Pilzvergiftung (Myzetismus)
Pilze im Wald sammeln klingt verlockend. Gerät man aber hierbei an das falsche Pilzexemplar, kann eine Pilzvergiftung die gefährliche Folge sein. Wann Symptome auftreten, welche das sind und was Sie tun können.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Überblick
Verantwortlich für eine Pilzvergiftung (Myzetismus) sind Pilzgifte, von denen manchmal bereits kleinste Mengen ausreichen, um schwere Vergiftungserscheinungen hervorzurufen. Je nach Giftpilz kann eine Pilzvergiftung tödlich enden.
Die Symptome einer Pilzvergiftung können innerhalb von Minuten bis Tagen eintreten und äußern sich meist durch
- Übelkeit,
- Erbrechen,
- Durchfall,
- Schwindel und
- Herz-Kreislauf-Beschwerden.
Je nachdem, welches Pilzgift die Pilzvergiftung hervorruft, sind außerdem Beschwerden wie Hautausschlag und Atembeschwerden möglich.
Sollten nach dem Verzehr von Pilzen Krankheitszeichen auftreten, muss es nicht immer eine Vergiftung sein. Eine Pilzunverträglichkeit oder eine Pilzallergie können ebenfalls Probleme wie Übelkeit, Erbrechen und Durchfall hervorrufen.
Vorsicht ist beim Sammeln von Pilzen im Wald geboten. Laien ist es oft nicht möglich, bekömmliche Speisepilze von giftigen Pilzen zu unterscheiden. Erkundigen Sie sich deshalb vor dem Verzehr beziehungsweise schon vor dem Sammeln von Pilzen, welche Pilze giftig und welche zum Verzehr geeignet sind. Holen Sie sich im Zweifelsfall Rat durch einen zertifizierten Experten ein. Viele giftige Pilze ähneln den verzehrbaren bis auf kleine Details, wie es zum Beispiel beim Champignon und dem sehr giftigen Knollenblätterpilz der Fall ist.
Sollten Sie sich nicht sicher sein, ob ein Pilz, den Sie gefunden haben, giftig ist oder nicht, verzehren Sie ihn nicht. Essen Sie nur bekannte Pilze, deren Unbedenklichkeit Sie am besten durch einen Pilzsachverständigen bestätigen lassen, oder suchen Sie eine Pilzberatungsstelle auf. Ebenfalls sollten Sie verdorbene und besonders junge Pilze stehen lassen.
Sollten nach einer Pilzmahlzeit Beschwerden wie Magen-Darm-Probleme auftreten, sollten Sie eine Klinik aufsuchen oder eine Giftnotrufzentrale kontaktieren. Hier ist eine rasche erste Hilfeund eine unverzügliche ärztliche Behandlung wichtig, denn Pilzvergiftungen können tödlich enden.
Es sind nicht nur giftige Pilze, die, wenn sie versehentlich im Kochtopf landen, zu einer Pilzvergiftung führen. Meistens kommt es durch unsachgemäße und/oder zu lange Lagerung von Pilzen zu einer Pilzvergiftung. Die meisten Speisepilze sind außerdem giftig, wenn man sie roh verzehrt. Nur der Zuchtchampion, der Steinpilz und einige wenige andere Arten können roh gegessen werden.
In Europa sind etwa 150 Giftpilze bekannt. Davon sind der grüne Knollenblätterpilz und der Nadelholzhäubling am giftigsten. Für über 90 Prozent der Pilzvergiftungen in Deutschland ist der grüne Knollenblätterpilz verantwortlich.
Die Häufigkeit von Pilzvergiftungen ist nicht genau bestimmbar, weil nicht jede Pilzvergiftung in Vergiftungszentralen gemeldet wird und weil es in Deutschland keine zentrale Meldestelle für Pilzvergiftungen gibt.
Wichtig: Pilzvergiftungen enden selten tödlich. Grundsätzlich besteht diese Gefahr aber. Wer nach einer Pilzmahlzeit Anzeichen für eine Vergiftung bemerkt, sollte daher sofort ins Krankenhaus fahren oder den Notarzt (112) oder Giftnotruf kontaktieren, um lebensbedrohliche Folgen zu verhindern.
Wann treten die Symptome auf?
Bei einer Pilzvergiftung können die ersten Symptome unterschiedlich schnell nach dem Verzehr von Pilzen auftreten – innerhalb von einer halben Stunde oder auch erst nach bis zu zehn Tagen. Die späten Vergiftungserscheinungen können durch die damit einhergehenden Leber- und Nierenschädigungen lebensbedrohlich sein.
Wann erste Anzeichen? | Pilzarten (Beispiele) | erste Symptome | Name des Vergiftungssyndroms |
Minuten bis 1 Stunde | Grauer Faltentintling, Spechttintling | Zu Beschwerden kommt es nur, wenn man drei Tage vor oder nach der Pilzmahlzeit Alkohol getrunken hat. Dann: Hautrötung in Gesicht, Nacken und Brust, Schwindel, Schwitzen, Atemnot, Herzrasen | Coprinus-Syndrom, Acetaldehyd-Syndrom |
15 Minuten bis 2 Stunden | Kahler Krempling | Vergiftungs- erscheinungen treten erst nach wiederholtem Verzehr auf. Dann: Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Durchfall, Kreislaufprobleme, Atemnot, Schwächegefühl, Gelbsucht, Blut im Urin | Paxillus-Syndrom |
diverse Risspilze (z.B. Ziegelroter Risspilz, Erdblättriger Risspilz, Kegelhütiger Risspilz) und Trichterlinge (z.B. Feldtrichterling, Duft-Trichterling) | Schwitzen, Durchfall, Erbrechen, verkleinerte Pupillen und Sehstörungen, verlangsamter Puls, Tränen- und Speichelfluss | Muscarin-Syndrom | |
15 Minuten bis 4 Stunden | Fliegenpilz, Pantherpilz, Königsfliegenpilz | vergrößerte Pupillen, warme Haut, trockener Mund, beschleunigter Puls, erhöhter Blutdruck, Bewusstseinstrübung, Rauschzustände (Halluzinationen), Krampfanfälle | Pantherina-Syndrom |
diverse Kahlkopfarten (z.B. Blauender Kahlkopf, Spitzkegeliger Kahlkopf), Dachpilze, Flämmlinge, Häublinge | Rauschzustände, Benommenheit, Schwindel, Unruhe, Gleichgewichts- störungen, Magen-Darm-Beschwerden | Psilocybin-Syndrom | |
Karbolegerling, Speitäubling, Bruchreizker, Birkenreizker, Rotbrauner Milchling | Übelkeit, Erbrechen, Durchfall | Gastrointestinales Syndrom | |
6 bis 24 Stunden | Frühlings-Giftlorchel, Helm-Kreisling, Riesenlorchel, Bischofsmütze | heftige Magen-Darm-Beschwerden (Übelkeit, Erbrechen, Durchfall), Kopfschmerzen, Krampfanfälle, Bewusstseinsstörungen, dann Leber- und Nierenversagen | Gyromitrin-Syndrom |
8 bis 12 Stunden | Grüner Knollenblätterpilz (wird häufig mit Champignons, Täublingen und Grünlingen verwechselt) und andere Knollenblätterpilze, Fleischrosa Giftschirmling, Gifthäublinge | heftige Magen-Darm-Beschwerden (Übelkeit, Erbrechen, Durchfall), dann vermeintliche Besserung (später Leberschädigung mit Ikterus, Gerinnungsstörungen, Chronische Niereninsuffizienz (chronisches Nierenversagen) | Phalloides Syndrom, Amatinin-Syndrom, |
einige Tage bis 3 Wochen | Orangefuchsiger Raukopf, Spitzgebuckelter Raukopf, farbig pigmentierte Schleierlinge | Die Vergiftung führt zu akutem Nierenversagen, das sich unterschiedlich äußern kann, z.B. durch Durst, Kopfschmerzen, Mundtrockenheit. | Orellanus-Syndrom |
(Quellen: Deutschen Gesellschaft für Mykologie e.V., Thieme-Fachbuch Duale Reihe Pharmakologie und Toxikologie, PTA Heute)
Lantenzzeit
Bei einer Pilzvergiftung gibt es keine einheitliche Latenzzeit. Die Symptome treten meist innerhalb von 15 Minuten bis 4 Stunden nach dem Verzehr der Giftpilze auf. Schwere, mitunter lebensbedrohliche Pilzvergiftungen verursachen dagegen häufig frühestens nach 6 bis 8 Stunden, oft sogar erst nach 1 bis 2 Tagen oder noch später Beschwerden.
Spät einsetzende Pilzvergiftungserscheinungen sind oft lebensbedrohlich. Bekannte Krankheitsbilder sind:
- Amatoxin-Syndrom: 8 bis 12 Stunden, selten 24 Stunden nach dem Pilzverzehr kommt es zu heftigem Erbrechen und starkem Durchfall, der über einen längeren Zeitraum anhält. Nach einer kurzzeitigen (scheinbaren) Besserung entsteht nach 1 bis 2 Tagen ein Leberschaden, der im schlimmsten Fall zu einem Leberzerfall führt.
- Gyromitra-Syndrom: Nach 6 bis 12 Stunden, selten auch erst nach rund 50 Stunden treten dabei bis zu zwei Tage lang krampfartige Blähungen mit Übelkeit und Erbrechen auf, zum Teil entstehen auch Schwindel und Krampfanfälle. Nach 24 Stunden kommt es zu Leberschäden und Nervenstörungen.
- Orellanus-Syndrom: Bei diesem Krankheitsbild treten teilweise 1 Tag nach dem Pilzverzehr Frühsymptome wie Übelkeit und Erbrechen auf. Nach 36 Stunden bis 14 Tagen entsteht eine Nierenschädigung, die mit Rückenschmerzen einhergeht. Zudem findet sich Eiweiß im Blut und Urin. In schweren Fällen kommt es zum Nierenversagen.
Ursachen einer Pilzvergiftung
Zu einer Pilzvergiftung kommt es, wenn man Pilze verzehrt, die giftige Substanzen enthalten. Der Verzehr einiger Giftpilze, wie Fliegenpilzen und grünen Knollenblätterpilzen, kann tödlich sein.
Rohe, verdorbene oder aufgewärmte Speisepilze können ebenfalls zu Symptomen führen, die einer Pilzvergiftung ähnlich sind – Ursachen der Beschwerden sind in diesen Fällen aber nicht Pilzgifte, sondern Lebensmittelvergiftungen, die durch Bakterien verursacht werden.
Von "echten" Pilzvergiftungen abzugrenzen sind außerdem Nahrungsmittelallergien und Nahrungsmittelunverträglichkeiten auf Speisepilze.
Diagnose bei Pilzvergiftung
Bei einer Pilzvergiftung stellt der Arzt die erste Diagnose anhand der Symptome, die kurz oder einige Zeit nach dem Genuss einer Pilzmahlzeit oder eines einzelnen Pilzes (z.B. im Wald) auftreten. Es ist daher wichtig, dem Arzt zu erzählen, dass man Pilze zu sich genommen hat. So kann er die Beschwerden von anderen Krankheiten wie Lebensmittelvergiftungen und Magen-Darm-Erkrankungen abgrenzen.
Idealerweise bringen Sie Reste der Pilzmahlzeit oder eine Probe von erbrochenem Mageninhalt mit. Beides kann der Arzt auf giftige Pilzreste untersuchen und so bei einer Pilzvergiftung die Diagnose sichern.
Therapie der Pilzvergiftung
Eine Pilzvergiftung ist ein Notfall, der eine sofortige Therapie erfordert. Wenn Sie den Verdacht haben, dass Sie eine Pilzvergiftung haben, sollten Sie daher sofort einen Arzt aufsuchen oder sich an eine Vergiftungszentrale wenden. Es ist sinnvoll, Erbrochenes und Pilzreste mit ins Krankenhaus zu nehmen, denn so lässt sich dort schneller feststellen, um welche Art von Pilzvergiftung es sich handelt. Zudem hat der Arzt so die Möglichkeit, rasch das richtige Mittel zur Therapie zu finden.
Die ärztliche Behandlung einer Pilzvergiftung richtet sich nach der Art der Vergiftung. In leichten Fällen reicht es oft aus, die Beschwerden zu lindern. Zur Kontrolle überprüft der Arzt regelmäßig die Atmung, den Blutdruck und den Puls. In anderen Fällen einer Pilzvergiftung ist eine Magenspülung und die Gabe von Aktivkohle nötig, um das Pilzgift wieder aus dem Körper zu entfernen. Bei manchen Giftpilzen gibt es auch Gegengifte, die der Arzt verabreichen kann.
Verlauf einer Pilzvergiftung
Bei einer Pilzvergiftung hängt der weitere Verlauf besonders von der Art der aufgenommen Giftpilze ab, aber auch von der Menge und dem allgemeinen Gesundheitszustand des Betroffenen. Zudem ist eine schnelle Therapie der Vergiftung besonders wichtig.
Die Symptome einer Pilzvergiftung können innerhalb von Minuten bis Tagen eintreten und äußern sich meist unter anderem durch Übelkeit, Schwindel und Herz-Kreislauf-Beschwerden. Leichte Pilzvergiftungen lassen sich durch rasche und adäquate ärztliche Maßnahmen behandeln und heilen meist ohne Folgen aus.
Einige Pilze sind allerdings so giftig, dass die Pilzvergiftung im Verlauf zu lebensbedrohlichen Leber- und Nierenschädigungen führen und mitunter tödlich enden kann.
Pilzvergiftung vorbeugen
Was Sie beim Pilzesammeln beachten sollten:
- Sammeln Sie nur Pilze, die Sie sicher kennen! Im Zweifel lassen Sie unbekannte Pilze lieber stehen oder verzehren Sie diese nach dem Sortieren nicht. Lassen Sie die Pilze im Zweifel von einem geprüften Pilzsachverständigen bestimmen.
- Lassen Sie verdorbene, zu alte und madige Pilze stehen.
- Kaufen Sie sich ein gutes Pilz-Bestimmungsbuch, aber verzehren Sie nur Pilze, die Sie sicher bestimmen können. Hier ist Vorsicht geboten: Nur ein erfahrener Pilzsachverständiger kann die teilweise sehr geringen Unterschiede zwischen giftigen und ungiftigen Pilzarten unterscheiden. In Kursen geprüfter Pilzexperten können Sie Ihr Wissen erweitern.
- Transportieren Sie Pilze in luftigen Behältern. Verzehren Sie die Pilze frisch und beachten Sie, dass Pilze bei Lagerung schnell verderben.
- Garen Sie die Pilze ausreichend lange. Viele Pilzunverträglichkeiten resultieren aus zu kurzer Garzeit! Das absolute Minimum liegt bei 15 bis 20 Minuten Garzeit. Nur wenige Pilzarten, wie Kulturchampignons, können auch roh verzehrt werden.
- Pilze sind schwer verdaulich. Essen Sie deshalb keine zu großen Mengen.