Person hält einer anderen Person mit Krampfanfall am Boden die Hand.
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Krampfanfall: Ursachen, Arten und was tun?

Von: Monika Hortig (Medizinautorin)
Letzte Aktualisierung: 05.05.2025

Ein Krampfanfall kommt plötzlich und wirkt oft bedrohlich. Doch nicht immer steckt Epilepsie dahinter – und nicht jeder Anfall ist ein Notfall. Durch welche Symptome äußert sich ein Krampfanfall, welche Ursachen kommen infrage und was ist zu tun?

FAQ: Häufige Fragen und Antworten zum Thema Krampfanfall

Ein einzelner Krampfanfall ist meist harmlos und endet von selbst. Gefährlich kann ein Anfall werden, wenn er länger als fünf Minuten dauert, mehrfach auftritt oder zu Verletzungen führt. Allerdings kann der mögliche Auslöser des Krampfanfalls gefährlich sein, weshalb immer ärztlicher Rat eingeholt werden sollte.

Was ist ein Krampfanfall?

Ein Krampfanfall ist ein plötzliches, unkontrolliertes Ereignis, bei dem die normale Funktion der Nervenzellen (Neuronen) in der Hirnrinde vorübergehend gestört ist. Die Neuronen sind plötzlich überaktiv und senden ihre Signale nicht mehr geordnet ab. Normalerweise kommunizieren Nervenzellen über elektrische Impulse, die fein abgestimmt sind. Gerät dieses Gleichgewicht außer Kontrolle, kann es zu einem Krampfanfall kommen.

Ein Krampfanfall ist kein eigenständiges Krankheitsbild, sondern ein Symptom. Die Ursache kann harmlos oder behandlungsbedürftig sein – deshalb sollte jeder Krampfanfall medizinisch abgeklärt werden.

Krampfanfall: Arten und Symptome

Krampfanfälle lassen sich in drei Haupttypen einteilen: generalisierte Anfälle, fokale Anfälle und Absencen. Die Symptome der einzelnen Arten unterscheiden sich.

Generalisierte Krampfanfälle

Bei dieser Form ist das gesamte Gehirn betroffen. Die Symptome treten plötzlich und heftig auf.

Typische Anzeichen können sein:

  • plötzlicher Bewusstseinsverlust
  • Sturz ohne Vorwarnung
  • Verkrampfen der gesamten Muskulatur (tonische Phase)
  • rhythmisches Zucken der Gliedmaßen (klonische Phase)
  • Zungenbiss oder Einnässen
  • Atemaussetzer, eventuell bläuliche Lippen
  • Verwirrtheit oder Schläfrigkeit nach dem Anfall (postiktale Phase)

Fokale Krampfanfälle

Diese Anfälle beginnen in einem begrenzten Bereich des Gehirns. Je nach Ausbreitung bleibt das Bewusstsein erhalten oder ist verändert.

Mögliche Symptome sind:

  • Zuckungen oder Kribbeln in nur einem Körperteil (z. B. Hand oder Gesicht)
  • verändertes Empfinden wie Taubheitsgefühle
  • Sehstörungen
  • Sprachprobleme 
  • plötzliche Angstgefühle
  • automatisierte Bewegungen wie Nesteln, Schmatzen oder Herumgehen
  • verändertes Bewusstsein – die Person wirkt "wie weggetreten", reagiert aber noch auf Ansprache

Absencen

Diese Art betrifft vor allem Kinder und Jugendliche. Sie wird leicht übersehen, da sie sehr kurz und ohne Krämpfe verläuft.

Mögliche Symptome von Absencen:

  • kurze Bewusstseinspause (meist 5-20 Sekunden)
  • starrer Blick, manchmal leichtes Zucken der Augenlider
  • keine Reaktion auf Ansprache
  • sofortige Rückkehr in die normale Aktivität, als wäre nichts gewesen
  • häufig im Schulalltag auffällig: verträumt, unkonzentriert, "abwesend"

Krampfanfall: Mögliche Ursachen

Die Ursachen für einen Krampfanfall sind vielfältig – und nicht immer steckt eine chronische Erkrankung dahinter. Manchmal reicht schon eine akute körperliche Belastung, damit das Gehirn überreagiert. Handelt es sich um einen Krampfanfall, aber keine Epilepsie, gibt es folgende Möglichkeiten für Ursachen.

Akute Auslöser (Gelegenheitsanfälle) 

Diese treten einmalig auf und sind oft gut behandelbar:

  • hohes Fieber, vor allem bei Kindern (Fieberkrampf
  • Unterzuckerung bei Diabetes oder nach langem Fasten
  • Flüssigkeits- und Salzmangel (z. B. bei starkem Schwitzen oder Durchfall)
  • Schlafmangel
  • Stress
  • Alkoholentzug oder Drogenmissbrauch
  • bestimmte Medikamente oder Wechselwirkungen

Was löst wiederkehrende Krampfanfälle aus?

Mögliche Ursachen von wiederkehrenden (chronischen) Krampfanfällen sind: 

  • Epilepsie, eine Erkrankung mit dauerhaft erhöhter Neigung zu Anfällen
  • Hirnschädigungen durch Unfälle, Schlaganfälle oder Tumoren
  • Entzündungen im Gehirn (z. B. Meningitis)
  • genetische Faktoren, welche die Reizweiterleitung im Gehirn beeinflussen
  • Fehlbildungen im Gehirn (oft bereits angeboren)

Ein einzelner Krampfanfall bedeutet nicht automatisch, dass jemand Epilepsie hat. Entscheidend ist die Anzahl der Anfälle und ob eine Ursache gefunden werden kann. Bei einigen Krampfanfällen bleiben die Ursachen unklar. Fachleute sprechen dann von idiopathischen Anfällen.

Krampfanfall: Was tun?

Ein Krampfanfall kann dramatisch wirken, klingt aber in den meisten Fällen von selbst und ohne bleibende Schäden ab. Wichtig ist, die betroffene Person vor Verletzungen zu schützen und Ruhe zu bewahren.

Erste-Hilfe-Maßnahmen bei einem Krampfanfall sind:

  1. Ruhe bewahren und Umgebung sichern: Gefährliche Gegenstände wie spitze Ecken oder harte Möbel zur Seite schieben. Wenn möglich, die Person vorsichtig zu Boden bringen und den Kopf mit etwas Weichem – zum Beispiel einer Jacke – polstern. Enge Kleidung am Hals öffnen, damit die Atmung nicht behindert wird.

  2. nicht festhalten: Die Zuckungen wirken oft beängstigend, sind aber meist harmlos. Niemals versuchen, die Bewegungen zu stoppen oder die Person festzuhalten, denn das kann zu Verletzungen führen.

  3. nichts in den Mund stecken: Keine Gegenstände oder Finger in den Mund legen, da so das Risiko für Verletzungen oder Ersticken erhöht wird.

  4. Zeit im Blick behalten: Einen Blick auf die Uhr werfen. Die Dauer des Anfalls ist wichtig für die medizinische Einschätzung. Anfälle unter zwei bis drei Minuten sind meist unkritisch.

  5. nach dem Anfall in Seitenlage bringen und beruhigen: Ist der Anfall vorbei, die Person in die stabile Seitenlage bringen. So bleiben die Atemwege frei. Danach ansprechen und beruhigen – viele sind verwirrt, orientierungslos oder sehr müde.

Wann bei einem Krampfanfall den Notruf wählen?

In den meisten Fällen endet ein Krampfanfall von selbst und ohne Folgen. Es gibt jedoch Situationen, in denen sofort medizinische Hilfe notwendig ist. Rufen Sie in folgenden Fällen die 112:

  • Der Anfall dauert länger als fünf Minuten.
  • Mehrere Anfälle folgen direkt aufeinander.
  • Die Person bleibt nach dem Anfall bewusstlos oder atmet ungewöhnlich.
  • Die Person hat sich beim Anfall verletzt.
  • Die betroffene Person ist schwanger, hat Diabetes oder eine bekannte Herzerkrankung.
  • Der Anfall passiert im Wasser.

Diagnose von Krampfanfällen

Ziel der ärztlichen Untersuchung ist es, herauszufinden, welche Ursache hinter dem Anfall steckt. Die Diagnose beinhaltet meist folgende Schritte:

  • Anamnese: Der wichtigste Schritt ist das ärztliche Gespräch mit der betroffenen Person – und oft auch mit Augenzeugen. Gefragt wird zum Beispiel: Wie sah der Anfall genau aus? Wie lange hat der Anfall gedauert? Was war vorher – Stress, Schlafmangel, Fieber? Gab es frühere Anfälle oder bekannte Vorerkrankungen? Je genauer die Beobachtungen, desto besser. Auch Handyvideos können sehr hilfreich sein.

  • körperliche und neurologische Untersuchung: Hier prüfen die Ärzt*innen Reflexe, Muskelkraft, Sprache und das Bewusstsein, um Hinweise auf eine mögliche Ursache im Nervensystem zu finden.

  • Elektroenzephalographie (EEG): Das EEG misst die elektrische Aktivität im Gehirn. Bei Epilepsie lassen sich oft typische Entladungen oder Reizherde erkennen. Allerdings schließt ein unauffälliges EEG nicht Epilepsie aus – manchmal sind mehrere Messungen nötig, auch im Schlaf oder mit Reizprovokation.

  • Bildgebung: Eine Magnetresonanztomographie (MRT) oder Computertomographie (CT) werden veranlasst, um strukturelle Veränderungen im Gehirn zu erkennen – etwa Tumoren, Blutungen, Narben oder Fehlbildungen.

  • Blutuntersuchungen: Dadurch lassen sich Stoffwechselstörungen, Infektionen oder Mangelzustände identifizieren. 

  • Video-EEG in Spezialfällen: Wenn die Diagnose unklar bleibt, kann ein längerer Aufenthalt in einem Epilepsiezentrum mit Videoüberwachung und EEG helfen. So lassen sich Anfälle direkt aufzeichnen und genau analysieren – auch zur Abgrenzung zu psychogenen (dissoziativen) Krampfanfällen.

Durch das Gesamtbild der Untersuchungen können Fachleute sagen, ob es sich um eine einmalige Reaktion, eine behandlungsbedürftige Epilepsie oder um eine andere Form eines Krampfanfalls handelt.

Krampfanfälle: Maßnahmen zur Behandlung

Wie genau ein Krampfanfall behandelt wird, hängt davon ab, warum der Anfall überhaupt aufgetreten ist. Je nach Ursache kommen verschiedene Optionen infrage:

  • akute Auslöser: Einige Krampfanfälle treten im Zusammenhang mit kurzfristigen körperlichen Ausnahmesituationen auf – etwa bei hohem Fieber, starkem Flüssigkeitsverlust oder Unterzuckerung. In solchen Fällen reicht es oft, die auslösende Störung zu korrigieren. Beispielsweise wird bei einem Fieberkrampf das Fieber gesenkt – nicht der Krampfanfall behandelt. In diesen Fällen ist nach der Behandlung meist keine weitere Therapie nötig. 

  • Epilepsie: Bei dieser Diagnose steht die Dauertherapie mit Antiepileptika im Fokus. Diese Medikamente wirken im Gehirn, indem sie die Übererregbarkeit der Nervenzellen dämpfen. Das Ziel ist das Vermeiden von Anfällen. Nicht immer genügt ein Medikament. Manche Betroffene brauchen alternative Therapien wie eine Vagusnerv-Stimulation (ein kleines Implantat, das elektrische Impulse an das Gehirn sendet) oder eine Operation.

  • psychogene (dissoziative) Anfälle: Wenn die Ursache nicht neurologisch, sondern psychisch ist, steht eine Psychotherapie im Mittelpunkt. Mögliche Auslöser der Krampfanfälle sind chronischer Stress, unverarbeitete Traumata oder emotionale Belastungen. Wichtig ist hier: Die Betroffenen bilden sich nichts ein – die Anfälle sind real und belastend. Eine wertschätzende Aufklärung ist ein entscheidender Teil der Therapie.

Bei Hirntumoren, Gefäßveränderungen oder Entzündungen richtet sich die Behandlung nach der Grunderkrankung. Wird die Ursache erfolgreich behandelt, verschwinden oft auch die Anfälle.

Bleibt der Auslöser unklar – wie bei manchen idiopathischen Epilepsien – wird dennoch behandelt. Auch hier gilt: Je nach Anfallstyp und Häufigkeit kann eine medikamentöse Therapie sinnvoll sein, um Lebensqualität und Sicherheit zu verbessern.