Brugada-Syndrom: Symptome und Lebenserwartung
Wenn ein scheinbar völlig herzgesunder Mensch einen Kreislaufzusammenbruch erleidet oder plötzlich bewusstlos wird, können viele Ursachen dahinterstecken – eine seltene ist das Brugada-Syndrom. Schlimmstenfalls droht bei der erblich bedingten Erkrankung ein plötzlicher Herztod. Welche Symptome sind Warnzeichen, wie steht es um die Lebenserwartung und was hilft Betroffenen?
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Zusammenfassung
- Definition: Das Brugada-Syndrom ist eine erblich bedingte Herzerkrankung, bei der Fehlfunktionen bestimmter Eiweiße in den Wänden der Herzzellen vorliegen.
- Symptome: Manchmal kommt es zu keinerlei Symptomen. In vielen Fällen treten Beschwerden wie Herzrhythmusstörungen, Schwindel und lebensgefährliches Kammerflimmern plötzlich auf. Es besteht die Gefahr eines plötzlichen Herztods.
- Ursachen: Die Erkrankung wird vererbt und entsteht durch Genmutationen. Auslöser der Symptome können verschiedene Medikamente oder etwa Alkohol sein.
- Diagnose: Neben der Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese) erfolgen Herzuntersuchungen wie ein Elektrokardiogramm und Gentests.
- Behandlung: Betroffene erhalten in der Regel einen implantierten Defibrillator (ICD) und müssen verschiedene auslösende Faktoren meiden.
- Verlauf & Lebenserwartung: Ein plötzlicher Herztod im Rahmen des Brugada-Syndroms kann lebensbedrohlich sein, wenn er nicht umgehend behandelt wird. Die Erkrankung kann sich somit auch negativ auf die Lebenserwartung auswirken. Erhalten Betroffene einen ICD, ist die Prognose gut.
Was ist das Brugada-Syndrom?
Das Brugada-Syndrom ist eine erbliche Herzkrankheit. Fachleuten zählen sie zu den sogenannten Ionenkanalerkrankungen des Herzens. Bei diesen erblichen Herzerkrankungen liegt eine Fehlfunktion bestimmter Eiweiße (Ionenkanäle) in den Wänden der Herzzellen vor – beim Brugada-Syndrom eine Fehlfunktion des Natriumkanals. In diesem Zusammenhang ist auch die Rede von primären Arryhthmiesyndromen.
Fachleute vermuten, dass etwa 20 Prozent der Fälle eines tödlichen Herztods auf das Brugada-Syndrom zurückzuführen sind. In Europa erkranken rund 10 bis 50 von 100.000 Menschen jährlich daran. Männer sind wesentlich häufiger als Frauen betroffen. Die Herzkrankheit tritt familiär gehäuft auf. Oft sind Betroffene zum Zeitpunkt der Diagnose zwischen 40 und 45 Jahre alt.
Namensgeber der Erkrankung sind die beiden spanischen Ärzte und Brüder Josep und Pedro Brugada. Sie beschrieben im Jahr 1992 eine neue Herzkrankheit, die zu plötzlichem Herztod führt und mit bestimmten Zeichen im EKG einhergeht. In ihren Untersuchungen sie stellten fest, dass die Struktur des Herzens Betroffener ansonsten nicht verändert ist und das Herz beispielsweise im Herzultraschall gesund erscheint.
Welche Symptome bereitet das Brugada-Syndrom?
Mitunter kommt es beim Brugada-Syndrom zu keinerlei Symptomen. Viele Betroffene bleiben ein Leben lang beschwerdefrei. Die Krankheit tritt häufig erstmalig direkt mit einem Kreislaufzusammenbruch in Erscheinung. In vielen Fällen sind jedoch Symptome möglich, insbesondere:
- Schwindel
- allgemeines Unwohlsein
- Schweißausbrüchen
- kurzzeitigen Bewusstseinsverlust (Synkope)
- Krampfanfälle
- Herzrasen (Tachykardie)
- lebensgefährliches Kammerflimmern
- schlimmstenfalls plötzlicher Herztod
Bei Betroffenen kommt es besonders häufig in bestimmten Situationen zu Herzrhythmusstörungen, so etwa:
- im Schlaf oder in Phasen der Ruhe
- bei Fieber
- nach der Einnahme von Medikamenten, etwa bestimmter Narkosemittel, Psychopharmaka oder Klasse-I-Antiarrhythmika gegen Herzrhythmusstörungen (wie Flecainid)
- nach großen Mahlzeiten
- infolge von Alkoholkonsum
Wichtig: Kommt es zu Symptomen, die auf Herzrhythmusstörungen wie Kammerflimmern hindeuten können, sollte umgehend Erste Hilfe geleistet und der Notruf kontaktiert werden. Es droht ein Herzstillstand, der schlimmstenfalls tödlich endet. Menschen mit plötzlichem Herztod können diesen überleben (sogenannter überlebter plötzlicher Herztod), wenn sie schnell notfallmedizinisch versorgt werden.
Brugada-Syndrom: Ursachen sind erblich bedingt
Das Brugada-Syndrom ist eine erbliche Erkrankung, die nach einem sogenannten autosomal-dominanten Erbgang weitergegeben wird. Hierbei überträgt der betroffene Elternteil mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent das veränderte Gen auf das Kind. Das heißt: Trägt beispielsweise der Vater das Gen, die Mutter aber nicht und haben die beiden vier Kinder, kann es sein, dass zwei ebenfalls das Brugada-Syndrom haben, die anderen beiden aber nicht. Beim autosomal-dominanten Erbgang wird das Gen unabhängig vom Geschlecht weitergegeben. Vater oder Mutter können es sowohl an einen Sohn als auch an eine Tochter vererben.
Das Brugada-Syndrom kann jedoch auch auftreten, ohne dass in der Familie weitere Fälle vorliegen (sporadische Form).
Brugada-Syndrom: Welche Gene sind betroffen?
Bei jeder vierten betroffenen Person weist das Gen namens SCN5a eine Mutation auf, die zu den klinischen Symptomen führen kann. Die Abkürzung SCN5a steht für die englische Bezeichnung "sodium channel protein type 5 subunit alpha", zu Deutsch: "Natriumkanal-Eiweiß Typ 5, Untereinheit alpha".
Weitere Gene, die mit dem Brugada-Syndrom in Verbindung gebracht werden, sind:
- GPD1-L
- CACNA1c
- CACNB2b
- KCNE3
Nicht jeder Mensch, der die genetischen Merkmale des Brugada-Syndroms aufweist, erkrankt auch.
Wie wird das Brugada-Syndrom diagnostiziert?
Um die Diagnose zu stellen, erkundigt sich die*der Ärztin*Arzt über mögliche Herzerkrankungen in der Familie. Im Rahmen der Familienanamnese sind vor allem schwere Herzrhythmusstörungen, frühe Todesfälle durch einen Herzstillstand und Bewusstlosigkeit ohne erkennbaren Grund bei Familienangehörigen von Interesse.
Elektrokardiogramm kann charakteristische Veränderungen zeigen
Über ein Elektrokardiogramm (EKG) lässt sich die Erkrankung in manchen Fällen sicher nachweisen. Dann sind Veränderungen in einem bestimmten Abschnitt des EKGs zu finden, der sogenannten ST-Strecke. Die ST-Strecke hebt sich (sogenannte ST-Hebung) und geht in eine negative T-Welle über – Fachleute sprechen in diesem Fall vom "coved-type-EKG" oder einem Brugada-Typ-1-EKG. Ebenfalls typisch ist eine Störung der Erregungsausbreitung, die als Rechtsschenkelblock bezeichnet wird. Außerdem gibt es typische Befunde im EKG, die Burgada-EKG Typ 2 oder Typ 3 bezeichnet werden.
Bei Verdacht oder Hinweisen auf die Herzerkrankung stehen zur Diagnostik verschiedene EKG-Arten zur Verfügung:
- 12-Kanal-Ruhe-EKG
- Belastungs-EKG
- Langzeit-EKG
Das EKG kann beim Brugada-Syndrom aber auch völlig unauffällig sein.
Diagnostik umfasst weitere Untersuchungen
Weitere Untersuchungen bei Verdacht auf ein Brugada-Syndrom können sein:
Herzultraschall (Echokardiographie): Durch einen Herzultraschall können andere Krankheiten wie die Koronare Herzkrankheit (KHK) oder Kardiomyopathien ausgeschlossen werden.
Ajmalin-Test: Bei diesem Test nehmen Patient*innen den Natriumkanalblocker mit dem Wirkstoff Ajmalin unter ärztlicher Aufsicht ein. So können in einem anschließenden EKG mögliche typische Veränderungen sichtbar gemacht werden.
Gentests: Genetische Untersuchungen tragen dazu bei, die Diagnose zu sichern. Zudem ermöglichen sie es, Angehörige von erkrankten Patient*innen gezielt zu untersuchen. Jedoch werden nur 20 Prozent der Fälle über genetische Tests aufgedeckt.
Wie erfolgt die Behandlung des Brugada-Syndroms?
Führt das Brugada-Syndrom zu einem Herz- und Atemstillstand, müssen Betroffene umgehend wiederbelebt werden (Reanimation). Das notärztliche Team versucht mithilfe eines Defibrillators, die Rhythmusstörung zu durchbrechen und das Herz wieder in seinen normalen Takt zu bringen.
Durch rechtzeitige Reanimation können Betroffene den plötzlichen Herztod überleben. Danach erhalten sie in aller Regel einen sogenannten ICD, einen implantierbaren Cardioverter (Defibrillator). Dieses vollautomatische kleine Gerät wird im Bereich der Brust unter die Haut oder unter den Brustmuskel implantiert. Es überwacht über eine Sonde den Herzrhythmus und kann bei Bedarf Impulse abgeben, die das Herz wieder in den richtigen Takt bringen. Auf diese Weise kann ein ICD Leben retten. Er kommt auch für Menschen infrage, die recht wahrscheinlich unter dem Brugada-Syndrom leiden, bisher aber keinen Herzstillstand hatten.
Fachleute gehen davon aus, dass mehr als jeder zweite Mensch mit Brugada-Syndrom, der einen plötzlichen Herztod überlebt hat, innerhalb der ersten Jahre nach dem Ereignis wieder eine gefährliche Herzrhythmusstörung entwickelt. Ein ICD schützt diese Personen.
Was sollten Betroffene mit Brugada-Syndrom noch beachten?
Wer von der Krankheit betroffen ist, sollte insbesondere folgende Punkte beachten, die Rhythmusstörungen auslösen können:
- bestimmte Medikamente meiden bzw. nach ärztlicher Rücksprache Präparate wechseln, etwa Psychopharmaka oder Klasse-I-Antiarrhythmika
- keinen Wettkampfsport ausüben
- Fieber rechtzeitig senken
- bestenfalls auf Alkohol verzichten
- kleinere statt große, üppige Mahlzeiten einnehmen
- Störungen im Elektrolythaushalt vermeiden (z. B. Magnesiumverlust, Kaliumverlust),
- einen Notfallausweis bei sich tragen
- unter Umständen den Beruf wechseln, sofern es sich um eine körperlich anstrengende Tätigkeit handelt oder die Gefahr besteht, im Fall eines plötzlichen Bewusstseinsverlusts sich oder andere zu verletzen
Brugada-Syndrom: Verlauf und Lebenserwartung
Menschen mit Brugada-Syndrom tragen von Geburt an einen genetischen Defekt in sich. Die meisten Betroffenen fühlen sich trotzdem gesund und bleiben ein Leben lang beschwerdefrei. Bei anderen kommt es plötzlich zu Symptomen. Mitunter endet das Brugada-Syndrom tödlich (plötzlicher Herztod), und dass ohne jegliche Vorankündigung. Die Erkrankung kann sich somit auch auf die Lebenserwartung negativ auswirken. Wird das Syndrom jedoch frühzeitig diagnostiziert und behandelt, lässt sich das Risiko für tödliche Verläufe deutlich senken.