defäkographie)
  • Magnetresonanztomographie (MRT)
  • Computertomographie (CT)